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„Dicke Luft“ im Uni-Klinikum

Eilverfahren: Gericht untersagt Institutsgründung

Münster

Die einen sprechen von „dicker Luft“, andere von „Feuer unter dem Dach“: Fest steht, dass der seit Monaten andauernde Professoren-Ärger im münsterischen Universitätsklinikum (UKM) mit einem ersten Klageverfahren gegen die Medizinische Fakultät der Universität und den Vorstand des Klinikums eine neue Eskalationsstufe erreicht hat. Das Verwaltungsgericht Münster hat die von der UKM-Spitze vorgenommene Gründung eines neuen Institutes im Eilverfahren vorläufig untersagt.

Norbert Tiemann

Im UKM wird über die strategische Ausrichtung gestritten.
Im UKM wird über die strategische Ausrichtung gestritten. Foto: Werner

Im Zentrum des Streites stehen der Ärztliche Direktor des UKM, Prof. Dr. Robert Nitsch, und der Dekan der Medizinischen Fakultät, Prof. Dr. Mathias Herrmann, auch Mitglied des UKM-Vorstandes. Sie teilten Anfang Dezember 2018 dem Direktor des Instituts für Klinische Radiologie, Prof. Dr. Walter Heindel, per E-Mail die Gründung eines neuen eigenständigen Institutes für Neuro­radiologie mit. Ein Leitender Oberarzt wurde ohne jede Ankündigung mit sofortiger Wirkung freigestellt. Heindel klagte, denn er vermutet dahinter die Absicht, das Institut in seiner Leistungsfähigkeit zu schwächen, eine Krise herbeizuführen und damit die Abspaltung eines ganzen Bereiches begründen zu können. Durch die Neugründung des Institutes werde ihm eine nicht unwesentliche Anzahl von Patienten zur Behandlung und Forschung auf dem Gebiet der Neuroradiologie, im Übrigen ein Schwerpunkt des Klinikdirektors, entzogen.

Gericht stoppt Gründung des Institutes

Das Verwaltungsgericht gab Heindel im vorläufigen Beschluss Recht: Die Gründung des Institutes wurde gestoppt. Auf 25 Seiten begründet das Gericht seine Entscheidung. Zum einen sei das Institut für Radiologie in dem Verfahren nicht angehört worden, zum anderen fehle es an einer konkreten Abgrenzung der Aufgabenbereiche beider Institute. Die Ausgründung eines neuen Institutes könne sowohl im Bereich der Krankenversorgung als auch im Bereich Forschung und Lehre dazu führen, dass das Institut für Radiologie diese Aufgaben „nicht mehr oder nur noch verändert“ werde wahrnehmen können. Das Gericht spricht von einer Verletzung der Wissenschaftsfreiheit.

Prof. Dr. Robert Nitsch

Prof. Dr. Robert Nitsch begründete auf Fragen unserer Zeitung die vom Vorstand betriebene Gründung des neuen Institutes damit, dass sich „bei der Versorgung von Schlaganfall-Patienten in jüngster Zeit sehr viel getan hat und sich neue Verfahren in den bisherigen Strukturen der Klinik für Radiologie nicht umsetzen lassen“. Nitsch: „Ich bin in allererster Linie dem Patientenwohl verpflichtet; das steht über den Einzelinteressen.“ Um die besten Mediziner nach Münster zu holen, „brauchen wir ein solches Institut“.

So argumentiert die Klägerseite 

Das sieht die Klägerseite anders, die darauf verweist, dass die Integration des Schwerpunktes Neuroradiologie in das große Institut patientenfreundlich und wissenschaftsdienlich sei. Die kathetergestützte Therapie des Schlaganfalls sei längst etabliert; bereits 2015 sei die UKM-Radiologie bundesweit auf einem Spitzenplatz bei der Beseitigung von Blutgerinnseln durch die sogenannte Korkenzieher-Methode gerankt worden.

Personelle Konsequenzen

Der Streit um den harten Sanierungskurs, aber auch um die strategischen Weichenstellungen des Ärztlichen Direktors zeitigen auch personelle Konsequenzen: Weil die Professoren im Fachbereichsrat der Medizinischen Fakultät die Interessen von Forschung und Lehre durch den Dekan, Prof. Dr. Mathias Herrmann, im Vorstand des UKM nicht genügend vertreten sehen, sprachen sie ihm bereits im Dezember das Misstrauen aus. Mit dem Rücktritt des Dekans wird noch im Laufe dieser Woche gerechnet.

Das UKM wieder verlassen hat der Kinder-Kardiologe Prof. Dr. Anselm Uebing, einst aus London für die Kinderherz-Medizin nach Münster geholt. Uebing wechselt nun nach Kiel. „Letztendlich wesentlich für diese Entscheidung ist die Tatsache, dass mir vertraglich gemachte Zusicherungen leider nicht eingehalten wurden“, so Uebing in seinem Abschiedsbrief an die Mitarbeiter. Versprochen waren ihm vier Kinder-Intensivbetten.

Das neue Zehn-Jahres-Programm

Der Aufsichtsrat des UKM beobachtet die Entwicklungen insgesamt nicht ohne Sorge. Auch deshalb, weil Prof. Nitsch seit Beginn seiner Amtszeit vor zwei Jahren immer wieder in die genehmigte und mit Fördergeldern bezuschusste Bauplanung seines Amtsvorgängers eingreift, es dadurch zu Verzögerungen und zum Nicht-Abruf der Gelder in Düsseldorf kommt.

Prof. Nitsch erklärte dazu auf Anfrage, er habe mit seiner Wahl 2016 den Auftrag erhalten, ein Gesamtkonzept für ein neues Klinikum zu entwickeln. „Wir haben, aufsetzend auf den Planungen meines Vorgängers, die Projekte überprüft und angepasst, auch in enger Abstimmung mit der Landesregierung.“ Das neue Zehn-Jahres-Programm bedeute eine Abkehr von Einzelmaßnahmen und eine Berücksichtigung neuer Erkenntnisse: „Wir brauchen mehr Operationssäle und müssen auf veränderte Arbeitsbedingungen, z. B. in der Pflege, reagieren,“ so Prof. Nitsch.

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