„Finanzielle Risiken“: Kritik an Übernahmeprozess des...

Das Ingelheimer Krankenhaus übernehmen. Archivfoto: Thomas Schmidt
© Archivfoto: Thomas Schmidt

Ingelheimer Krankenhaus-Übernahme unter der Lupe: Das Urteil des Landesrechnungshofs Rheinland-Pfalz fällt vernichtend aus. Kritisiert werden mangelnde Konzepte und zu hohe...

Anzeige

INGELHEIM. „Mangelnde Konzepte, hohe finanzielle Risiken“ – das Urteil des Landesrechnungshofs zur Übernahme des Agaplesion Diakoniekrankenhauses Ingelheim durch die Universitätsmedizin Mainz (Unimed) ist vernichtend. Nun liegt die Einschätzung aus Speyer öffentlich vor, im Internet kann jeder nachlesen, was im Jahresbericht 2019 unter der Ziffer „Nr. 21“ kritisiert, bemängelt und nachgerechnet wurde.

Ganz davon abgesehen, dass laut Rechnungshof der Bedarf für ein Krankenhaus in Ingelheim nicht nachgewiesen wurde, habe es auch keine belastbare Prognose für die wirtschaftliche Entwicklung gegeben. Bereits im ersten Jahr habe die Unimed mindestens 3,4 Millionen Euro investiert, um die kleine Klinik zum Laufen zu bringen. „Es besteht die Gefahr, dass das Krankenhaus dauerhaft Verluste erwirtschaftet“, heißt es im Bericht des Landesrechnungshofs. Mit harten Zahlen wird diese Einschätzung untermauert, denn schon Agaplesion hatte mit einem bedrohlichen Defizit zu kämpfen, das stetig wuchs.

Bettenauslastung zurückgegangen

Anzeige

So sei die Bettenauslastung von 52,2 Prozent im Jahr 2015 auf 48,1 Prozent im Jahr 2016 zurückgegangen. Die Fehlbeträge der Jahre 2011 bis 2015 hätten sich auf 7,2 Millionen Euro summiert. Zitat: „Die Agaplesion gAG prognostizierte für das Wirtschaftsjahr 2016 einen Jahresfehlbetrag von mindestens 2 Millionen Euro.“

Dennoch war die Unimed bereits 2015 überzeugt, dass die Übernahme und die Gründung der Krankenhaus Ingelheim der Universitätsmedizin gGmbH (KIUM) eine Chance bedeute, durch eine konsequente Patientensteuerung in der Unimedizin Kapazitäten, also mehr Betten für schwerkranke Patienten, die eine Maximalversorgung brauchen, freizuschlagen. Dafür wurden drei betriebswirtschaftliche Gutachten erstellt und juristische Beratung eingekauft, für die laut Rechnungshof über 1 Million Euro ausgegeben wurden.

Doch damit nicht genug, auch ein sogenannter Krankenhausbetriebsführungsvertrag wurde geschlossen, der ein Grundhonorar sowie einer Nebenkostenpauschale von insgesamt 538.000 Euro netto im Jahr vorsah. „Unwirtschaftlich“ attestiert der Rechnungshof, denn nach einer Studie bewegten sich die Bezüge der Geschäftsführer eines kleinen Krankenhauses wie in Ingelheim pro Jahr zwischen 157.000 und 259.000 Euro. Dass die Geschäftsführung zu teuer war, wurde längst hinter vorgehaltener Hand kritisiert. Die Oberender AG habe zudem nicht zur Zufriedenheit der Gesellschafter gearbeitet, hatte bereits der damalige Aufsichtsratsvorsitzende der Unimed, Professor Dr. Salvatore Barbaro, im Januar gegenüber dieser Zeitung eingeräumt. Doch da war das Kind schon in den Brunnen gefallen. Zitat Rechnungshof: „Sämtliche Leistungen wurden freihändig ohne Einholung von Vergleichsangeboten und damit ohne jeglichen Wettbewerb vergeben.“ Das Vergaberecht wurde also ignoriert.

Unimed-Stellungnahme: zeit drängte

Anzeige

In einer Stellungnahme erklärte die Unimed, die Zeit habe gedrängt, weshalb sich der Vorstand gegen ein geordnetes Verfahren entschieden habe. Schließlich sei es das Ziel gewesen, das Ingelheimer Krankenhaus bis Mitte Mai 2016 zu übernehmen. Ein Argument, das der Rechnungshof nicht gelten lässt. Schließlich habe es 20 Monate bis der Trägerwechsel gedauert. Dies lasse keine „besondere Eilbedürftigkeit erkennen“.

Ein Rätsel ist dem Rechnungshof auch der Wirtschaftsplan, der von der Geschäftsführung im März 2018 vorgelegt wurde. Allerdings fehlten nicht nur der Vermögens- und Investitionsplan, sondern auch der fünfjährige Finanzplan. Die Leistungsplanung ging davon aus, dass 2020 die Gewinnschwelle erreicht und ein Jahresüberschuss von 511.000 Euro erwirtschaftet werde. Zitat: „Für den Rechnungshof war nicht nachvollziehbar, auf welcher Grundlage die Leistungsprognose erstellt worden war.“ Auch die Unternehmensberatung Roland Berger, vom Rechnungshof Beratungsunternehmen C genannt, geht bis 2023 von Verlusten in Millionenhöhe aus.