Inhalt

LSG München, Urteil v. 15.02.2019 – L 4 KR 739/17
Titel:

Sachverständigengutachten, Erstattungsansprüche, Gerichtlicher Sachverständiger, Krankenhausbehandlung

Normenketten:
KHEntgG § 11
KHEntgG § 7
KHEntgG § 9
§ 17 b KHG
OPS. 2014
SGB V § 109 Abs. 4 S. 3
Leitsätze:
1. Bei dem Setzen von sog. Bestrahlungsmarkerseeds (Goldmarker) handelt es sich um eine Operation.
2. Bei der im OPS 2016 vorgenommenen Änderung im OPS 5-509.0 handelt es sich um eine Neuregelung, die nur die Leber betrifft.
3. Die Abrechnung richtet sich auch bei der Nebenniere nach dem 5. Kapitel der OPS 2014 (OPS 5-073.x.).
4. Bei der Plazierung von Markerseeds an inneren Organen des menschlichen Körpers fehlt es an jeglicher Vergleichbarkeit mit den in dem OPS 8-527 gemeinten und konkret aufgezählten Fixations- und Behandlungshilfen.
Schlagwort:
OPS 2014
Vorinstanz:
SG München, Urteil vom 22.11.2017 – S 39 KR 742/16
Fundstelle:
BeckRS 2019, 3473

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 22. November 2017 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
IV. Der Streitwert wird auf 3.861,83 EUR festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Klägerin und Berufungsbeklagte begehrt die Zahlung einer Vergütung aus einer stationären Behandlung in Höhe von 3.861,83 EUR und wendet sich hierbei gegen die Aufrechnung in dieser Höhe durch die Beklagte und Berufungsklägerin vom 31.08.2015. Die Forderung ist entstanden aus der Abrechnung der Krankenhausbehandlung der Versicherten D. im Krankenhaus der Klägerin und Berufungsbeklagten im Zeitraum vom 26.06. bis 27.06.2014. Die Versicherte wurde in dieser Zeit auf Grund einer „sekundär bösartigen Neubildung der Nebennieren“ in dem nach § 108 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zugelassenen Krankenhaus behandelt. Es erfolgte eine Implantation eines Bestrahlungsmarkerseeds. Dabei wurden CTgesteuert mittels perkutaner Punktion insgesamt zwei Goldmarker platziert. Die Klägerin stellte der Beklagten hierfür am 01.09.2014 den Betrag in Höhe von 4.778,79 Euro unter Zugrundelegung der DRG K03B (Eingriffe an der Nebenniere bei bösartiger Neubildung oder Eingriff an der Hypophyse, Alter > 17 Jahre) in Rechnung. Diesen Rechnungsbetrag beglich die Beklagte zunächst vollständig.
2
Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenkassen in Bayern (MDK) mit der Begutachtung der Kodierung insbesondere der Prozedur 5-073.xx. Der MDK vertrat in der Stellungnahme vom 27.02.2015 die Ansicht, dass der Prozedurencode OPS 5-073.xx (Sonstige andere Operationen an der Nebenniere) nicht hätte kodiert werden dürfen. Es sei mit OPS 8-527.x (Sonstige Konstruktion und Anpassung von Fixations- und Behandlungshilfen bei Strahlentherapie) zu kodieren. Es habe eine Seed-Implantation in die Nebenniere zur geplanten Bestrahlungstherapie stattgefunden. Dies sei nach Auffassung der MDK-Gemeinschaft ein Fall des OPS 8-527.
3
Die Klägerin vertrat die Ansicht, dass die Frage der Kodierung eines Bestrahlungsmarkerseeds bereits in einem Verfahren vor dem Sozialgericht München (Az.: S 2 KR 742/11) streitig gewesen sei; der dortige Sachverständige sei zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Kodierung mit einem operativen OPS zu erfolgen habe, da die Implantation einen invasiven Eingriff darstelle. Auch liege zum Antragsverfahren für einen OPS-Kode für diesen Eingriff eine Stellungnahme des DIMDI vom März 2015 vor. Danach sei ein OPS-Kode aus dem Kapitel 5 angeregt worden.
4
Die Beklagte verrechnete am 31.08.2015 3.861,83 Euro von dem bereits gezahlten Betrag mit anderen zwischen den Beteiligten unstreitigen Forderungen.
5
Die Klägerin hat am 20.05.2016 Klage zum Sozialgericht München erhoben. Die von der Beklagten vorgenommene Aufrechnung sei unwirksam. Auch sei die vorgenommene Kodierung korrekt, so dass überhaupt kein Erstattungsanspruch der Beklagten bestehe. Sie hat nochmals auf das Sachverständigengutachten im Verfahren S 2 KR 742/11 verwiesen. Die Klägerin hatte zudem die Beklagte mit Schreiben vom 18.02.2016 noch direkt darauf hingewiesen, dass in der OPS-Version 2016 bezüglich der Bestrahlungsmarkerseed-Implantation Kodes aus dem Kapitel 5 eingeführt worden seien.
6
Nach Ansicht der Beklagten sei die Aufrechnung wirksam. Die Auffassung des MDK sei zutreffend. Es sei in Lokalanästhesie die Seed-Implantation „an der Leber links“ erfolgt. Hier würden sog. strahlende Seeds in den Tumor eingepflanzt, um diesen von innen zu zerstören. Es handle sich daher um eine Behandlungshilfe bei der Strahlentherapie. Nach dem Grundsatz „Kodiere so spezifisch wie möglich“ sei daher mit dem OPS 8-527 zu kodieren.
7
Der MDK hat in einer erneuten Stellungnahme vom 23.03.2017 seine Auffassung bestätigt; es sei zutreffend mit dem OPS 8-527.x zu kodieren. Es handle sich medizinisch nicht um eine Operation an der Nebenniere. Es habe eine perkutane Punktion stattgefunden. Diese diene der Vorbereitung der Behandlung mit dem Cyberknife-System. Es seien zwei Marker im Bereich der Nebenniere implantiert worden. Aus der Tatsache, dass die Implantation in der Leber im OPS 2016 mit dem Kode 5-509.0 kodierbar sei, könne für das Organ der Nebenniere im Jahr 2014 nichts abgeleitet werden. Die Klägerin selbst habe im Jahr 2015 einen Änderungsvorschlag der strittigen OPS eingereicht und die Kosten als vergleichbar mit einer CTgesteuerten Biopsie, OPS 1-43.02, angegeben. Auch hieraus sei ersichtlich, dass selbst für die Klinik die abgerechneten Kosten in keiner Relation zum Aufwand stünden.
8
Das Sozialgericht hat den Chirurgen und Sozialmediziner Dr. B. L. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser hat dargelegt, dass nach dem Interventionsbericht CTgesteuert zwei Goldmarker - im Bereich des oberen Anteils der linken Nebenniere und medial am Rand der linken Nebenniere - platziert worden seien. Zur weiteren Lokalbestrahlung sei eine Cyberknife-Behandlung vorgesehen gewesen. Er hat in seinem Gutachten vom 03.07.2017 geäußert, dass dem Klageantrag auf Grund der analogen Herleitung aus dem Beispiel 5-509.x gefolgt werden sollte. Das DIMDI habe es bis heute nicht geschafft, eine klare und plausible Trennung von operativen (Kapitel 5) und nicht-operativen (Kapitel 8) Maßnahmen herzustellen. Der vorliegende Fall könnte mit OPS 8-527.x kodiert werden und der Bestrahlungsplanung zugerechnet werden. Dies würde jedoch eine Planung auf Basis vorheriger CT-Aufnahmen erfordern. Bezüglich der Leber könne im OPS 2016 nun der operative Kode 5-509 kodiert werden. Zuvor sei auch hier mit dem Kode 5-073.xx kodiert worden. Nach dem gesunden Menschenverstand liege eine Operation dann vor, wenn durch die Haut des Körpers von außen eingedrungen werde. Keine Operation liege beim Eindringen durch vorhandene Körperöffnungen vor. Diese klare Differenzierung finde sich jedoch im OPS-Katalog nicht wieder. Es würden insgesamt mehr Gesichtspunkte für die Anwendung eines OPS-Kodes aus dem Kapitel 5 sprechen: Es sei für die Leber bezüglich desselben Eingriffs ein OPS aus dem 5. Kapitel geschaffen worden. Es gebe im 5. Kapitel auch therapeutisch indizierte Eingriffe, aus der perkutanen Art der Durchführung könne nichts abgeleitet werden. Grundsätzlich sei der Aufwand für die Markerplatzierung im Körper vergleichbar. Es gebe kein medizinisch plausibles Argument, weshalb die Markerplatzierung an der Nebenniere allein der Bestrahlungsplanung dienen solle.
9
Die Beklagte hat sich gegen das Gutachten gewandt. Der Sachverständige habe eine nicht zulässige systematische Auslegung vorgenommen. Maßgeblich sei allein der Wortlaut der OPS. Es sei nicht zutreffend, dass es darauf ankomme, welchem Zweck der Eingriff gedient habe. Soweit dies jedoch zutreffend wäre, habe der Zweck in der Vorbereitung der Strahlentherapie bestanden. Der Kode 8-527 beschreibe den Eingriff daher am spezifischsten. Eine Operation stelle einen chirurgischen Eingriff dar. Hier sei jedoch kein solcher, sondern es sei eine Punktion erfolgt. Dies sei nur ein Einstich.
10
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 22.11.2017 die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 3.861,83 EUR nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31.08.2015 zu bezahlen. Der von der Beklagten geltend gemachte Erstattungsanspruch bestehe nicht. Vorliegend sei die DRG-Fallpauschale DRG K03B unter Zugrundelegung des OPS 5-073.xx abzurechnen. Unstreitig sei dabei die Kodierung der Hauptdiagnose. Grundsätzlich seien die Vergütungsregelungen streng nach ihrem Wortlaut und den dazu vereinbarten Anwendungsregeln zu handhaben. Vorliegend gebe jedoch der Wortlaut keinen Hinweis darauf, welche Kodierung zutreffend sei. Hinsichtlich der Kodierung hat sich das Sozialgericht auf das Gutachten des Dr. L. gestützt. Die hier durchgeführte Seed-Implantation sei weder im Wortlaut des OPS 5-073.xx noch im Wortlaut des OPS 8-527.x ausdrücklich enthalten. Auch existiere keine auf alle Fälle übertragbare Definition der operativen Eingriffe, welche in Kapitel 5 kodiert werden, und der therapeutischen Maßnahmen, welche in Kapitel 8 kodiert werden.
11
Soweit die Beklagte darauf verweise, dass kein OPS aus dem operativen Kapitel kodiert werden dürfe, weil kein chirurgischer Eingriff erfolgt sei, sei dies nicht zielführend. Der OPS 5-073.xx setze gerade keinen chirurgischen Eingriff voraus. Der Hinweis zu den Kodes 5-07 laute: " Der Zugang ist für die Kodes 5-071 bis 5-073 nach folgender Liste zu kodieren:
0↔ Offen chirurgisch lumbal
1↔ Offen chirurgisch abdominal
2↔ Thorakoabdominal
3↔ Laparoskopisch
x↔ Sonstige.“
12
Die Klägerin habe den Zugang nicht mit 0 oder 1, sondern mit x (= Sonstige) angegeben. Sie gehe daher auch selbst davon aus, dass kein chirurgischer Eingriff erfolgt sei. Wie sich insbesondere aus der Möglichkeit des laparoskopischen Zugangs ergebe, sei jedoch für die Kodierung des OPS-Kodes aus dem Kapitel 5-07 auch ein minimal-invasiver Zugang möglich und ausreichend.
13
Des Weiteren sei zutreffend, dass so spezifisch wie möglich zu kodieren sei. Allerdings könne aus diesem Argument weder gefolgert werden, dass der Kode 5-073, noch, dass der Kode 8-527 zutreffend sei, da sich die vorgenommene Seed-Implantation in keinem der Kodes wörtlich wiederfinde.
14
Der gerichtliche Sachverständige habe in schlüssiger und nachvollziehbarer Weise erläutert, dass der OPS-Katalog diesbezüglich widersprüchlich sei und aus der Kodierung in anderen Bereichen der Kapitel 5 und 8 kein Schluss gezogen werden könne, welchem Kapitel die Seed-Implantation zugeordnet werden könne. Allerdings habe der Sachverständige, wie auch zuvor die Klägerin, darauf hingewiesen, dass in der OPS-Version ab dem Jahr 2016 der Kode 5-509.0 (Implantation von Bestrahlungsmarkern, perkutan) für die Leber Eingang gefunden habe. Die Beklagte verweise darauf, dass aus der Einführung für die Leber kein Schluss auf Aufwand und Kodierung bei der Nebenniere gezogen werden könne. Medizinisch werde dieses Argument jedoch nicht begründet. Der gerichtliche Sachverständige verweise überzeugend darauf, dass der Aufwand für die Seed-Marker-Implantation in den verschiedenen Organen vergleichbar sei. Wenn also die Seed-Implantation an der Leber im Kapitel 5 zu kodieren sei, sei für die Kammer nicht ersichtlich, weshalb dies bei der Nebenniere anders sein sollte.
15
Zwar komme den Änderungen des OPS-Katalogs (hier des OPS 2016) keine Rückwirkung für 2014 zu. Allerdings sei hier zu beachten, dass die streitige Prozedur auf der Einführung eines neuen Verfahrens (Cyberknife) basiere. Es sei daher nicht so, dass die Kodierung einer Prozedur sich im Lauf der Jahre geändert habe, vielmehr habe eine von Anfang an streitige Kodierung einer Prozedur im Jahr 2016 Eingang in den OPS-Katalog gefunden. Es sei daher vorliegend nach Auffassung der Kammer im Jahr 2016 eine Klarstellung im Sinne einer Manifestation dessen erfolgt, was bereits seit Einführung dieser Prozedur gegolten habe. Hierauf deute im Übrigen auch die bereits im März 2015 erfolgte Stellungnahme des DIMDI hin. Bereits zu diesem Zeitpunkt - also vor Einführung des OPS 5-509.0 - sei das DIMDI der Auffassung gewesen, dass die Kodierung der Seed-Implantation aus Kapitel 5 zu erfolgen habe.
16
Gegen das am 27.11.2017 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 18.12.2017 durch ihren Prozessbevollmächtigten Berufung einlegen lassen. Zur Begründung hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 18.09.2018 ausgeführt, dass allein maßgebend das OPS-Verzeichnis 2014 sei. Abzustellen sei auf den Wortlaut; aus diesem ergebe sich bzgl. der Überschrift des Kapitels 5-07, dass eine Operation vorliegen müsse. Dies sei hier aber gerade nicht der Fall. Eine Seed-Implantation stelle ein hochmodernes Verfahren dar, bei dem winzige Strahlenquellen (kleine radioaktive Teilchen, sog. Seeds), direkt in den Tumor eingebracht würden. Dies habe überhaupt nichts mit einer Operation einer endokrinen Drüse zu tun. Schon nach dem Wortlaut liege also kein Eingriff im Sinne des streitgegenständlichen OPS 5-073 vor. Auch eine analoge Anwendung scheide wegen des Grundsatzes der wortlautgetreuen Auslegung aus.
17
Richtigerweise hätte der Eingriff mit dem OPS 8-527.x abgebildet werden müssen. Es habe eine perkutane Punktion stattgefunden, die der Vorbereitung der Behandlung mit dem Cyberknife-System gedient habe. Es seien zwei Marker im Bereich der Nebenniere implantiert worden. Allein aus der Tatsache, dass die Implantation in der Leber im OPS 2016 mit dem Kode 5-509.0 kodierbar sei, könne aber für das Organ der Nebenniere im Jahre 2014 nichts abgeleitet werden.
18
Rechtsfehlerhaft sei ferner, dass das Sozialgericht seine Entscheidung allein auf die Ausführungen des Sachverständigen gestützt habe. Dessen Aufgabe sei allein die Beantwortung medizinischer Fragen, nicht eine systematische Auslegung des OPS-Verzeichnisses aus den Jahren 2014 bis 2016.
19
Die Klägerin hat sich auf die Urteilsgründe des Sozialgerichts berufen. Das Sachverständigengutachten werde lediglich zur Unterstützung der rechtlichen Argumentation herangezogen. Die Implantation von Bestrahlungs-Marker-Seeds sei als Operation zu verstehen, so dass die Zuordnung zur OPS-5er-Kategorie medizinisch wie kodierrechtlich zwingend sei. Gerade die Klägerin habe beim DIMDI im Rahmen des dortigen Vorschlagsverfahrens die Klassifizierung der Bestrahlung-Marker-Seeds mit einem 5er-OPS angestrengt, da sie als Maximalversorger diesbezüglich ein herausragendes Maß an Expertise vorhalte. Auch unter Berücksichtigung der Stellungnahme des DIMDI bestehe daher keinerlei Zweifel an der zwingenden Ansetzungsfähigkeit des OPS-Codes 5-073 für die vorliegende Implantation des Bestrahlung-Marker-Seeds.
20
Die Beklagte hat auf gerichtliche Anfrage mitgeteilt, dass sie zur Cyberknife- und Gammaknifebehandlung bisher IGV-Verträge mit dem Cyberknife-Zentrum A-Stadt, dem Strahlenzentrum B-Stadt und dem Gammaknife-Zentrum C-Stadt abgeschlossen habe. Es sei beabsichtigt, dieses Angebot mit weiteren Zentren bundesweit auszudehnen.
21
In der mündlichen Verhandlung vom 15.02.2019 hat der Vorsitzende u.a. aus dem Änderungsvorschlag für den OPS 2016 der Klägerin zitiert. Auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung wird verwiesen.
22
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 22. November 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
23
Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
24
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Patientenakte sowie die Klage- und Berufungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

25
Die form- und fristgerecht (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG) eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig, jedoch unbegründet.
26
Die Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG ist begründet. Die Beklagte kann gegen den von der Klägerin geltend gemachten Zahlungsanspruch nicht mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch aufrechnen (§ 387 BGB analog). Gemäß § 153 Abs. 2 SGG wird auf die Entscheidungsgründe des Sozialgerichts verwiesen. Ergänzend ist Folgendes auszuführen:
27
Der Erstattungsanspruch setzt u.a. voraus, dass der Berechtigte im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne Rechtsgrund erbracht hat.
28
Die Vergütung für Krankenhausbehandlungen des Versicherten bemisst sich nach vertraglichen Fallpauschalen auf gesetzlicher Grundlage. Die Fallpauschalenvergütung für Krankenhausbehandlung Versicherter in zugelassenen Einrichtungen ergibt sich aus § 109 Abs. 4 S. 3 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB V) i.V.m. § 7 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und § 17 b Krankenfinanzierungshausgesetz (KHG). Der Anspruch wird auf Bundesebene durch Normsetzungsverträge (Fallpauschalenvereinbarungen) konkretisiert. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam vereinbaren nach § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KHEntgG mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als Vertragsparteien auf Bundesebene mit Wirkung für die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG einen Fallpauschalenkatalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge. Ferner vereinbaren sie insoweit Abrechnungsbestimmungen in den Fallpauschalenvereinbarungen auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 KHEntgG.
29
Welche DRG-Position abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich aus der Eingabe und Verarbeitung von Daten in einem automatischen Datenverarbeitungssystem, das auf einem zertifizierten Programm basiert. Die Anwendung der zwischen den Vertragspartnern auf Bundesebene beschlossenen Deutschen Kodierrichtlinien (DKR - hier Version 2014) und der Fallpauschalenabrechnungsbestimmungen einschließlich der OPS erfolgt eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht. Nur dann kann eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, ihren Zweck erfüllen. Da das DRGbasierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiter zu entwickelndes und damit lernendes System angelegt ist, sind bei zu Tage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (st. Rspr. des BSG, vgl. Urteil vom 17.11.2015, B 1 KR 41/14 R). Nach Darlegung des BSG handelt es sich bei der konkreten Auslegung der DKR und Abrechnungsbestimmungen um eine rechtliche Prüfung (BSG, B 1 KR 97/15 B - juris Rn. 8).
30
Unstreitig liegt bei der Patientin und Versicherten die Hauptdiagnose C79.7 „sekundäre bösartige Neubildung der Nebenniere“ vor. Zur Klärung des medizinischen Sachverhalts im Übrigen kann vom Gericht jedoch ein Sachverständigengutachten eingeholt werden. Aus dem vom Sozialgericht eingeholten Gutachten des Dr. L. ergibt sich zum einen, dass vorliegend zwei Gold-Marker gesetzt wurden. Die Implantation am 26.06.2014 im Bereich der linken Nebenniere bei Nebennierenmetastase ist komplikationslos und erfolgreich verlaufen. Als weitere Behandlung war dann die Bestrahlung mit der Cyberknife-Methode vorgesehen. Die Beklagte hat im Übrigen im Berufungsverfahren mitgeteilt, dass sie im Rahmen von IGV-Verträgen Cyberknifebehandlungen als Sachleistung übernimmt.
31
Soweit die Beklagte auch noch im Berufungsverfahren teilweise mit dem Setzen von „strahlenden Seeds“ argumentiert, stellt dies eine andere Therapie dar, die vorliegend nicht angewandt wurde.
32
Zum anderen stellte der Sachverständige heraus, dass grundsätzlich der Aufwand für die Markerplatzierung im Körper des Menschen vergleichbar ist, so dass sich kein medizinisch plausibles Argument herleiten lässt, warum die Markerplatzierung an der Nebenniere anders als bei der Leber alleine als Bestrahlungsplanung und somit als nicht-operativ zu werten wäre.
33
Die Einordnung der Kodierung nach dem OPS - hier in der Version 2014 - ist, wie dargelegt, dann eine Rechtsfrage und somit Aufgabe des Gerichts. Hierbei berücksichtigt der Senat die dargelegten medizinischen Ausführungen des Sachverständigen.
34
Grundsätzlich ist bei der Kodierung nach dem Wortlaut der OPS 2014 vorzugehen. Dabei ist vorliegend zwischen den Beteiligten streitig, ob der OPS 5-073x (Sonstige andere Operationen an der Nebenniere) oder, wie die Berufungsklägerin meint, der OPS 8-527x (Sonstige Konstruktion und Anpassung von Fixations- und Behandlungshilfen bei Strahlentherapie) einschlägig ist.
35
Gemäß dem Wortlaut des OPS 5-073x müsste es sich bei dem Setzen der Bestrahlungs-Marker um eine „Operation“ handeln. Operation ist definiert als ein zu diagnostischen bzw. therapeutischen Zwecken durchgeführter chirurgischer Eingriff in den lebenden menschlichen Organismus und damit in die körperliche Integrität des Betroffenen (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch). Die allgemeine Definition nach dem Duden beschränkt sich auf einen „chirurgischen Eingriff in den Organismus“. Vorliegend wurden zwei Marker im Bereich der Nebenniere gesetzt. Dies erfolgte durch eine perkutane Punktion und Implantation mittels einer Hohlnadel. Der Senat hat keine Zweifel, dass dies einen Eingriff in den menschlichen Körper darstellt und somit unter den Begriff einer Operation zu subsumieren ist. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Eingriff CTgesteuert erfolgte.
36
Sieht man auch den Zweck des Eingriffs als Bestandteil der Definition an, so erfolgte dieser Eingriff zur Vorbereitung der Behandlung mit dem Cyberknife-System, also mittelbar zum Zwecke der „Therapie oder Diagnostik“. Bei dem Einsatz des Cyberknife-Systems selbst handelt es sich um eine Behandlung aus dem Bereich der Radiochirurgie mittels robotergestütztem Linearbeschleuniger. Allerdings steht hier die zielgenaue Bestrahlung im Vordergrund; so ist beispielsweise die Gamma-knife-Bestrahlung im OPS unter „Strahlentherapie“ im OPS 8-52 (8-523.2) und nicht im 5. Kapitel erfasst.
37
Zum Behandlungsablauf gehört als Vorbereitung, dass bei Tumoren im Körperbereich eine Markierung der Tumore vorgenommen wird. Dabei ist die Vorbereitung des Setzens der Marker gesondert von der Cyberknifebehandlung anzusehen und nicht als Teil der Gesamtbehandlung. Diese Vorbereitung erfolgt faktisch meist zeitlich und örtlich getrennt von der eigentlichen Behandlung. Bundesweit gibt bzw. gab es 2014 nicht viele Einrichtungen, bei denen diese Methode zur Anwendung kommt - in A-Stadt z.B. seit 2005 das Cyberknife Zentrum A-Stadt, das nach eigenen Angaben hinsichtlich der Vorbereitung bzgl. der Markierung der Tumore mit dem Institut für Klinische Radiologie am Klinikum der Universität A-Stadt (Klinikum A. - also der Klägerin) kooperiert. Auch liegt ein gewisser Zeitraum zwischen der Vorbereitung und dem Behandlungsbeginn. Schließlich stellt das Setzen der Marker wie dargelegt einen chirurgischen Eingriff in den Körper dar, während die Cyberknifebehandlung eine Bestrahlungsmethode bzw. Strahlentherapie ist. Dies äußert sich auch z.B. in der Art der Behandlung: Die Vorbereitung erfolgte hier stationär (1 Tag), die Cyberknife-Behandlung selbst kann regelmäßig ambulant durchgeführt werden.
38
Der OPS 2016 enthält eine neu aufgenommene Regelung in 5-509, also im Kapitel „Andere Operationen an der Leber“ - dies findet sich im Übrigen auch noch im OPS 2019. Dort erfasst der OPS 5-509.0 die Implantation von Bestrahlungsmarkern, perkutan. Dies spricht zunächst eindeutig dafür, dass auch das DIMDI die Implantation von Bestrahlungsmarkern perkutan als „Operation“ - wenn auch an der Leber - ansieht.
39
Unabhängig von der Frage, ob der OPS 2016 insoweit nur eine Klarstellung oder eine Neuregelung enthält, können hieraus jedenfalls Rückschlüsse auf die Frage gezogen werden, ob überhaupt eine Operation vorliegt. Dies ist vor dem Hintergrund der Vergleichbarkeit einer Implantation von Bestrahlungs-Marker-Seeds bei Leber und Nebenniere gemäß dem Sachverständigengutachten des Dr. L. zu bejahen.
40
Insgesamt gelangt der Senat somit zu dem Ergebnis, dass es sich bei dem Setzen der Goldmarker um eine Operation im Sinne der üblichen Definitionen handelt.
41
Die Abrechnung nach dem 5. Kapitel der OPS im Jahr 2014 ergibt sich aber nicht unmittelbar aufgrund der OPS-Version 2016. Nach Ansicht des Senats liegt in der Aufnahme der Implantation von Bestrahlungsmarkern, perkutan, im OPS 5-509.0 eine Neuregelung einer bisher nicht geregelten Abrechnungsfrage vor und keine bloße Klarstellung. Die Hinweise des DIMDI zu den erfolgten Änderungen im OPS Version 2016 sprechen hier von der „Einführung eines neuen Kodes…“. D.h., dass dieser Regelung keine Rückwirkung zukommt. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass die OPS-Stelle nur andere Operationen an der Leber betrifft und nicht die Nebenniere. Hierzu sieht auch der OPS 2016 keine Regelung vor.
42
Hintergrund für die Neuregelung im OPS 2016 war offensichtlich, wie sich auch aus dem Änderungsantrag der Klägerin zum OPS 2016 ergibt, dass eine sachgerechte Abbildung der Fälle im DRG-System gewollt war. Die Klägerin führte nämlich aus, dass eine Kodierung mit einem Operations-OPS für eine CTgesteuerte Implantation eines Markerseeds nicht ganz sachgerecht erscheine. Dadurch, dass man eine Bestrahlungsseed-Implantation aktuell nur mit einem OPS für sonstige Operationen kodieren könne, würden diese Eingriffe in der Grouperlogik wie Operationen behandelt.
43
Zu einer vergleichsweisen Erledigung war die Beklagte jedoch im vorliegenden Fall, der die Nebenniere betrifft, nicht bereit.
44
Vor diesem Hintergrund hat die Klägerin zutreffend gemäß OPS 5-073.xx abgerechnet.
45
Auch der OPS 2014 kannte bereits unter 5-509 „Andere Operationen an der Leber“. Allerdings sah der OPS 2014 weder für die Niere noch für die Leber eine gesonderte Regelung in den OPS für die vorgenommene Maßnahme der Implantation von Bestrahlungs-Marker-Seeds vor.
46
Dennoch hielt es das DIMDI für erforderlich, im OPS 2016 eine gesonderte Nummer 5-509.0 für die Implantation von Bestrahlungsmarkern bei der Leber aufzunehmen. Dem lag u.a. der o.g. Änderungsvorschlag der Klägerin für den OPS 2016 zugrunde, der die Implantation eines Bestrahlungsmarkerseeds nicht nur an der Leber, sondern auch an der Lunge, Milz, Niere, Nebenniere, Prostata und am Pankreas vorsah. Eingang gefunden hat im OPS dann jedoch nur das Bestrahlungsmarkerseed an der Leber.
47
Das DIMDI hat zu der Änderung ausgeführt:
„Die Implantation eines Bestrahlungsmarkerseeds sollte mit einem Kode aus dem Kap. 5 für die jeweilige Lokalisation verschlüsselt werden.“ (zitiert aus einer Stellungnahme des DIMDI aus dem Jahre 2015, Bl. 12 der SG-Akte)
48
Wie dargelegt, ist die Situation jedoch vergleichbar mit der bei der Nebenniere, wie durch das Sachverständigengutachten bestätigt. Der Sachverständige Dr. L. hat für den Senat überzeugend ausgeführt, dass sich kein medizinisch plausibles Argument herleiten lässt, warum die Markerplatzierung an der Nebenniere anders als bei der Leber zu werten wäre. Dabei geht der Gutachter im Ergebnis weitergehend davon aus, dass nicht erklärbar sei, die Implantation alleine als Bestrahlungsplanung und somit als nicht-operativ zu werten.
49
Im Übrigen erscheint dem Senat im Ergebnis die Anwendung des OPS 8-527.x, wie von der Beklagten vorgenommen, zweifelsfrei verfehlt. Der OPS 8-527 betrifft die Konstruktion und Anpassung von Fixations- und Behandlungshilfen bei Strahlentherapie. Die der Ziff. x vorangehenden konkreten Fixations- und Behandlungshilfen betreffen „Fixationsvorrichtung“, „Thermoplastische Masken“ (8-527.1), „Vakuumkissen“ (8-527.2), „Behandlungshilfen“ einschließlich „Zahnschienen“, „Abschirmungen“, „Bolusmaterial“ (8-527.6), das „Anbringen eines Stereotaxieringes“ (8-527.7) oder „Individuelle Blöcke oder Viellamellenkollimator“ (8-527.8). Es handelt sich um Hilfen, um eine absolute Präzision von Strahlentherapie zu gewährleisten. Bei der hier vorgenommenen Plazierung von Markerseeds an inneren Organen des menschlichen Körpers fehlt es an jeglicher Vergleichbarkeit mit den in dem OPS 8-527 gemeinten und konkret aufgezählten Fixations- und Behandlungshilfen - insbesondere im Hinblick auf einen Eingriff in die körperliche Integrität des Betroffenen.
50
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
51
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
52
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
53
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197 a Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG). Der Streitwert ist bezifferbar im Sinne des § 52 Abs. 3 S. 1 GKG und mit 3.861,83 EUR festzusetzen.