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Brandenburg an der Havel

Klinikum entlastet seine Mitarbeiter mit einzigartigem Tarifvertrag

Verhandlungspartner bei der Vertragsunterzeichnung: Klinikums-Chefin Gabriele Wolter, Verdi-Sekretärin Heike Spies und Betriebsrat Andreas Kutsche (von links).

Verhandlungspartner bei der Vertragsunterzeichnung: Klinikums-Chefin Gabriele Wolter, Verdi-Sekretärin Heike Spies und Betriebsrat Andreas Kutsche (von links).

Brandenburg/H. Eine spektakuläre Einigung hat es beim Klinikum in Brandenburg an der Havel nach einem mehr als ein Jahr währenden Ringen der Tarifparteien gegeben.

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„Mit diesem Tarifvertrag wollen wir deutschlandweit Maßstäbe für eine faire, aufgabengerechte und auch nachprüfbare Personalausstattung im Pflege- und Funktionsdienst setzen“, erklären nun Gewerkschaftssekretärin Heike Spies und Klinikumsgeschäftsführerin Gabriele Wolter gemeinsam.

Bei diesem Tarifvertrag geht es nicht um die Entgelte für die Beschäftigten, sondern um die Arbeitsbedingungen. Patientenzahlen und Arbeitsdichte nehmen ständig zu, die durchschnittliche Verweildauer der Kranken liegt bei fünf Tagen. Mehr als 26.000 Patienten teilen sich übers Jahr die 490 Betten. Hinzu kommen zahlreiche ambulante Patienten.

Krankenhaus muss 80 Pflegekräfte neu rekrutieren

Entlastung beziehungsweise Schutz vor Überlastung für die Mitarbeiter funktioniert nur über mehr Stellen. Deshalb soll in den kommenden knapp zwei Jahren die Zahl der examinierten Pflegekräfte am Klinikum um 80 auf dann 321 Vollzeitstellen wachsen. Das ist ambitioniert und mit einer Personaloffensive verbunden.

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Beispielsweise wurde vereinbart, dass künftig jede Normalpflegestation mit 36 Betten eine Sollbesetzung von vier examinierten Pflegekräften plus Stationsleitung wochentags in der Früh- und Spätschicht aufweist. Ab dem Jahr 2021 werden es fünf Pflegekräfte plus Leitung sein.

Entlastungsmaßnahmen nach 24 Stunden

„Wir kennen natürlich den Unterschied zwischen dem Soll-Dienstplan und dem Alltag. Deshalb haben wir ein so genanntes Konsequenzenmanagement vereinbart“, sagt Gewerkschafterin Heike Spies. Wird die Sollbesetzung nicht erreicht, gibt es konkrete Entlastungsmaßnahmen, die spätestens 24 Stunden nach Auftreten des Personal-Engpasses greifen.

Zuerst werden Aufgaben, die nicht sofort erledigt werden müssen, liegengelassen. Dann gibt es einen so genannten Flex-Pool aus Mitarbeitern, die zur Verstärkung geschickt werden können. Das sind zum Teil voll ausgebildete Schwestern und Pfleger, aber auch angelernte Pflegeservicekräfte, die nach einem bestimmten Schlüssel eingesetzt werden dürfen. Hier hat die Gewerkschaft ihre Totalblockade auch aufgegeben.

Im Notfall können Stationen gesperrt werden

Hilft das alles nicht, kann es einen Aufnahmestopp geben, Notfälle sind immer davon ausgenommen. Es kann eine Reduzierung der Belegung durch interne und externe Verlegungen von Patienten gaben. Im Notfall können auch Betten und ganze Stationen komplett gesperrt werden.

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Wo kommt das Personal her? Es wird mehr ausgebildet. Seit vorigem Jahr gibt es neben den beiden Herbstklassen an der Medizinischen Schule auch eine Frühjahrsklasse, die wird es auch künftig geben. Das Klinikum bemüht sich um ehemalige Mitarbeiter und will mit dem Argument der guten Arbeitsbedingungen – zwar nicht aktiv – aus anderen Einrichtungen Personal abwerben.

„Schließlich haben wir die meisten doch hier ausgebildet. Ihnen stehen hier alle Türen offen und sie erleben moderne Medizin“, wirbt Gabriele Wolter um die „Abtrünnigen“.

Von André Wirsing

MAZ

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