S 1 KR 3133/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Reutlingen (BWB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 1 KR 3133/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Anders als bei der Erstattung einer bereits gezahlten Aufwandspauschale finden weder das Rückwirkungsverbot noch der Grundsatz von Treu und Glauben bei einer erst im Jahr 2017 geltend gemachten Aufwandspauschale nach erfolglos gebliebener sachlich-rechnerischer Prüfung einer im Jahr 2013 erfolgten Krankenhausbehandlung Anwendung.

Die „neue“ Rechtsprechung des BSG (z.B. Urteil vom 01.07.2014 - B 1 KR 29/13 R) greift nicht nachträglich in bereits abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände ein.

Es besteht auch kein dahingehender Vertrauensschutz, auch im Jahr 2017 noch die Zahlung einer Aufwandspauschale aufgrund einer erfolglos gebliebenen sachlich-rechnerischen Prüfung der im Jahr 2013 erfolgten stationären Krankenhausbehandlung verlangen zu können.
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Vorliegend begehrt der Kläger die Zahlung einer Aufwandspauschale von 300,00 EUR nach § 275 Abs. 1c Satz 3 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V).

Der im Januar 1931 geborene, bei der Beklagten krankenversicherte ... wurde vom 28.01. bis 07.02.2013 beim Kläger, einer Hochschulklinik in der Rechtsform einer rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts, stationär behandelt.

Die hierfür erstellte Rechnung vom 28.02.2013, die am 01.03.2013 bei der Beklagten einging, wurde von der Beklagten nach Angaben des Klägers am 15.03.2013 in vollem Umfang beglichen.

Bereits zuvor hatte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 07.03.2013 mitgeteilt, die übermittelten Daten ließen eine zweifelsfreie Beurteilung zur Frage, ob die angegebene Hauptdiagnose der DRG-Abrechnung zugrunde zu legen sei, nicht zu. Zur Abgabe einer sozialmedizinischen Stellungnahme werde um Übersendung der in beiliegender Anforderung durch den Sozialmedizinischen Dienst (SMD), datierend ebenfalls vom 07.03.2013, angegebenen Unterlagen gebeten. Im Fall, dass die medizinische Überprüfung die Voraussetzungen für einen Vergütungsanspruch in der Höhe nicht bestätige, würden sie den überzahlten Betrag an einer der nächsten Rechnungen einbehalten.

Da der Kläger nach Übersendung der angeforderten Unterlagen keinerlei Nachricht über den Ausgang der beauftragten SMD-Überprüfung erhalten hatte, ging er im Dezember 2017 davon aus, dass es keine Beanstandungen gebe. Er stellte der Beklagten daher am 04.12.2017 eine Aufwandspauschale i.H.v. 300,00 EUR in Rechnung, deren Begleichung von der Beklagten mit Schriftsatz vom 07.12.2017 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) abgelehnt wurde. Vorliegend habe eine Kodierprüfung, also eine reine Rechnungsprüfung stattgefunden, die keinen Anspruch auf die Aufwandspauschale auslöse.

Daraufhin hat der Kläger am 27.12.2017 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) mit dem Begehren erhoben, die Beklagte zur Zahlung der Aufwandspauschale i.H.v. 300,00 EUR zu verurteilen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, der Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale sei zum 01.04.2007 vom Gesetzgeber eingeführt worden. Der 1. Senat des BSG habe mit Urteil vom 01.07.2014 das Prüfinstitut der so genannten "sachlich-rechnerischen Überprüfung" einer Abrechnung erfunden, die – auch wenn sie unbeanstandet bleibe – nicht zu einer Aufwandspauschale führe. Trotz Unverständnis in Literatur und bei Instanzgerichten sei das BSG bei seiner Auffassung geblieben. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei vorliegend eine Auffälligkeitsprüfung erfolgt. Selbst wenn man der Auffassung sein sollte, der SMD sei mit einer sachlich-rechnerischen Überprüfung beauftragt worden, so stehe das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot einer Anwendung der Rechtsprechung des BSG vom 01.07.2014 auf vorliegenden Fall aus dem Jahr 2013 entgegen. Jedenfalls widerspräche die Zahlungsverweigerung dem Grundsatz von Treu und Glauben. Ob die Krankenkasse den SMD mit einer Auffälligkeitsprüfung oder mit einer Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit beauftragt habe, sei aus Sicht des objektiven Empfängerhorizontes zu beantworten. Vorliegend habe der SMD den Auftrag vom 07.03.2013 so verstehen müssen, dass die Beklagte eine Auffälligkeitsprüfung veranlassen habe wollen. Hierfür spreche der Umstand, dass die Beklagte im Prüfauftrag die Rechnungsnummer in Fettdruck vermerkt habe. Die Rechnungsnummer und damit das Rechnungseingangsdatum seien ausschließlich für die 6-Wochen-Frist gemäß § 275 Abs. 1c SGB V von Relevanz, also nicht für eine sachlich-rechnerische Überprüfung, die gerade nicht fristgebunden sei. Für eine Auffälligkeitsprüfung spreche zudem, dass die Beklagte die Vorlage des SMD-Gutachtens ablehne. Da sie den Rechnungsbetrag in voller Höhe beglichen habe, müsse angenommen werden, dass das Gutachten die Ordnungsgemäßheit der Abrechnung sowie die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung bestätige. Hätte die Beklagte eine sachlich-rechnerische Überprüfung und keine Auffälligkeitsprüfung gewollt, hätte sie dies klarstellen müssen. Unklarheiten gingen zu Lasten der erklärenden Krankenkasse. Selbst wenn man unterstelle, es gebe das Prüfinstitut der sachlich-rechnerischen Überprüfung, verstoße die Anwendung der Rechtsprechung des BSG zur so genannten sachlich-rechnerischen Überprüfung auf Fälle vor dem 01.07.2014 gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot. Über Jahre hinweg seien sowohl vom 1. als auch vom 3. Senat des BSG alle Überprüfungen durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) ausnahmslos von § 275 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 1c SGB V erfasst angesehen worden. Beide Senate hätten keinen Zweifel daran gelassen, dass Kodierfragen Gegenstand der Auffälligkeitsprüfung seien. Würde man die Rechtsfolgen des BSG vom 01.07.2014 auf Sachverhalte vor diesem Zeitpunkt erstrecken, würde man abgeschlossene Sachverhalte aus der Vergangenheit rückwirkend abweichend zur Gesetzeslage und zur bis dahin gefestigten Rechtsprechung bewerten. Ein solcher Fall der echten Rückwirkung sei mit verfassungsrechtlichen Vorgaben unvereinbar. Auch andere Senate des BSG hätten wiederholt ausgeführt, dass ihre Rechtsprechungsänderung nicht auf abgeschlossene Sachverhalte angewandt werden könne. Weder Kläger noch Beklagte hätten vor dem 01.07.2014 das Institut der sachlich-rechnerischen Überprüfung gekannt. Das Vertrauen, dass sämtliche Überprüfungen vom gesetzlich vorgegebenen Regime nach §§ 275, 276 SGB V erfasst seien, sei durch die Rechtsprechung des BSG zerstört worden. Die Anwendung auf bereits zuvor abgeschlossene Sachverhalte verstoße gegen das Rückwirkungsverbot. Ferner stehe der Zahlungsverweigerung der Einwand von Treu und Glauben entgegen. Die Parteien hätten über Jahre hinweg anstandslos jegliche Überprüfung den §§ 275, 276 SGB V zugeordnet. Habe die Überprüfung durch den SMD keine Beanstandungen ergeben, habe die Beklagte vorbehaltlos eine Aufwandspauschale gezahlt. Der Kläger habe im Jahr 2013 nicht damit rechnen müssen, dass die Beklagte im Jahr 2017 die Zahlung der geltend gemachten Aufwandspauschale ablehnen werde. Da es sich beim Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale um einen gesetzlichen Anspruch handele, sei diese zu verzinsen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 300,00 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 27.12.2017 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen, nach Rechtsprechung des BSG falle bei einer sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung eine Aufwandspauschale nicht an. Bei der durchgeführten Prüfung habe es sich um eine Kodierprüfung im Sinne des Prüfinstituts der sachlich-rechnerischen Richtigkeit gehandelt. Vorliegend habe das zuständige Krankenhausleistungszentrum den Kläger bereits mit Schreiben vom 07.03.2013 informiert, dass die Kodierung der Hauptdiagnose überprüft werden solle. Dabei sei es um die Auslegung der Deutschen Kodierrichtlinien zur Frage gegangen, welche Prozedur als Hauptdiagnose zu verwenden sei. Dieser Prüfungsmaßstab werde bestätigt durch die Stellungnahme des SMD vom 20.06.2013. Damit sei klar ersichtlich, dass von Anfang an eine Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit durchgeführt worden sei.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorgelegten Beklagten- und der Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die beim sachlich und örtlich zuständigen SG vom Kläger zu Recht erhobene (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG – (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. z.B. BSGE 90, 1; 100, 164; 102, 172; 104, 15) auf Zahlung einer Aufwandspauschale nebst Zinsen hieraus ist zulässig. Vorliegend handelt es sich um einen sogenannten Beteiligtenstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und keine Klagefrist zu beachten ist.

Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung einer Aufwandspauschale i.H.v. 300,00 EUR auf der Grundlage des § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V sowie auf Zinsen hieraus.

Nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V sind die Krankenkassen in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, verpflichtet, bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung, sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (hier: SMD) einzuholen.

Nach § 275 Abs. 1c Satz 1 SGB V ist bei Krankenhausbehandlung nach § 39 eine Prüfung nach Abs. 1 Nr. 1 zeitnah durchzuführen. Die Prüfung nach Satz 1 ist spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der Krankenkasse einzuleiten und durch den SMD dem Krankenhaus anzuzeigen (§ 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V). Falls die Prüfung nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages führt, hat die Krankenkasse nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V dem Krankenhaus eine Aufwandspauschale i.H.v. 300,00 EUR zu entrichten.

Mit der zum 01.04.2007 durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 26.03.2007 (BGBl. I, Seite 378) eingefügten Regelung des § 275 Abs. 1c SGB V, hierbei insbesondere durch die Regelung des § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V zur Zahlung einer Aufwandspauschale, sollte einer ungezielten und übermäßigen Einleitung von Begutachtungen, die die Abläufe in den Krankenhäusern teils erheblich belasten, für zusätzlichen personellen und finanziellen Aufwand sorgen und in der Regel zu hohen und nicht gerechtfertigten Außenständen und Liquiditätsproblemen führen, entgegengewirkt werden (vgl. BT-Drs. 16//3100, Seite 171).

Dabei bestehen bei der Prüfung von Krankenhausabrechnungen nach zutreffender Rechtsprechung sowohl des 3. als auch des 1. Senats des BSG (Urteile vom 16.05.2012 – B 3 KR 14/11 R – und vom 13.11.2012 - B 1 KR 10/12 R – beide juris -) im Verhältnis zwischen Krankenhäusern, Krankenkassen und dem SMD Auskunfts- und Prüfpflichten auf drei Ebenen.

Zwingend sind auf der ersten Stufe der Sachverhaltserhebung zunächst die Angaben nach § 301 Abs. 1 SGB V. Danach besteht die Pflicht des Krankenhauses, der Krankenkasse bei Krankenhausbehandlung die wesentlichen Aufnahme- und Behandlungsdaten zu übermitteln. Aus datenschutzrechtlichen Gründen ist abschließend und enumerativ aufgelistet, welche Angaben der Krankenkasse bei einer Krankenhausbehandlung ihrer Versicherten auf jeden Fall zu übermitteln sind. Dabei handelt es sich um Mindestangaben, die die Krankenkasse insbesondere zur ordnungsgemäßen Abrechnung und zur Überprüfung der Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung benötigt. Genügt die Anzeige des Krankenhauses diesen (Mindest-) Anforderungen nicht, fehlt es bereits an der Fälligkeit der Vergütungsforderung. Deshalb dürfen die Krankenkassen bei Zweifeln oder Unklarheiten in Bezug auf die gemäß § 301 SGB V übermittelten Daten durch nicht-medizinische Nachfragen selbst beim Krankenhaus klären, ob die übrigen Voraussetzungen der Zahlungspflicht im Einzelfall gegeben sind.

Erschließen sich die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung oder weitere Abrechnungsvoraussetzungen den – medizinisch in der Regel nicht besonders ausgebildeten – Mitarbeitern der Krankenkasse aufgrund der Angaben nach § 301 SGB V oder eines Kurzberichts nicht selbst, ist auf der zweiten Stufe der Sachverhaltserhebung ein Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V einzuleiten. Danach ist beim SMD eine gutachtliche Stellungnahme einzuholen, wenn die vom Krankenhaus erteilten und ansonsten zur Verfügung stehenden Informationen zur Prüfung insbesondere von Voraussetzung, Art und Umfang der Krankenhausbehandlung nicht ausreichen. Dazu hat die Krankenkasse dem SMD nach § 276 Abs. 1 Satz 1 SGB V jedenfalls diejenigen zur Begutachtung erforderlichen Unterlagen vorzulegen, die vom Krankenhaus zur Verfügung gestellt worden sind, also insbesondere die Angaben nach § 301 SGB V. Medizinische Unterlagen "zur Vorprüfung des Vergütungsanspruchs" dürfen dabei die Krankenkassen nicht anfordern, es sei denn, es handele sich um eine medizinische Begründung bei Überschreitung der voraussichtlichen Dauer der Krankenhausbehandlung (vgl. § 301 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V) oder der maßgebliche Landesvertrag nach § 112 SGB V sehe dies ausdrücklich vor (sog. Kurzbericht).

Schließlich hat das Krankenhaus auf der dritten Stufe der Sachverhaltserhebung - wenn sich also unter Auswertung der auf der ersten und zweiten Stufe verfügbaren Sozialdaten kein abschließendes Ergebnis finden lässt – dem SMD auch über die Anzeige nach § 301 SGB V und einen etwaigen Kurzbericht hinaus alle weiteren Angaben zu erteilen und Unterlagen vorzulegen, die im Einzelfall zur Beantwortung der Prüfanfrage der Krankenkasse benötigt werden. Auf Grundlage des § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V sind die Leistungserbringer verpflichtet, Sozialdaten auf Anforderung des SMD unmittelbar an diesen zu übermitteln, soweit dies für die gutachtliche Stellungnahme und Prüfung erforderlich ist. Auf dieser Grundlage ist der SMD ermächtigt, die erforderlichen Sozialdaten beim Krankenhaus anzufordern; das Krankenhaus ist zu deren Vorlage verpflichtet.

Bei der Prüfung einer Krankenhausabrechnung löst jedoch nicht jede im Zusammenhang mit einer Krankenhausabrechnung erfolgte ergebnislose Rückfrage der Krankenkasse beim Krankenhaus die Zahlungspflicht nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V aus. Geeignet, einen Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V auszulösen, ist nach Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 13.11.2012, a.a.O.) allein ein auf der dritten Stufe angesiedeltes, weitergehendes Prüfverfahren stationärer Krankenhausbehandlung. In einem solchen Verfahren geht es um die Prüfung einer Rechnung. Dazu muss die Krankenkasse den SMD beauftragen, eine gutachtliche Stellungnahme abzugeben mit dem Ziel, in Verfolgung des Wirtschaftlichkeitsgebots zu einer Verminderung der in Rechnung gestellten Vergütung zu gelangen, d.h. eine Verminderung des (möglicherweise) vom Krankenhaus zu hoch angesetzten Abrechnungsbetrages zu erreichen.

Ob die Krankenkasse einen gezielten Prüfauftrag zur Abrechnungsminderung erteilt hat, bemisst sich nach den allgemeinen Grundsätzen über die Auslegung von Willenserklärungen aus Sicht des Empfängers. Nach zutreffender Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 16.05.2012 und vom 13.11.2012, jeweils a.a.O.) ist ein Prüfauftrag regelmäßig gezielt zur Abrechnungsminderung erteilt, wenn er sich zumindest auch ganz oder teilweise auf einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum erstreckt, für den das Krankenhaus der Krankenkasse eine Rechnung übersandt hat, und wenn er objektiv zur Folge haben kann, dass diese der Krankenkasse bereits vorliegende Abrechnung des Krankenhauses infolge des Prüfergebnisses gemindert wird. Liegt der Krankenkasse demgegenüber bei Erteilung des Auftrags noch gar keine Rechnung vor oder ist der Prüfauftrag lediglich auf einen künftigen, noch nicht einer Abrechnung des Krankenhauses unterfallenden Zeitraum bezogen, fehlt es an einem gezielten Prüfauftrag der Abrechnungsminderung im dargelegten Rechtssinne. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V, der von einer "Minderung des Abrechnungsbetrags" und nicht etwa nur von einer Minderung der Vergütungsforderung spricht.

In der Rechtsprechung des 3. Senats des BSG (vgl. Urteil vom 18.07.2013 – B 3 KR 22/12 R – juris –) zur Prüfung von Krankenhausabrechnungen wurde nie eine Unterscheidung nach der Art der Prüfung erwogen, zumal auch den Gesetzesmaterialien zur Einfügung des § 275 Abs. 1c SGB V an keiner Stelle zu entnehmen ist, dass die Prüfung der ordnungsgemäßen Krankenhausabrechnung nicht auch die sachlich-rechnerische Richtigkeit einer Abrechnung betreffen soll. Auch der 1. Senat des BSG schloss sich dieser Auffassung an (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 13.11.2012 – B 1 KR 14/12 R - juris -) und führte mehrfach zur Prüfung nach § 275 SGB V aus, es bestünden Auffälligkeiten, die die Krankenkasse zur Einleitung einer Abrechnungsprüfung unter Anforderung einer gutachtlichen Stellungnahme des SMD berechtigten und verpflichteten, wenn die Abrechnung und/oder die der Krankenkasse vorliegenden Behandlungsdaten bzw. weiteren Informationen "Fragen nach der - insbesondere sachlich-rechnerischen – Richtigkeit der Abrechnung und/oder nach der Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebot aufwerfen würden" (BSG, Urteile vom 13.12.2012 – B 1 KR 24/11 R - und vom 17.12.2013 – B 1 KR 14/13 R und B 1 KR 52/12 R – alle juris –). Ebenso wie der 3. Senat zählte somit auch der 1. Senat des BSG die sachlich-rechnerische Prüfung zur Auffälligkeitsprüfung der §§ 275 Abs. 1 Nr. 1, 275 Abs.1c SGB V.

Der 1. Senat des BSG vertrat dann jedoch erstmals in seinem Urteil vom 01.07.2014 (B 1 KR 29/13 R – juris –) die Auffassung, die Überprüfung nach § 275 Abs. 1c SGB V setze eine Auffälligkeit der Abrechnung voraus. Auffälligkeiten, die die Krankenkasse zur Einleitung einer Abrechnungsprüfung unter Anforderung einer gutachtlichen Stellungnahme des SMD berechtigten, bestünden dann, wenn die Abrechnung und/oder die vom Krankenhaus zur ordnungsgemäßen Abrechnung vollständig mitgeteilten Behandlungsdaten und/oder weitere zulässig von der Krankenkasse verwertbaren Informationen Fragen nach der Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebot aufwerfen würden, die die Krankenkasse aus sich heraus ohne weitere medizinische Sachverhaltsermittlung und -bewertung durch den SMD nicht beantworten könne. Die Auffälligkeitsprüfung betreffe regelmäßig Fälle, in denen die Krankenkasse Zweifel daran haben könne, dass das Krankenhaus seine Leistung unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots erbracht habe. Sie begründe in den Fällen, in denen es zu keiner Abrechnungsminderung komme, einen Anspruch des Krankenhauses auf Zahlung einer Aufwandspauschale.

Soweit das Krankenhaus dagegen dem SMD lediglich im Rahmen der Abklärung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung entsprechend seinen bestehenden Mitwirkungsobliegenheiten oder -pflichten die Möglichkeit eröffne, die Behandlungsunterlagen einzusehen und/oder eine Krankenhausbegehung durchzuführen, finde § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V keine Anwendung. Dieses Überprüfungsrecht der Krankenkassen von Krankenhausabrechnungen auf sachlich-rechnerische Richtigkeit unterliege einem eigenen Prüfregime. Um eine solche Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit handle es sich bei einer Prüfung der zutreffenden Kodierung der Haupt- und/oder Nebendiagnosen (vgl. hierzu auch BSG, Urteil vom 14.10.2014 - B 1 KR 26/13 R - juris -). Das Krankenhaus habe keinen Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale, wenn der sachlich-rechnerische Prüfvorgang nicht zu einer Rechnungsminderung führe. Denn es handle sich nicht um eine Auffälligkeitsprüfung, sondern um eine Mitwirkung des SMD zu Gunsten des beweisbelasteten Krankenhauses, um diesem die Möglichkeit zu eröffnen, seinen aus § 301 SGB V abzuleitenden Informationsobliegenheiten bzw. eventuellen Auskunfts- und Mitteilungspflichten zu entsprechen.

Diese Rechtsprechung des BSG, insbesondere die Unterscheidung zwischen Auffälligkeitsprüfung und Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit mit eigenem Prüfregime, hat in der erst- und zweitinstanzlichen Rechtsprechung breite Ablehnung erfahren (vgl. hierzu die Übersicht bei Makoski, jurisPR-MedizinR 3/2017 Anm. 5) Für die Annahme des BSG, es gebe neben der Auffälligkeitsprüfung ein weiteres Prüfregime ("Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit") für Abrechnungsfragen bei Krankenhausbehandlungen, fehle eine gesetzliche Grundlage. Die Auffassung des BSG sei mit Gesetzeswortlaut und -systematik nicht zu vereinbaren und verstoße daher – unter Berücksichtigung der Grenzfunktion des Gesetzeswortlauts – gegen den Grundsatz der Bindung an das Gesetz. Bestätigt werde die Richtigkeit dieser Auffassung durch den mit dem Gesetz zur Reform der Strukturen der Krankenhausversorgung vom 10.12.2015 (BGBl. I, Seite 2229) zum 01.01.2016 in § 275 Abs. 1c SGB V eingefügten Satz 4. Danach sei als Prüfung nach Satz 1 jede Prüfung der Abrechnung eines Krankenhauses anzusehen, mit der die Krankenkasse den SMD beauftrage und die die Datenerhebung durch den SMD beim Krankenhaus erfordere. Ausweislich der hierzu bestehenden Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 18/6586, Seite 110) seien in Folge des Urteiles des BSG (B 1 KR 29/13 R, a.a.O.) zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen Probleme entstanden, weil Krankenkassen sich bei Prüfung der Krankenhausabrechnungen durch den SMD vermehrt auf den Standpunkt stellten, es handle sich um Prüfungen der sachlich-rechnerischen Richtigkeit, bei denen keine Aufwandspauschale zu zahlen und keine Frist zu beachten sei. Hinzu komme, dass im Schrifttum teilweise kritisiert werde, dass es für die Trennung der beiden Prüfarten im Gesetz keine hinreichende Stütze gebe und es an Abgrenzungskriterien fehle. Deshalb werde mit der Neuregelung des § 275 Abs. 1c Satz 4 SGB V nunmehr bestimmt, dass sich die Fristen- und Anzeigeregelung des Satzes 2 und die Regelung zur Aufwandspauschale in Satz 3 auf jede Prüfung der Abrechnung einer stationären Behandlung beziehe, mit der eine Krankenkasse den SMD beauftrage und die eine Datenerhebung durch den SMD beim Krankenhaus erfordere. Dies gelte sowohl für die vom 1. Senat des BSG angesprochenen Auffälligkeitsprüfungen als auch für die Prüfungen auf sachlich-rechnerische Richtigkeit. Nach der in erst- und zweitinstanzlicher Rechtsprechung vertretenen Auffassung handle es sich bei dieser Neuregelung nicht um eine Änderung einer früher bestehenden Rechtslage, sondern um eine Klarstellung, die auch auf die Zeit vor dem 01.01.2016 Anwendung finde.

Die gegen die o.g. Urteile des BSG u.a. vom 25.10.2016 und vom 28.03.2016 erhobenen Verfassungsbeschwerden wurden vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Beschluss vom 26.11.2018 (1 BvR 318/17, 1 BvR 1474/17, 1 BvR 2207/17 – juris -) nicht zur Entscheidung angenommen.

Damit steht fest, dass ein Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale nur dann besteht, wenn eine Prüfung einer Krankenhausabrechnung auf Auffälligkeit hin auf der dritten Stufe erfolgt ist, die nach Prüfung der beim Krankenhausträger angeforderten und von ihm übersandten Unterlagen durch den SMD zu keiner Minderung des Abrechnungsbetrages geführt hat.

Unter Beachtung der dargestellten gesetzlichen Grundlagen und der vom BSG aufgestellten Grundsätze steht zur Überzeugung der Kammer zunächst fest, dass die Beklagte hier Zweifel an der zutreffenden Kodierung der der Abrechnung zu Grunde zu legenden Hauptdiagnose hatte. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut ihres an den Kläger gerichteten Schreibens vom 07.03.2013. Unter Bezugnahme auf die Deutschen Kodierrichtlinien für die Verschlüsselung von Krankheiten und Prozeduren führte die Beklagte darin aus, die übermittelten Daten ließen eine zweifelsfreie Beurteilung zur Frage, ob die angegebene Hauptdiagnose der DRG-Abrechnung zu Grunde zu legen sei, nicht zu. Entgegen der Auffassung des Klägers steht weiter zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Beklagte auf der dritten Stufe im Sinne der oben genannten Rechtsprechung des BSG aufgrund ihrer Zweifel eine sachlich-rechnerische Überprüfung der ihr im Zeitpunkt der Einleitung des Prüfverfahrens vorliegenden Rechnung vom 28.02.2013, mit der die vom Kläger bei ihrem Versicherten erbrachte stationäre Krankenhausbehandlung vom 28.01. bis 07.02.2013 abgerechnet wurde, eingeleitet hat. Dies belegen sowohl die in ihrem Schreiben geäußerten Zweifel an der zutreffenden Kodierung der Hauptdiagnose als auch die dem Schreiben vom 07.03.2013 in der Anlage beigefügte Anforderung von Unterlagen (Entlassungsbericht, Pflegebericht, Aufnahmebefund, Kurvenplan/Fieberkurve) durch den SMD ebenfalls vom 07.03.2013, um den Prüfauftrag der Beklagten erfüllen zu können. Der Kläger weist zwar zutreffend darauf hin, dass aus Sicht des objektiven Empfängerhorizonts zu beurteilen ist, ob die Krankenkasse den SMD mit einer Auffälligkeitsprüfung oder mit einer Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit beauftragt hat. Soweit der Kläger zur Begründung seiner Auffassung, aus der im Prüfauftrag in Fettdruck vermerkten Rechnungsnummer ergebe sich, dass die Beklagte hier eine Auffälligkeitsprüfung habe veranlassen wollen, vermag die Kammer dieser Auffassung jedoch nicht zu folgen. Zum einen ist im Schreiben der Beklagten an den Kläger vom 07.03.2013 nicht allein die Rechnungsnummer, sondern vielmehr die gesamte "Betreff-Zeile" in Fettdruck gehalten. Zudem enthält die Betreff-Zeile nicht allein die Rechnungsnummer, sondern weitere Angaben wie beispielsweise den Namen des behandelten Patienten, sein Geburtsdatum, die Dauer des stationären Krankenhausaufenthaltes sowie die Aufnahmenummer. Überdies ist weder aus der in der Betreff-Zeile angegebenen Rechnungsnummer noch aus sonstigen Angaben gegenüber dem Kläger das Datum des Rechnungseingangs bei der Beklagten zu ersehen. Schon aus diesem Grunde gibt es keinerlei Anhaltspunkte für das Vorbringen des Klägers, durch die Angabe der Rechnungsnummer sei zu erkennen, dass aufgrund der ausschließlichen Relevanz für die Einhaltung der 6-Wochen-Frist gemäß § 275 Abs. 1c SGB V hier die Beklagte eine Auffälligkeitsprüfung habe durchführen wollen. Soweit der Kläger weiter ausführt, für eine Auffälligkeitsprüfung spreche zudem, dass die Beklagte die Vorlage des SMD-Gutachtens ablehne, vermag die Kammer auch diese Ausführungen nicht nachzuvollziehen. Wird von der Beklagten ein die Abrechnung bestätigendes SMD-Gutachten nicht vorgelegt, kann dies zwar durchaus ein Anhaltspunkt für die Bestätigung von Notwendigkeit und Dauer einer Krankenhausbehandlung sein. Dies kann jedoch durchaus auch Anhaltspunkt dafür sein, dass die erfolgte Krankenhausabrechnung in sachlich-rechnerischer Hinsicht nicht zu beanstanden ist.

Für die Kammer steht somit fest, dass hier auf Veranlassung der Beklagten eine sachlich-rechnerische Überprüfung der Krankenhausabrechnung durch den SMD erfolgt ist, die letztendlich zu keiner Minderung des Abrechnungsbetrages geführt hat. Trotz des durch Übersendung der angeforderten Unterlagen beim Kläger entstandenen Aufwandes scheidet damit nach der dargestellten Rechtsprechung des BSG, der sich die erkennende Kammer anschließt, ein Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale aus.

Entgegen der klägerischen Auffassung stehen diesem Ergebnis weder das Rückwirkungsverbot noch der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen.

Das Rückwirkungsverbot als Teil des Gebotes der Rechtssicherheit ist – ebenso wie das Gebot des Vertrauensschutzes - im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes verfassungskräftig verankert (BVerfGE 30, 392). Die Rechtssicherheit und der Vertrauensschutz gewährleisten im Zusammenwirken mit den Grundrechten, dass die Rechtsunterworfenen durch die rückwirkende Beseitigung erworbener Rechte nicht über die Verlässlichkeit der Rechtsordnung getäuscht werden (BVerfGE 105, 48; 133, 143).

Zur Rückwirkung von Gesetzesänderungen existieren auf dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes fußende eindeutige Entscheidungen, wobei zwischen einer unzulässigen "echten Rückwirkung" und einer grundsätzlich zulässigen "unechten Rückwirkung" unterschieden wird. Während eine "echte Rückwirkung" vorliegt, wenn ein Gesetz Rechtsbeziehungen, die vor der Verkündung eines Gesetzes bereits abgeschlossen waren, nachträglich veränderten Bedingungen unterwirft, liegt eine "unechte Rückwirkung" demgegenüber vor, wenn das Gesetz nur für noch andauernde Tatbestände, insbesondere Rechtsverhältnisse, mit Wirkung für die Zukunft erstmalige oder veränderte Rechtsfolgen vorsieht. Während eine "echte Rückwirkung" von Gesetzen nach dem Rechtsstaatsprinzip im Interesse des Vertrauensschutzes nachteilig Betroffener grundsätzlich unzulässig ist (BVerfGE 11, 139; 101, 239), ist eine "unechte Rückwirkung" bei Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nicht grundsätzlich unzulässig (vgl. hierzu Sachs, Kommentar zum Grundgesetz, 7. Aufl. 2014, Art. 20 Rdnrn. 133, 136 und 137).

Urteile, somit auch das Urteil des BSG vom 01.07.2014 (a.a.O.), entfalten – anders als Gesetze - zunächst nur Geltung für die im jeweiligen Rechtsstreit beteiligten Parteien; sie wirken somit nur inter partes. Auch die höchstrichterliche Rechtsprechung stellt somit kein Gesetzesrecht dar und erzeugt auch keine vergleichbare Rechtsbindung (BVerfGE 122, 248; 131, 20). Jedoch kann die höchstrichterliche Rechtsprechung aufgrund der Überzeugungskraft ihrer Gründe sowie der Autorität und Kompetenz des jeweiligen (Bundes)Gerichts eine über den Einzelfall hinausgehende Geltung erlangen, die in ihrer faktischen Wirkung der Gesetzeskraft gleichkommt (BSG, Urteil vom 12.09. 2012 – B 3 KR 10/12 R – juris –). So werden Leistungserbringer und Kostenträger in gleichgelagerten Fällen, die zum Zeitpunkt des Ergehens der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch nicht abgeschlossen waren, sowie in künftigen gleichgelagerten Fällen sich auf eine neue oder geänderte höchstrichterliche Rechtsprechung berufen. Einfachrechtlich findet diese gesetzesähnliche Wirkung der höchstrichterlichen Rechtsprechung ihren Niederschlag in § 48 Abs. 2 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches, wonach ein Verwaltungsakt im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben ist, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zu Gunsten des Berechtigten auswirkt.

Aufgrund der über den Einzelfall hinausgehenden Geltung höchstrichterlicher Rechtsprechung mit gesetzesähnlicher Wirkung können damit nach zutreffender Ansicht des BSG (Urteil vom 08.11.1980 – 12 RK 59/79 - juris –) die für die rückwirkende Anwendbarkeit von Gesetzesänderungen geltenden Grundsätze auch auf Rechtsprechungsänderungen übertragen werden, in denen die Änderung einer höchstrichterlichen Rechtsprechung für die Betroffenen praktisch wie eine Änderung des Rechts wirkt. In diesen Fällen sei es nur folgerichtig, den Betroffenen im Falle einer sie belastenden Änderung einer höchstrichterlichen Rechtsprechung gleichen Vertrauensschutz zuzubilligen wie bei einer entsprechenden Rechtsänderung.

Da es indes nicht des Nachweises wesentlicher Änderungen der Verhältnisse oder der allgemeinen Anschauung bedarf, damit ein Gericht von seiner Rechtsprechung abweichen kann, ist eine Änderung ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nach der Rechtsprechung des BVerfG unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes allerdings dann grundsätzlich unbedenklich, wenn sie hinreichend begründet ist und sich im Rahmen einer vorhersehbaren Entwicklung hält. Schutzwürdiges Vertrauen in eine bestimmte Rechtslage aufgrund höchstrichterlicher Rechtsprechung kann daher in der Regel nur bei Hinzutreten weiterer Umstände, insbesondere einer gefestigten, langjährigen und nicht ernstlich angefochtenen Rechtsprechung entstehen (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 25.04.2015 - 1 BvR 2314/12 – , Beschlüsse vom 02.05.2012 – 2 BvL 5/10 – und vom 15.01.2009 - 2 BvR 2044/07 – alle juris –).

Mit der "neuen" Rechtsprechung des 1. Senats des BSG wurde erstmals eine einem eigenen Prüfregime unterliegende sachlich-rechnerische Prüfung als Teil der Prüfung von Krankenhausabrechnungen mit Auswirkung auf die Verpflichtung zur Zahlung einer Aufwandspauschale eingeführt. Diese "neue" Rechtsprechung führte damit zu einer grundlegenden Änderung bei der Prüfung von Krankenhausabrechnungen. Sie wirkt damit wie eine Rechtsänderung, da durch diese Rechtsprechung eine konkrete Festlegung getroffen wurde, die sich unmittelbar auf das Abrechnungs- und Prüfgeschehen auswirkt. Wäre eine sachlich-rechnerische Prüfung durch den Gesetzgeber festgelegt worden, hätte sich dies in gleicher Form auf das Abrechnungs- und Prüfgeschehen ausgewirkt, wie dies die "neue" Rechtsprechung des 1. Senats des BSG getan hat.

Gestützt hierauf hat die erkennende Kammer mit – noch nicht rechtskräftigem – Urteil vom 14.03.2018 im Verfahren S 1 KR 3632/16 (juris) die für die rückwirkende Anwendbarkeit von Gesetzesänderungen geltenden Grundsätze aus rechtsstaatlichen Gründen auf die "neue" Rechtsprechung des 1. Senats des BSG übertragen und unter Bejahung des Rückwirkungsverbotes den dort geltend gemachten Anspruch einer Krankenkasse auf Erstattung einer bereits gezahlten Aufwandspauschale verneint.

Der jener Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt unterscheidet sich jedoch vom vorliegenden Sachverhalt, so dass die Gründe jener Entscheidung nicht auf vorliegenden Rechtsstreit übertragen werden können. Während im dortigen Verfahren bereits vor Urteil des BSG vom 01.07.2014 (a.a.O.) eine Aufwandspauschale gezahlt worden war, wurde hier vom Kläger erst am 04.12.2017, also nach Kenntnis der "neuen" Rechtsprechung des BSG, der Beklagten eine Aufwandspauschale in Rechnung gestellt. Zwar war vorliegend das Verfahren zur Prüfung der Abrechnung der vom 28.01. bis 07.02.2013 dauernden stationären Krankenhausbehandlung mit der vom 20.06.2013 datierenden Stellungnahme des SMD abgeschlossen. Damit war zugleich die Abrechnung dieser stationären Krankenhausbehandlung abgeschlossen. Nicht abgeschlossen war hingegen die Zahlung einer Aufwandspauschale, die vom Kläger – wie dargestellt – erst am 04.12.2017 der Beklagten in Rechnung gestellt wurde. Zwar scheint der Wortlaut des § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V (" hat die Krankenkasse dem Krankenhaus eine Aufwandspauschale i.H.v. 300 EUR zu entrichten ") darauf hinzudeuten, dass bei "erfolgloser" Auffälligkeitsprüfung die Krankenkasse von sich aus, also ohne entsprechende Aufforderung durch den Krankenhausträger, an diesen eine Aufwandspauschale zu entrichten hat. Von einer solchen "automatischen" Zahlung der Aufwandspauschale durch die Krankenkasse gehen jedoch weder das BSG in seinen Urteilen noch das BVerfG im Beschluss vom 26.11.2018 (a.a.O.) aus. Vielmehr wird dort als selbstverständlich vorausgesetzt, dass Krankenhausträger Krankenkassen eine Aufwandspauschale in Rechnung zu stellen haben. Dies entspricht auch nach Kenntnis der Kammer der ständigen Praxis zwischen Krankenhausträgern und Krankenkassen. So wird die Aufwandspauschale vom Krankenhausträger der Krankenkasse stets separat in Rechnung gestellt, falls eine (Auffälligkeits)Prüfung nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages führt (vgl. hierzu auch Strack in jurisPK SGB V § 275 Rdnr. 28). Voraussetzung für die Zahlung einer Aufwandspauschale ist damit eine entsprechende Rechnungsstellung durch den Krankenhausträger.

Angesichts der erst am 04.12.2017 erfolgten Rechnungsstellung greift somit die "neue" Rechtsprechung des BSG nicht nachträglich in bereits abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände ein.

Hinzu kommt, dass nach Ansicht des BVerfG (a.aO.) die angegriffene Rechtsprechung des BSG zur Abgrenzung einer sachlich-rechnerischen Prüfung von einer in § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V allein geregelten Auffälligkeitsprüfung die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung noch nicht überschreitet. Zudem bestehe hier ein weiter Spielraum für die richterliche Rechtsfortbildung, da schlicht Zahlungsansprüche zwischen juristischen Personen ohne Verknüpfung mit verfassungsrechtlich geschützten Rechtspositionen betroffen seien. Es gehe nur um die Reichweite eines Steuerungsinstruments, das der Gesetzgeber zwischen beiderseits auf öffentliche Finanzmittel angewiesenen professionellen Akteuren des Gesundheitswesens einsetze.

Anders als im Verfahren S 1 KR 3632/16 findet hier somit entgegen der Ansicht des Klägers das Rückwirkungsverbot keine Anwendung.

Dies gilt auch für den Grundsatz von Treu und Glauben, der hier entgegen der Auffassung des Klägers nicht zu einem Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung einer Aufwandspauschale führt.

Nach zutreffender Auffassung des BSG (Urteile vom 08.09.2009 – B 1 KR 11/09 R und B 1 KR 8/09 R - und vom 17.12.2009 - B 3 KR 12/08 R – alle juris -) ist bei den Beziehungen zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern zu berücksichtigen, dass diese Beteiligten aufgrund eines dauerhaften Vertragsrahmens ständig professionell zusammenarbeiten. Ihnen sind die gegenseitigen Interessen und Strukturen geläufig. In partnerschaftlicher Weise sind sie daher zur gegenseitigen Rücksichtnahme nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, wodurch auch wechselseitige Ansprüche begrenzt sein können.

Zwar bestand vor Änderung der Rechtsprechung des 1. Senats des BSG mit Urteil vom 01.07.2014 (a.a.O.) zwischen Krankenkassen und Krankenhausträgern Konsens, dass alle von den Kassen veranlassten Abrechnungsprüfungen im Einzelfall durch den SMD (nur) wegen "Auffälligkeiten" ohne Differenzierung zwischen sachlich-rechnerischer Richtigkeit und Unwirtschaftlichkeit erfolgten (vgl. dazu BSG, Urteil vom 13.11.2012 - B 1 KR 24/11 R - juris -). Dieser Konsens ergibt sich auch aus der ab 01.01.2015 geltenden Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) vom 01.09.2014. Diese in Erfüllung des Auftrags aus § 17c Abs. 2 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes zur Regelung des Prüfverfahrens nach § 275 Abs. 1c SGB V zwischen den Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Deutschen Krankenhausgesellschaft getroffene Vereinbarung sieht in § 4 Abs. 1 PrüfvV zur Mitteilung der Art der Prüfung ausschließlich Kodierfragen als Gegenstand der Prüfung vor; die Vertragsparteien unterschieden in den in § 4 Abs. 1 PrüfvV V aufgeführten Prüfarten nicht zwischen Prüfungen der sachlich-rechnerischen Richtigkeit und "Auffälligkeiten" wie primäre Fehlbelegung oder Verweildauer. Für eine Regelung von Prüfungen der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung, die nicht § 275 Abs. 1c SGB V unterfällt, hätte auch keine Regelungskompetenz bestanden.

Allerdings begründet all dies hier vorliegend entgegen der Auffassung des Klägers keinen Vertrauensschutz dahingehend, auch im Jahr 2017 die Zahlung der geltend gemachten Aufwandspauschale aufgrund einer "erfolglos" gebliebenen Prüfung der im Jahr 2013 erfolgten stationären Krankenhausbehandlung verlangen zu können. Dieser Vertrauensschutz, der einer Zahlungsverweigerung durch die Beklagte nach dem Grundsatz von Treu und Glauben entgegenstehen würde, scheitert vorliegend daran, dass im Zeitpunkt der Geltendmachung der Aufwandspauschale am 04.12.2017 sowohl Kläger als auch Beklagter die Rechtsprechung des BSG zur Abgrenzung einer sachlich-rechnerischen Prüfung von einer in § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V geregelten Auffälligkeitsprüfung bekannt war. Bei Rechnungsstellung am 04.12.2017 war dem Kläger bewusst, dass im Falle einer sachlich-rechnerischen Überprüfung einer Krankenhausabrechnung eine Aufwandspauschale selbst dann nicht zu zahlen ist, wenn diese Prüfung zu keiner Minderung des Abrechnungsbetrages führt.

In diesem Zusammenhang kann sich der Kläger auch nicht darauf berufen, er sei (erst) im Dezember 2017 davon ausgegangen, dass es keine Beanstandungen gebe, nachdem er nach Übersendung der angeforderten Unterlagen keinerlei Nachricht über den Ausgang der beauftragten SMD-Überprüfung erhalten habe. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte geht die Kammer in Übereinstimmung mit dem Kläger zwar davon aus, dass er vom Ausgang der SMD-Überprüfung tatsächlich nicht benachrichtigt worden war. Hieraus ergibt sich allerdings für ihn kein Vertrauensschutz. Nicht zuletzt aufgrund der hohen Anzahl der beim Kläger behandelten Patienten ist die Kammer davon überzeugt, dass auch Versicherte der Beklagten beim Kläger ständig behandelt werden. Die bei Versicherten der Beklagten erbrachten Leistungen werden vom Kläger dieser ständig in Rechnung gestellt. Aufgrund dieser andauernden Abrechnungsbeziehung zur Beklagten hätte es sich dem Kläger aufgrund des Hinweises im Schreiben der Beklagten vom 07.03.2013, der überzahlte Betrag werde an einer der nächsten Rechnungen einbehalten, falls die medizinische Überprüfung die Voraussetzungen für einen Vergütungsanspruch in der Höhe nicht bestätigt habe, aufdrängen müssen, dass hier die Überprüfung durch den SMD keinerlei Beanstandungen erbracht hat. Da es zu keiner Verrechnung eines etwaigen hier überzahlten Betrages mit weiteren unstreitigen Forderungen des Klägers gegenüber der Beklagten gekommen ist, hätte sich der Kläger ohne weiteres veranlasst sehen müssen, zeitnah eine Aufwandspauschale der Beklagten in Rechnung zu stellen. Ein Grund für ein Abwarten bis zum 04.12.2017, also über vier Jahre nach Abschluss der SMD-Prüfung, ist für die Kammer nicht zu erkennen.

Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Aufwandspauschale ergibt sich auch nicht aus dem zum 01.01.2016 in § 275 Abs. 1c SGB V eingefügten Satz 4. Nach der vom BVerfG (a.a.O.) bestätigten Auffassung des BSG (z.B. Urteil vom 25.10.2016 – B 1 KR 22/16 R – juris – ) kommt dieser Vorschrift keine Rückwirkung zu. Auf Sachverhalte vor dem 01.01.2016 findet diese Regelung, wonach jede Prüfung der Abrechnung als Prüfung nach § 275 Abs. 1c Satz 1 SGB V anzusehen ist, keine Anwendung.

Da kein Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale besteht, ist auch der hiervon abhängige Zinsanspruch nicht gegeben.

Die Kostentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung, da weder Kläger noch Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören.

Bei dem hier 750,00 EUR nicht übersteigenden Wert des Beschwerdegegenstandes ist die Berufung nach §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG an sich nicht statthaft. Allerdings ist vorliegend nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG die Berufung zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Diese ergibt sich einerseits aus der Tatsache, dass nach Angaben des Klägers in mehreren gleichgelagerten Fällen von der Beklagten die geforderte Zahlung einer Aufwandspauschale abgelehnt wurde, andererseits aus der Tatsache, dass zu der hier streitgegenständlichen Frage nach Kenntnis der Kammer noch keine obergerichtlichen Entscheidungen ergangen sind.
Rechtskraft
Aus
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