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Kreistagssitzung

Enormes Defizit der Neu-Ulmer Kliniken: So kann es nicht weitergehen

Ulm / Lesedauer: 5 min

Das enorme Defizit der Kliniken belastet den Landkreis Neu-Ulm gewaltig und nervt zusehends die Politiker. Der Ton wird deshalb immer gereizter.
Veröffentlicht:25.03.2019, 12:06

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Am besten ließe sich die ganze Debatte mit einem kurzen Satz zusammenfassen: So kann es nicht weitergehen. Das war in leichten Abwandlungen die am häufigsten gebrauchte Wendung in der Kreistagssitzung am Freitag. Es ging um den Haushalt für 2019. Der ist eigentlich üppig bestückt, denn dank der immer noch anhaltenden guten Konjunktur sprudeln die Einnahmen kräftig – wäre da nicht das elende Klinikdefizit, das sich wie eine schwarze Wolke vor die strahlende Sonne schiebt und einfach nicht weichen will.

Bevor der Kreistag das Etatwerk mehrheitlich absegnete, wurde ausgiebig mit der Krankenhausmisere gehadert. Angesichts der hohen Belastung kam schon fast so etwas wie Panik auf: Wie soll das Loch in Zukunft gestopft werden – und wann schrumpft es endlich? Das konnte keiner beantworten. So wurde die Debatte immer gereizter, der Tonfall rauer und die Wortmeldungen ätzender.

Allein von den Einnahmen her steht er Kreis Neu-Ulm hervorragend da, die Wirtschaftskraft ist enorm. Das liegt nicht zuletzt an den gut gefüllten Kassen der Kommunen. Die reichen einen beträchtlichen Teil ihrer Einnahmen über die Kreisumlage weiter. So überweist etwa Senden 27 Prozent seines Gesamthaushalts an das Landratsamt, bei Vöhringen sind es 25, bei Weißenhorn und Illertissen sind es je 23 Prozent. Neu-Ulm führt 22 Prozent ab. Anderswo wird die Kreisumlage dank der guten Finanzsituation gesenkt, in Neu-Ulm bleibt sie unverändert hoch – höher als im schwäbischen und bayerischen Durchschnitt. Andernfalls ließe sich der Haushalt nicht finanzieren, denn allein in diesem Jahr muss der Kreis, der für das Minus der Spitalstiftung geradezustehen hat, knapp 14,57 Millionen Euro als Defizitausgleich aufbringen. Die Zahl setzt sich aus mehreren Teilen zusammen: 6,17 Millionen stammen noch von 2017, aus dem vergangenen Jahr kommen 6,75 Millionen, die allerdings nur das halbe Defizit von 2018 ausmachen, und dann wären da noch 1,65 Millionen zum Ausgleich von nicht zulässigen Transferzahlungen der Kliniken untereinander.

Im Laufe der Debatte wurde diese Art, die Verbindlichkeiten der Krankenhäuser abzustottern, aus den Reihen von Freien Wählern und Grünen kritisiert. Doch Kämmerer Mario Kraft und Landrat Thorsten Freudenberger verteidigten das Vorgehen, das mit der Regierung von Schwaben abgesprochen sei. Das Defizit könne nicht im jeweils anfallenden Jahr abgetragen werden, sonst müssten die Kommunen noch mehr Kreisumlage zahlen.

Der Landrat bemühte sich noch, auch positive Seiten des Etats herauszustellen, etwa, dass keine Darlehen aufgenommen und Schulden getilgt werden, doch die Grundstimmung der Kreisräte blieb düster. Franz Clemens Brechtel ( CSU ) sprach davon, dass sich der Kreis ein Defizit in dieser Höhe auf Dauer nicht leisten könne – und das angesichts einer „wirtschaftlichen Götterdämmerung“, die sich schon am Horizont abzeichne. Ulrich Schäufele (SPD) wies darauf hin, dass anderswo Kreiskliniken ebenfalls defizitär seien, aber da betrage das Minus nur vier Millionen Euro, hier seien es eben neun bis zehn Millionen mehr, die verbrannt würden. Anderswo werde in die Krankenhäuser zweistellige Millionenbeträge investiert, im Kreis Neu-Ulm würden nur Löscher gestopft.

Wir sind mit dem Haushalt in die völlig falsche Richtung unterwegs.

Gerold Noerenberg, Neu-Ulms Oberbürgermeister (CSU)

Von einem „Fass ohne Boden“ sprach Kurt Baiker (FW), das führe dazu, dass der Kreis über seine Verhältnisse lebe: „Das Maßhalten haben wir völlig aus den Augen verloren.“ Dabei werde doch Geld benötigt, um die öffentlichen Bauten zu erhalten, das Lessing-Gymnasium neu zu bauen – „vom Neubau eines Landratsamtes gar nicht zu reden.“ Helmut Meisel (Grüne) kritisierte, der Kreis schiebe einen Berg von Schulden vor sich her. Neu-Ulms Oberbürgermeister Gerold Noerenberg (CSU) fragte sich, warum das Wort Sparen nicht mal mehr in den Mund genommen werde: „Wir sind mit dem Haushalt in die völlig falsche Richtung unterwegs“, und zwar auf dünnem Eis, wie er anmerkte. Er kündigte an, „aus grundsätzlichen Erwägungen“ das Zahlenwerk abzulehnen.

Beim Stichwort Sparen hakte der Landrat irgendwann ein und kritisierte seinerseits, dass im Zuge der Haushaltsdebatten überhaupt keine Sparvorschläge auf den Tisch gekommen seien, die Mitglieder der einzelnen Ausschüsse, in denen jeweils Teilbereiche des Etats besprochen werden, hätten alles abgesegnet. Auf den Vorwurf, es sei in der Klinikkrise zu wenig unternommen worden, wie er etwa von Franz Schmid (Grüne) in den Raum gestellt wurde, reagiert Freudenberger allergisch. Es sei einfach billig, „sich zurückzulehnen und zu sagen, andere hätten es verbockt“. Die eingeleiteten Maßnahmen, das gab Freudenberger zu, hätten eben noch nicht gegriffen. Aber das gehe nicht von heute auf morgen. Grundsätzlich störte sich der Landrat daran, dass regelmäßig schlecht über die Krankenhäuser gesprochen werde, es gebe keinen anderen Klinikträger, der das zulasse. Durch die Diskussionen würden nur Beschäftigte und Patienten verunsichert. Gegen den Vorwurf des Schlechtredens verwahrten sich Baiker und Schäufele , der sagte: „Wir müssen Missstände offen ansprechen.“

Letztenendes stimmte der Kreistag für den Haushalt. Das Dutzend Gegenstimmen kam vor allem von Freien Wählern, zwei Grünen und vom Neu-Ulmer OB.