Neues zur Aufwandspauschale

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Derzeit sind bundesweit vor zahlreichen Sozialgerichten Klage der Krankenkassen und Krankenhäuser um die Zahlung bzw. Erstattung der Aufwandspauschale anhängig.

Das SG Reutlingen hat sich nun in drei Entscheidungen vom 13.02.2019 mit unterschiedlichen Konstellationen der Anwendung des § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V auseinandergesetzt.

Im Urteil vom 13.02.2019 (– S 1 KR 243/18 –) verneinte das Gericht den Anspruch eines Krankenhausträgers auf Zahlung einer Aufwandspauschale, wenn der Krankenhausträger die Einleitung eines Prüfverfahrens auf der 3. Stufe der Prüfung von Krankenhausabrechnungen (vgl. BSG, Urteil vom 16.05.2012 – B 3 KR 14/11 R –) dadurch veranlasst hat, dass er trotz Erinnerung die angeforderte medizinische Begründung zur Überschreitung der voraussichtlichen Dauer der Krankenhausbehandlung nicht abgibt. Die Geltendmachung des Anspruches auf Zahlung einer Aufwandspauschale stehe nach Meinung des Gerichts dann der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben stehe auch bei einer reinen Auffälligkeitsprüfung dem Anspruch des Krankenhauses auf Zahlung einer Aufwandspauschale entgegen, dass die Einleitung eines Prüfverfahrens auf der dritten Stufe durch die Krankenkasse erst dadurch notwendig wurde, dass das Krankenhaus trotz Erinnerung auf die Anforderung zur Abgabe einer medizinischen Begründung zur Überschreitung der voraussichtlichen Dauer der Krankenhausbehandlung nicht reagiert hat. Das BSG hatte dazu bereits im Urteil vom 21.03.2013 (- B 3 KR 28/12 R -) nach Ansicht des Gerichts zu Recht hervorgehoben, dass die gesetzgeberischen Vorstellungen durch Einführung der Regelung des § 275 Abs. 1c SGB V zum 01.04.2007 durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs der gesetzlichen Krankenversicherung durch die Krankenkassen nur erfüllt werden können, wenn sie ihrerseits vom Krankenhaus alle zur Beurteilung des jeweiligen Einzelfalls unerlässlichen Informationen erhalten, um die Prüfung der Krankenhausabrechnungen im Sinne der vom Gesetzgeber angestrebten Bürokratieminderung bereits auf der ersten oder zweiten Stufe und ohne Beauftragung des SMD mit Erhebungen im Krankenhaus auf der dritten Stufe der Sachverhaltserhebung abschließen zu können.

Auch in einem zweiten Verfahren lehnte das SG Reutlingen den Anspruch eines Krankenhausträgers auf Zahlung einer Aufwandspauschale ab, wobei der Anspruch eine im Jahr 2013 durchgeführte sachlich-rechnerische Berichtigung betraf, die erst im Jahr 2017 geltend gemacht wurde. Anders als beim Anspruch einer Krankenkassen auf Erstattung einer bereits gezahlten Aufwandspauschale finden nach dem SG Reutlingen auf diesen Anspruch weder das Rückwirkungsverbot noch der Grundsatz von Treu und Glauben bei einer erst im Jahr 2017 geltend gemachten Aufwandspauschale nach erfolglos gebliebener sachlich-rechnerischer Prüfung einer im Jahr 2013 erfolgten Krankenhausbehandlung Anwendung. Die „neue“ Rechtsprechung des BSG mit Urteil vom 01.07.2014 (- B 1 KR 29/13 R -), die das Gericht in der Entscheidung noch einmal kritisch beleuchtet, greift danach nicht nachträglich in bereits abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände ein. Es besteht daher auch kein Vertrauensschutz dahingehend, dass auch im Jahr 2017 noch die Zahlung einer Aufwandspauschale aufgrund einer erfolglos gebliebenen sachlich-rechnerischen Prüfung der im Jahr 2013 erfolgten stationären Krankenhausbehandlung verlangt werde könne (vgl. SG Reutlingen, Urteil vom 13.02.2019 – S 1 KR 3133/17 –).

Dagegen hat das SG Reutlingen in einer dritten Entscheidung vom 13.02.2019 (– S 1 KR 3118/17 –) den Anspruch eines Krankenhausträgers nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V bejaht. Der Entscheidung lag die Problematik zugrunde, dass eine Krankenkasse bereits vor Eingang der Abrechnung des Krankenhauses von ihr unter Einschaltung des MDK eine Auffälligkeitsprüfung eingeleitet hatte, welche die Richtigkeit der späteren Abrechnung letztendlich bestätigt hatte. Nach dem SG Reutlingen widerspricht es dem nach den Grundsätzen von Treu und Glauben zwischen Krankenhausträger und Krankenkasse bestehenden Gebot zur gegenseitigen Rücksichtnahme, einerseits ein Prüfverfahren vor Rechnungseingang einzuleiten und beim Krankenhausträger durch den MDK Unterlagen anzufordern, andererseits dann aber die Zahlung einer Aufwandspauschale unter Hinweis auf die noch nicht vorliegende Abrechnung zu verweigern, wenn nach Übersendung der angeforderten Unterlagen die Prüfung die Rechtmäßigkeit der vom Krankenhaus vorgenommenen Abrechnung bestätigt. Das Verhalten der Krankenkasse, in einem solchen Fall die Zahlung der Aufwandspauschale abzulehnen, stellt sich nach Ansicht des Gerichts als rechtsmissbräuchlich dar.

Die Entscheidungen zeigen wie vielfältig die mit der Aufwandspauschale verbundenen Probleme und Fallkonstellationen sind und wie – mit Hilfe des BSG – die ursprüngliche Absicht des Gesetzgebers, die Anzahl der sozialgerichtlichen Verfahren zu verringern, konterkariert worden ist. Über den Sinn und Unsinn der Aufwandspauschale kann sicherlich viel gestritten werden, wobei der Streit durch die jüngsten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit noch befeuert wird. Die vorliegenden Urteile zeigen deutlich die begrüßenswerte Tendenz der Gerichte „Altfälle“ vor den unsäglichen Entscheidungen des BSG zur Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit weder unter dem Aspekt der Erstattungsansprüche der Krankenkassen noch der nachträglich begründeten Ansprüche der Krankenhäuser wieder „aufzumachen“. Ferner zeigen die Entscheidungen, dass die Berücksichtigung der ursprünglichen Ziele des Gesetzgebers über die „rechtliche Operationalisierung des Gebotes der Rücksichtnahme“ auch zu vernünftigen Ergebnisse führen kann. Die Anwendung der dargestellten Grundsätze der Entscheidungen des SG Reutlingen ist den Akteuren zur Vermeidung unnützer Verfahren über die Ansprüche nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V dringend zu empfehlen.

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