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Klinikum Minden: Imageprobleme seit der Entstehung

Die Mühlenkreiskliniken stehen kurz nach dem Protest gegen ihre Umstrukturierungspläne wegen Vorwürfen aus der Belegschaft erneut in der Kritik. Bereits der Bau des Klinikums wird von Streit begleitet.

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Da waren sie noch ein Trio: 2008 wurden die Patienten aus den Mindener Kliniken in das neue Johannes-Wesling-Klinikum verlegt. Dabei packten Landrat Ralf Niermann (v. l.), der damalige Kreisbaudezernent Jürgen Striet und der Ex-Klinikchef Gerald Oestreich an. Oestreich wurde kurz darauf gefeuert. Striet geriet wegen Nebeneinkünften in die Kritik und Niermann weigerte sich, zur Höhe dieser Einkünfte Auskunft zu geben. Diese Zeitung klagte deswegen und Niermann musste sich zur Höhe der Nebeneinkünfte äußern. | © Joern Spreen-Ledebur

Da waren sie noch ein Trio: 2008 wurden die Patienten aus den Mindener Kliniken in das neue Johannes-Wesling-Klinikum verlegt. Dabei packten Landrat Ralf Niermann (v. l.), der damalige Kreisbaudezernent Jürgen Striet und der Ex-Klinikchef Gerald Oestreich an. Oestreich wurde kurz darauf gefeuert. Striet geriet wegen Nebeneinkünften in die Kritik und Niermann weigerte sich, zur Höhe dieser Einkünfte Auskunft zu geben. Diese Zeitung klagte deswegen und Niermann musste sich zur Höhe der Nebeneinkünfte äußern. | © Joern Spreen-Ledebur

06.04.2019 | 06.04.2019, 08:34

Minden. Mit der fristlosen Entlassung von Chefarzt Johannes Zeichen und den Diskriminierungsvorwürfen diverserer Mitarbeiter stehen die Mühlenkreiskliniken (MKK) erneut in der Kritik. Und das nur wenige Monate nach dem Ärger um das zurückgezogene Medizinkonzept und der Entlassung von Medizinvorstand Kristin Drechsler. Die damaligen Fehler in der Unternehmenskommunikation wiederholen sich nun im Umgang mit den neuen Problemen. Dass das viele nicht überrascht, zeigt ein Blick in die Entstehungsgeschichte des Klinikverbunds, denn Streit und Vorwürfe begleiteten bereits die Entstehung des Johannes-Wesling-Klinikums Minden.

Schon die Standortfrage führte zu Querelen

Ende des vorigen Jahrtausends stellte sich im Zweckverband „Kliniken im Mühlenkreis" die Frage, ob angesichts des Sanierungsbedarfs in den alten Mindener Klinik-Standorten im Bestand saniert werden oder ein Neubau den Standort sichern soll. Die Entscheidung fiel zugunsten eines Neubaus – einstimmig im Kreistag, im Rat der Stadt Minden und in der Zweckverbandsversammlung. Eine Sanierung hätte nach damaliger Schätzung 134 Millionen Mark (69 Millionen Euro) gekostet, aber keine strukturellen Verbesserungen gebracht.

Die Frage des Standorts führte kurz darauf zu ersten Querelen zwischen der Stadt Minden und dem Kreis Minden-Lübbecke. Die Stadt mit dem damaligen CDU-Bürgermeister Reinhard Korte und seinem Stadtplaner Peter Düster hätten gern das Areal der früheren Mudra-Kaserne genutzt. Ein an dieser Stelle geplantes Projekt zur Expo 2000 hatte sich zerschlagen, das Gelände lag brach. Der Kreis mit CDU-Landrat Wilhelm Krömer und Baudezernent Jürgen Striet lehnten das Gelände wegen der geringeren Fläche jedoch ab. So sah das auch der damalige Klinikchef Gerald Oestreich. So stimmte eine Mehrheit für einen Klinikneubau auf der damals noch grünen Wiese unweit des Porta-Einkaufszentrums im Mindener Stadtteil Häverstädt.

Streit um Finanzierung

Danach folgte Streit um die Finanzierung. Im Jahr 2001 war geplant, dass Stadt und Kreis 100 Millionen Mark an Eigenmitteln beisteuern. Der Kreis sollte 75 Millionen Mark geben, die Stadt Minden 25 Millionen Mark. Im Herbst 2001 bat der Mindener Bürgermeister Korte mit Hinweis auf die desolate Finanzlage der Stadt darum, den Anteil auf fünf Millionen Mark zu reduzieren. Der Kreis stockte auf.

Dass diese finanzielle Regelung ein Kuhhandel war, mit dem der Stadt Minden der ungeliebte Standort Häverstädt schmackhaft gemacht werden sollte, damit sie als Baugenehmigungsbehörde keine Probleme macht, wies Korte von sich. Hinter vorgehaltener Hand wollten auch damalige Kreistagsmitglieder den Kuhhandel nicht bestätigen – aber auch nicht dementieren. Der Rabatt für die Stadt Minden sorgte bei den anderen Kommunen im Kreis Minden-Lübbecke für Unmut.

Der Bau des neuen Klinikums lief dann auch noch finanziell aus dem Ruder. Ein Prüfbericht aus dem Jahr 2011 kam zu dem Ergebnis, dass die Baukosten um 45 Prozent höher lagen als im Jahr 2002 veranschlagt. Während 2002 noch von 210 Millionen Euro Baukosten die Rede war, kostete das neue Gebäude letztlich rund 280 Millionen Euro. Sowohl der damalige Landrat Krömer, Projektleiter Jürgen Striet und Uwe Bauer als damaliger Vorsitzender der Verbandsversammlung sahen dafür jedoch kein Verschulden beim Kreis.

Kostenexplosion beim Neubau

Die Kostenexplosion beim Neubau brachte die MKK in schwere See. Der erwogene Neubau des Krankenhauses Rahden wurde aus finanziellen Gründen abgeblasen; dort gab es eine Sanierung im Bestand. Während der Bauphase des Klinikums Minden erhob die Gewerkschaft IG Bau zudem Vorwürfe des Lohndumpings gegen den Kreis. Der konterte mit einem Hausverbot für Gewerkschafter Bodo Matthey. Es folgten Klagen und Klageandrohungen.

Heftiger Streit begleitete auch das vor wenigen Monaten präsentierte Medizinkonzept der MKK. Das Konzept sah unter anderem vor, die Geburtshilfe im Krankenhaus Lübbecke und das Krankenhaus Rahden mit seinen beiden Abteilungen Chirurgie und Innere Medizin zu schließen, um das Krankenhaus in eine psychosomatische Fachklinik umzuwandeln. Die begleitende Unternehmenskommunikation endete in einem Desaster: Das Konzept wurde aufgrund des massiven Widerstands der Bevölkerung umgehend wieder kassiert und Medizinvorstand Kristin Drechsler kurz darauf gefeuert.

Aktuell kämpfen die MKK erneut um ihr Image. Die Vorwürfe von zwei Mitarbeitern des Johannes-Wesling-Klinikums gegen einen Arzt, der sich weigert mit Frauen zusammenzuarbeiten, erhärten sich nach einem eilig organisierten Pressetermin für Journalisten. Eine OP-Besichtigung soll laut Pflegedienstleiter Bernd Mühlenbruch „mit größtmöglicher Transparenz deutlich machen, dass das Klinikum Diskriminierung nicht duldet". Doch die vermeintliche Transparenzoffensive stößt vielen Mitarbeitern böse auf und veranlasst sie dazu, weitere Missstände öffentlich zu machen.

Entlassung des Chefarztes hat Folgen

Zeitgleich kämpfen die MKK im Zusammenhang mit der Entlassung von Chefarzt Johannes Zeichen gegen Kritik und finanzielle Folgen. Nach der Entlassung hat die Berufsgenossenschaft dem Johannes-Wesling-Klinikum die Zulassung zum Schwerstverletzungsartenverfahren entzogen.

Wenn sich Menschen bei Arbeitsunfällen oder Verkehrsunfällen auf dem Weg zur oder von der Arbeit schwer verletzen, leistet das Klinikum zwar noch die Erstversorgung, aber anschließend müssen die Patienten in andere Kliniken verlegt werden. Zudem scheint der Rückhalt für die Geschäftsführung in der Belegschaft zu bröckeln: Mehrere Chefärzte des Klinikums stellen sich in einem Solidaritätsschreiben hinter ihren gefeuerten Kollegen Johannes Zeichen.

Information


Klinikum Minden fehlt der Ärztlicher Direktor

Das Johannes-Wesling-Klinikum hat derzeit keinen Ärztlichen Direktor. Wolf-Dieter Reinbold hatte das Amt im März niedergelegt, ein Nachfolger ist vom Vorstand aber noch nicht bestellt worden. Nach Informationen dieser Zeitung ist das womöglich kein Zufall. Die Chefärzte haben bereits einen Nachfolger gewählt, der Vorstand zögert aber, weil dieser Mitunterzeichner des Solidaritätsschreibens für den gefeuerten Johannes Zeichen sei.

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