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Personalmangel

Macht die Unimedizin Greifswald das Kreiskrankenhaus Wolgast platt?

Der neue Vorstand der Bürgerinitiative für den Erhalt des Kreiskrankenhauses Wolgast: Rosemarie Thiele, Anke Kieser, Harald Hess und Dr. Brigitte Knappik (v.l.).

Der neue Vorstand der Bürgerinitiative für den Erhalt des Kreiskrankenhauses Wolgast: Rosemarie Thiele, Anke Kieser, Harald Hess und Dr. Brigitte Knappik (v.l.).

Wolgast. „Hier macht gerade ein Landeskrankenhaus ein Regionalkrankenhaus platt! Es vergeht kein Monat, in der nicht Ärzte entlassen werden. Die Personaldecke wird immer dünner. Ab diesem Jahr kann das Krankenhaus in Wolgast nur noch die Grundversorgung absichern und die Politik schaut tatenlos zu.“ Harte Worte, die Anke Kieser, alte und neue Vorsitzende der Bürgerinitiative für den Erhalt des Kreiskrankenhauses Wolgast (BI), auf der Mitgliederversammlung vorbringt. Doch sie künden davon, dass sich die BI wieder auf ihre Stärke besinnen und die Menschen in der Region wachrütteln und zum Kampf fürs Krankenhaus motivieren will. „Es muss gelingen, dass der Landkreis Gesellschafteranteile zurückkaufen kann, wieder mehr Mitspracherecht bei der Entwicklung des Krankenhauses bekommt und wir von der Landespolitik wahrgenommen werden“, so Kieser.

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Aus diesem Grund hat sich die BI kurzentschlossen mit einem offenen Brief an den heute beratenden Kreistag von Vorpommern-Greifswald gewandt, wo nach einem Prüfauftrag des Sozialausschusses die weitere Verfahrensweise mit dem Kreiskrankenhaus Wolgast, das vor Jahren von der Greifswalder Unimedizin übernommen wurde, auf der Tagesordnung steht. „Wir haben mehrfach schon versucht, mit den Fraktionen des Kreistages ins Gespräch zu kommen. Das ist uns nicht gelungen. Wir hätten hartnäckiger sein müssen“, sagt die Vorsitzende.

26 Ärzte verließen Krankenhaus innerhalb zwei Jahren

Doch nun sei Gefahr im Verzug, denn der Kaufmännische Vorstand in Greifswald agiere nach Gutsherrenart: Wer nicht nach dessen Pfeife tanze oder gar Kritik übe, müsse laut Kieser gehen. Die Bürgerinitiative fordert daher den Kreistag auf zu handeln und dafür zu sorgen, dass der Kreis endlich mehr Gesellschafteranteile erhalte und damit mehr Mitspracherecht. Auch mit dem Thema eines Trägerwechsels müssten sich die Kreistagsmitglieder befassen, fordert die BI.

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Kieser sowie ihre Stellvertreterin Dr. Brigitte Knappik belegen in dem offenen Brief die erhobenen Vorwürfe mit Fakten: Im ärztlichen Bereich haben in den zurückliegenden zwei Jahren 26 Ärzte das Krankenhaus verlassen. Der Personalabbau allein im vergangenen Jahr betrug im ärztlichen Bereich 50 und im Pflegebereich 40 Prozent. Es gebe momentan noch 19 fest angestellte Ärzte und sechs Honorärzte. Im Pflegebereich sehe es genauso dramatisch aus. Es seien noch an die 100 Pflegekräfte im Krankenhaus beschäftigt. „Das Krankenhaus ist aber mit 155 Betten im Krankenhausplan des Landes enthalten. Hier muss die Frage erlaubt sein: Kann man mit 25 Ärzten und 100 Pflegekräften tatsächlich 155 Betten betreuen? Wie wird damit die gesetzlich vorgeschriebene Arbeitszeit eingehalten? Ist die Regelversorgung mit dieser Situation noch zu gewährleisten?“, fragen Kieser und Knappik.

So sei im Februar dem Chefarzt Innere Medizin fristlos gekündigt worden. Inzwischen wurden auf der Inneren Station 20 Betten gesperrt, weitere 20 Betten wurden mit geriatrischen Patienten belegt. Aus Gesprächen mit Ärzten wisse man, dass derzeit auf der Inneren lediglich noch ein angestellter Arzt tätig sei, der aber noch keine Approbation besitze. Die Versorgung der Patienten erfolge mit Hilfe von Honorarärzten. „Hier steht nicht nur die Regelversorgung in Frage, hier ist die Grundversorgung gefährdet“, sagt Knappik, von Hause aus selbst Ärztin. Vor wenigen Tagen bekam zudem der Facharzt für Unfallchirurgie die fristlose Kündigung. „Nun gibt es in Wolgast keinen Chirurgen mehr, der die Zulassung der Berufsgenossenschaft besitzt. D-Arzt-Sprechstunden können nicht mehr durchgeführt werden. Da er auch der Einzige mit einer Weiterbildungsermächtigung war, können seit 1. April keine Assistenzärzte mehr in Wolgast ausgebildet werden“, erklärt Anke Kieser. Außerdem war der Unfallchirurg auch Traumatologe. Diese Facharztausbildung sei notwendig für das Alterstraumatische Zentrum in Wolgast. Ohne Traumatologen können dort erbrachte Leistungen nicht mehr abgerechnet werden.

Keine Informationen an den Landrat

Die alarmierende Entwicklung sei ein deutliches Zeichen hin zu einem Portalkrankenhaus mit ein bisschen Notfall- und Innerer Medizin und der angestrebten Fachklinik für Geriatrie mit Pflegeheim. Eine medizinische Versorgung der Bevölkerung von Wolgast und Umgebung mit der Insel Usedom und vor allem der vielen Touristen im Sommer ist für die BI-Mitglieder damit nicht mehr gewährleistet. Alarmierend sei auch die Anweisung der Unimedizin Greifswald, dass Landrat Michael Sack (CDU) keine Auskünfte von der Geschäftsführung vor Ort in Wolgast mehr erhalten soll. Dass in diesem Zusammenhang die Krankenhaus-Geschäftsführer sowie der Personalratschef im OZ-Gespräch vergangene Woche von zurückgehender Fluktuation in Wolgast sprechen, sei nicht nur ihnen, sondern auch vielen Mitarbeitern völlig unverständlich. „Es herrschen Angst und Frustration“, bestätigten Beschäftigte des Krankenhauses während der Mitgliederversammlung.

Glawe spricht von „Geblubbere“ und „Hirngespinsten“

Das Land in Persona des Gesundheitsministers Harry Glawe (CDU) stelle sich blind, meint die Vorsitzende. Im Wirtschaftsausschuss des Landes habe Glawe geäußert, dass in Wolgast von der BI nur „Geblubbere“ käme. Die Äußerungen seien „Hirngespinste“ und „die Montagsdemos vor dem Krankenhaus von einer Handvoll alter Leute“ nicht ernst zu nehmen, berichtete Ralph Weber, der als Landtagsmitglied der AfD dem Gremium angehört.

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„Die Politik wird sich daran gewöhnen müssen, dass die BI wieder weht tut“, so die Vorsitzende. Heute werde man beim Kreistag Flagge zeigen. Aufgelistet wurden die Missstände im Krankenhaus auch noch in einem zweiten offenen Brief an die Ärztekammer MV, die Krankenhausgesellschaft MV und den Gesundheitsminister. Die Montagsdemos werden weitergehen. Um mehr Unterstützung im Kampf für das Krankenhaus zu bekommen, suche man das Gespräch mit der Bevölkerung und Geschäftsinhabern in Wolgast und auf Usedom.

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Cornelia Meerkatz

OZ

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