S 5 KR 30/17

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Gießen (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 5 KR 30/17
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 275/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.760,41 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 24.11.2016 zu zahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Der Streitwert wird auf 5.760,41 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Im Streit steht die Zahlung von Krankenhausbehandlungskosten in Höhe von 5.760,41 Euro.

Der bei der Beklagten versicherte Patient E. E. wurde zunächst am 01.07.2015 im Zeitraum vom 11:00 Uhr bis 13:35 Uhr im Capio Matilden-Hospital in Büdingen behandelt und anschließend zur Behandlung bis zum 06.07.2015 in das Krankenhaus der Klägerin verlegt.

Die Klägerin stellte die Kosten der Behandlung in Höhe von 29.646,73 Euro der Beklagten mit Datum vom 10.08.2015 in Rechnung.

Die Beklagte akzeptierte die Abrechnung nicht und bestand auf Rechnungskorrektur mit UGVD-Abschlägen, da seitens der Klägerin eine Verlegungs-Fallpauschale abgerechnet worden sei und die Behandlungsdauer im verlegenden Krankenhaus weniger als 24 Stunden betragen habe.

Mit Schreiben vom 29.09.2016 teilte die Klägerin mit, dass ein Abschlag nicht vorgenommen werde. Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 FPV seien die Regelungen zur unteren Grenzverweildauer für Verlegungsfallpauschalen beim verlegenden Krankenhaus anzuwenden. § 3 FPV 2015 finde nach § 1 Abs. 1 Satz 3 nicht auf Fallpauschalen Anwendung, die im Fallpauschalenkatalog als Verlegungsfallpauschale gekennzeichnet seien.

Die Beklagte teilte mit Schreiben vom 14.10.2016 mit, dass es sich bei der in Rechnungstellung der DRG A13D um eine im Fallpauschalenkatalog gekennzeichnete Verlegungsfallpauschale handele. Die untere Grenzdauer dieser DRG sei nicht erreicht worden. Nach § 1 Abs. 3 FPV 2015 seien deshalb die entsprechenden Abschläge zu berücksichtigen. Fallpauschalen, die im Fallpauschalen-Katalog als VFP gekennzeichnet seien, würden bei Unterschreitung der MVD nicht um die Verlegungsabschläge gekürzt. Werde jedoch in einem verlegenden Krankenhaus eine Verlegungspauschale abgerechnet und werde die UGVD nicht erreicht, so sei diese entsprechend um einen Abschlag wegen Nichterreichens der UGVD zu kürzen (§ 1 Abs. 1 Satz 3 iVm § 1 Abs. 3 Satz 2 FPV 2015). Beim aufnehmenden Krankenhaus kämen Abschläge wegen Nichterreichens der UGVD nur in Betracht, wenn die Behandlung im verlegenden Krankenhaus nicht länger als 24 Stunden dauere. Die stationäre Behandlung im Capio-Matilden Hospital habe nicht mehr als 24 Stunden betragen. Die Beklagte zahlte mit Datum vom 22.11.2016 einen Betrag in Höhe von 23.886,32 Euro an die Klägerin.

Am 17.01.2017 hat die Klägerin Klage erhoben. Ergänzend führt sie aus, dass auch ein Abschlag von der Fallpauschale wegen Unterschreitung der UGVD nach § 1 Abs. 3 Satz 1 FPV 2015 ausscheide, da dem Aufenthalt bei der Klägerin eine Verlegung voraus ging. Auch die Anwendung des § 1 Abs. 3 Satz 2 FPV 2015 scheide aus, da die Vorschrift nach dem eindeutigen Wortlaut nur auf die Abrechnung des verlegenden Krankenhaus Anwendung finde. Die Klägerin beruft sich auf den Gerichtsbescheid des SG Wiesbaden vom 06.06.2013 (Az: S 18 KR 163/12) und das Urteil des SG Gießen vom 21.09.2016 (Az: S 9 KR 329/15).

Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 5.760,41 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 24.11.2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass vorliegend eine Ausnahme greife, da die Verlegung innerhalb von 24 Stunden erfolgte. Beim aufnehmenden Krankenhaus werde dieser Fall gemäß § 3 Abs. 2 FPV 2015 nicht als Verlegungsfall betrachtet, sondern wie eine Erstaufnahme behandelt. Zudem übersehe die Klägerin, dass nach den Regelungen des § 3 Abs. 2 FPV 2015 eine Minderung wegen Unterschreitung der unteren Grenzverweildauer vorgenommen worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, die jeweils Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung von 5.760,41 Euro.

Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes bei der Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus und bei Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) (vgl. ständige Rechtsprechung des BSG, u.a. BSG SozR 4-2500 § 109 Nr. 19 Rn. 11 m.w.N.). Maßgebend für die Krankenhausvergütung sind die vertraglich vereinbarten Fallpauschalen (vgl. BSG, SozR 4-5560 § 17 b Nr. 2 Rn. 14 ff.).

Die Beklagte hat an die Klägerin Behandlungskosten in Höhe von 5.760,41 Euro nicht gezahlt.

Der Versicherte wurde bei der Klägerin am 01.07.2015 stationär aufgenommen.

Die Klägerin hat der Beklagten zu Recht einen Gesamtbetrag in Höhe von 29.646,73 Euro in Rechnung gestellt, denn es ist kein Abschlag wegen Nichterreichens der unteren Grenzverweildauer vorzunehmen.

Grundlage für die Abrechnung von Fallpauschalen ist die Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2015 (Fallpauschalenvereinbarung 2015 – FPV 2015).

Der Versicherte wurde am 01.07.2015 im Capio-Matilden-Hospital aufgenommen und am 01.07.2015 um 13:35 Uhr in die A-Klinik verlegt. Zwischen der Entlassung aus dem Capio-Matilden-Hospital und der Aufnahme bei der Klägerin liegen somit keine 24 Stunden, so dass eine Verlegung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 FPV 2015 vorliegt.

Die Klägerin hat vorliegend unstreitig eine Verlegungsfallpauschale, nämlich die Fallpauschale A13D, abgerechnet. § 1 Abs. 1 Satz 3 2. Halbsatz sieht für diese vor, dass keine Minderung nach Maßgabe des § 3 erfolgt. § 3 Abs. 2 FPV 2015, auf dem sich die Beklagte beruft, ist nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm nicht anwendbar.

Zwar unterliegen die FPV-Abrechnungsbestimmungen grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft. Gleichwohl sind die Abrechnungsbestimmungen wegen der Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestands innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen (vgl. BSG, SozR 4-2500 Nr. 19 Rn. 17 m.w.N.). Das DRG-basierte Vergütungssystem ist vom Gesetzgeber als jährlich weiterzuentwickelndes und damit "lernendes" System angelegt. Zutage tretende Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen haben in erster Linie die Vertragsparteien für die Zukunft zu beseitigen (vgl. u.a. BSGE 107, 140 Rn. 18).

Zudem kommt ein Abschlag nach § 1 Abs. 3 Satz 1 FPV 2015 nicht in Betracht, da diese Regelung nach ihrem klaren Wortlaut lediglich auf Abrechnungen von nicht verlegten Patienten anwendbar ist. Vorliegend wurde der Versicherte jedoch verlegt. Ein Abschlag nach § 1 Abs. 3 Satz 2 FPV 2015 scheidet ebenfalls aus, da die Vorschrift nach ihrem Wortlaut auf Abrechnungen des verlegenden Krankenhaus anwendbar ist.

Da folglich kein Abschlag von den Kosten der stationären Krankenhausbehandlung wegen Nichterreichens der unteren Verweildauer vorzunehmen ist, ist die Klage begründet.

Der Zinsanspruch beruht auf § 288 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V und § 10 des zwischen der Hessischen Krankenhausgesellschaft und der Beklagten geschlossenen Vertrags über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Streitwertbestimmung beruht auf § 52 Abs. 3 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG).
Rechtskraft
Aus
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