Ohne die Zeppelin-Stiftung hätte der kommunale Klinikverbund mit seinen drei Krankenhäusern in Friedrichshafen, Tettnang und Weingarten wohl keine Zukunft. Doch auch mit dem Segen des Häfler Gemeinderats und dem Geld der Stiftung bleibt vorerst ein großes Fragezeichen stehen. Denn die Summen, um die es geht, sind gewaltig.

38 Millionen Euro für Anlaufverluste, Investitionen, Instandhaltung und Betriebskostenzuschüsse

Wie hoch der Finanzbedarf ist, zeigte sich Ende Oktober 2018. Insgesamt 38 Millionen Euro gab der Gemeinderat für den MCB frei – für Anlaufverluste, Investitionen, Instandhaltung und Betriebskostenzuschüsse. Zum Vergleich: 38 Millionen Euro kostet das neue Sportbad, die teuerste Einzelinvestition der Stadt bisher. Mit den Beschlüssen sei der Klinikverbund „von Lasten zu befreien, die er in der Vergangenheit selbst getragen hat“, stand in der Ratsvorlage.

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Auf das dringend benötigte Geld musste der MCB aber lange warten. Bereits kurz vor Weihnachten 2017 wurde der Gemeinderat hinter verschlossenen Türen über die schwierige Finanzlage des Klinikverbunds informiert. Bis dahin hatten sich allein die Anlaufverluste der MCB-Gründung auf 15,5 Millionen Euro summiert. Vor allem das 14-Nothelfer-Krankenhaus in Weingarten erwies sich als unwirtschaftlicher Betrieb, der allein knapp 9,5 Millionen Euro an Verlusten einfuhr. Nur etwa die Hälfte davon war einkalkuliert und über Zuschüsse gedeckt.

Das Krankenhaus "14 Nothelfer" in Weingarten. (Archivbild)
Das Krankenhaus "14 Nothelfer" in Weingarten. (Archivbild) | Bild: Frank Enderle

Medizin-Campus Bodensee wartet lange auf Hilfe

Im April 2018 lag dem Aufsichtsrat mit den Wirtschaftsplänen die Information vor, dass auch für das laufende Jahr ein Finanzloch von 5,4 Millionen Euro klafft. Daraufhin beantragte die MCB-Geschäftsleitung im Mai 2018 finanzielle Hilfe bei der Stadt. Doch es dauerte noch einmal fünf Monate, bis das Finanzpaket im Gemeinderat zum Beschluss stand.

Klinikverbunds-Geschäftsführer Jochen Wolf: "Die Liquidität war zu keiner Zeit gefährdet"

In Konstanz beschloss der Kreistag binnen vier Wochen, dem Klinikum mit einem Notdarlehen von fünf Millionen Euro zu helfen, als die Zahlungsfähigkeit wegen enormer Nachforderungen der Krankenkassen in Gefahr war. "Die Liquidität des MCB war zu keiner Zeit gefährdet", erklärt MCB-Geschäftsführer Jochen Wolf auf Anfrage dieser Zeitung. Die Stadt erklärt, sie habe dem MCB eine höhere Kreditlinie gewährt und die Geschäftsführung – damals noch unter dem langjährigen Klinikchef Johannes Weindel – beauftragt, "weitere Ergebnispotenziale zu ermitteln". Was so viel heißt wie: Ihr müsst sparen.

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Diese Devise gilt mehr denn je. Das Häfler Klinikum kam bis 2016 über zehn Jahre ohne Betriebskostenzuschüsse aus, schrieb immer schwarze Zahlen. Im Verbund mit den Krankenhäusern Weingarten und Tettnang geht es ohne Unterstützung der Stadt nicht mehr. Für 2018 genehmigte der Rat 4,4 Millionen Euro, für dieses Jahr 4,2 Millionen Euro. "Das klare Ziel ist die Stabilisierung der Kliniken des MCB und die Umsetzung von ergebnisverbessernden Potenzialen, um auf dauerhafte Betriebskostenzuschüsse verzichten zu können", antwortet die Stadt auf die Frage, wie es weiter gehen soll.

Berater analysieren das Geschäftsmodell des Klinikverbunds

Vorschläge, wo und wie gespart werden kann, erhofft sich die Stadt von externen Unternehmensberatern, die beauftragt sind, das Geschäftsmodell Medizin-Campus Bodensee zu analysieren und gegebenenfalls neu zu definieren. "Da gibt es kein Denkverbot für nichts", verrät ein Mitglied des Aufsichtsratsrates, das inkognito bleiben will. Über ein vorläufiges Ergebnis soll der Finanz- und Verwaltungsausschuss des Gemeinderats nicht-öffentlich informiert worden sein. Tenor: Ändern muss sich was, sonst drohe Jahr für Jahr ein enormer Zuschussbedarf.

Im Fokus steht dem Vernehmen nach vor allem das MCB-Krankenhaus in Weingarten, das 2017 mit einem Fehlbetrag von knapp 3 Millionen Euro abgeschlossen hat, doppelt so viel wie 2016. Fünf Jahre Bestandsschutz gab es für das "14 Nothelfer" vom neuen Hauptgesellschafter, der Klinikum Friedrichshafen GmbH. Die sind 2018 abgelaufen.

Das Klinikum Friedrichshafen, Haupthaus des Medizin-Campus Bodensee.
Das Klinikum Friedrichshafen, Haupthaus des Medizin-Campus Bodensee. | Bild: Katy Cuko

Eine Aufgabe, die der Landkreis zu erfüllen hätte?

Wohin die Reise geht, ließ Oberbürgermeister Andreas Brand, der Aufsichtsratsvorsitzender der Klinikum GmbH ist, bei der Einwohnerversammlung im März durchblicken. Von einer möglichen "Änderung der medizinischen Strategie" war die Rede und ob man an drei Standorten drei Mal Personal für die gleiche Leistung brauche. Da gebe es schon Überlegungen, sagte Brand. Und: Falls es eng werde, "ist mir der Häfler Standort als OB natürlich der nächste". Schließlich erfülle die Stadt freiwillig eine Aufgabe, die eigentlich der Bodenseekreis zu leisten hätte. Ohne die Zeppelin-Stiftung "würde ich die Rechnung in die Albrechtstraße schicken" (siehe unten).

Logistikzentrum muss warten

Vor diesem Hintergrund wird klar, warum die Stadt die Entscheidung hin und her wälzte, ob man das zentrale Logistikzentrum auf dem Klinikgelände in Friedrichshafen nun baut oder doch nicht. Bereits im Januar 2016 sagte das Land die Förderung zu. Da waren die Kosten noch mit 21,4 Millionen Euro angesetzt. Ursprünglich sollte das Logistikzentrum 2019 in Betrieb gehen, doch erst im April 2018 gab der Klinikum-Aufsichtsrat grünes Licht, im Oktober der Gemeinderat. Inzwischen sind 28 Millionen Euro für den Neubau veranschlagt, der Apotheke, Küche und Verwaltung des MCB räumlich vereint, aber auch dringend benötigten Platz für Patienten im Haupthaus des Häfler Klinikums schafft.

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Finanziell wird auch dieses Projekt für den MCB ein Kraftakt. 12 Millionen Euro zahlt das Land, 9,3 Millionen Euro übernimmt die Zeppelin-Stiftung. Bleibt eine Finanzlücke von knapp 6,7 Millionen Euro, die die Stadt nur mit einer Ausfallbürgschaft von knapp 5,4 Millionen Euro stopfen darf. Den Rest muss das Klinikum per Kredit finanzieren – wohl nicht zu Top-Konditionen. Im Mai 2018 hatte Jochen Wolf in einem Schreiben ans Rathaus eindringlich formuliert, dass „die Aufnahme eines Darlehens ausschließlich mit Hilfe einer Kommunalbürgschaft der Stadt Friedrichshafen möglich sein wird“.

Den Landkreis ins Boot holen?

Die wirtschaftliche Situation der Krankenhäuser in Friedrichshafen, Tettnang und Weingarten stellt sich unterschiedlich dar. Über Absprachen in der Vergangenheit und Aufgaben in der Zukunft.

  • War die MCB-Gründung mit dem heutigen Wissen um Kosten, Risiken und Verluste die richtige Strategie für die Klinikum Friedrichshafen GmbH? "Die Entscheidung zur Gründung des Klinikverbundes war richtig", sagt Klinikum-Geschäftsführer Jochen Wolf. In dieser Diskussion werde immer wieder vernachlässigt, dass auch das Klinikum Friedrichshafen als solitäres Haus auf Dauer nicht wirtschaftlich zu betreiben gewesen wäre. Außerdem hätte das Leistungsangebot eingeschränkt werden müssen, weil der Gesetzgeber beispielsweise Mindestmengen bei Operationen vorgibt. Nur in einem starken Verbund könnten die MCB-Häuser wirtschaftlich betrieben werden. Durch Vorgaben der Politik müssten jedoch die Strukturen und das medizinische Leistungsangebot überdacht werden.
  • Trägt das Klinikum Friedrichshafen die Altschulden der Krankenhäuser in Weingarten und Tettnang mit? Die Stadt Weingarten hatte 2013 das hoch defizitäre "14 Nothelfer" an das Klinikum Friedrichshafen verkauft. Die bis dahin aufgelaufenen Schulden von knapp 18 Millionen Euro glich die Stadt Weingarten aber aus. Zeitgleich verhandelte Friedrichshafen bereits zwecks Übernahme der Klinik Tettnang, was erst 2015 unter Dach und Fach war. Hier musste das Klinikum Friedrichshafen als neuer Hauptgesellschafter allerdings die Schulden im Wesentlichen mit übernehmen, bestätigt die MCB-Geschäftsleitung. "Die vorhandenen Kredite wurden nicht abgelöst, sondern sind in der Klinik Tettnang GmbH verblieben", heißt es vom MCB. Die müssen wie Bankdarlehen getilgt werden. Laut Bilanz 2015 summierten sich diese Verbindlichkeiten bei der Übernahme der Klinik Tettnang GmbH auf 17,6 Millionen Euro. Allein 12 Millionen Euro davon hatten die Waldburg-Zeil-Kliniken (WZK) als vorheriger Hauptgesellschafter bis dahin "ihrer" Tettnanger Klinik als Gesellschafter-Darlehen gewährt.
  • War die Klinik Tettnang GmbH vor der MCB-Gründung wirtschaftlich? Das frühere Kreiskrankenhaus wurde im Jahr 2005 zu 95 Prozent an die Waldburg-Zeil-Kliniken übertragen, schrieb allerdings in keinem Jahr schwarze Zahlen. Dabei kam der Bodenseekreis, der fünf Prozent der Anteile behielt, dem neuen Betreiber von Anfang an finanziell stark entgegen. Die Geschäftsanteile am Krankenhaus kauften die Waldburg-Zeil-Kliniken für einen Euro. Für das Klinikgrundstück war eine Einmalzahlung auf die Erbpacht von 2,4 Millionen Euro fällig. Über den Betrag erhielt WKZ ein Darlehen vom Kreis bis 2030. Die aktuelle Restschuld liegt nach Angaben des Bodenseekreises bei 1,5 Millionen Euro. Der fixe Erbauzins von jährlich 150 000 Euro wurde WKZ von Beginn an zinslos gestundet, erst ab 2012 verlangte der Bodenseekreis Zinsen.
  • Gab oder gibt es Bemühungen, den Bodenseekreis als Mitgesellschafter des MCB ins Boot zu holen? Eigentlich sei der MCB „eine originäre Kreisaufgabe“, argumentiert die Stadt. Zunächst stelle man sich als Gesellschafter selbst der Aufgabe, teilt das Rathaus mit. Aber auch der Frage einer anderen Gesellschafterstruktur werde man sich stellen. Der Bodenseekreis hingegen sieht keinen Handlungsbedarf. Der Kreis sei erst gefordert, wenn die bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung durch andere Träger nicht sichergestellt sei, sagt Kreissprecher Robert Schwarz. "Solch eine Mangelsituation ist im Bodenseekreis dank der recht vielseitigen Trägerlandschaft nicht gegeben."