Was zählt, ist Zahl der OPs pro Arzt

Unabhängig von der Größe des DRK-Krankenhauses ist Chirurgie-Chefarzt Christian Karnasch ein erfahrener Operateur. Archivfoto: BK/Schmitz
© Archivfoto: BK/Schmitz

Die Bertelsmann-Studie zur Situation in Kliniken hat viel Staub aufgewirbelt. Der Direktor des DRK Krankenhauses sagt, warum er die Studie toll findet und dennoch hinterfragt.

Anzeige

ALZEY. Viele Krankenhäuser sind zu klein und verfügen nicht über Ausstattung und Erfahrung, um lebensbedrohliche Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall angemessen zu behandeln. Zu diesem Schluss kommt die jüngste Studie der Bertelsmann-Stiftung (die AZ berichtete). Eine Verringerung der Anzahl der Kliniken von derzeit rund 1400 auf maximal 600 würde eine qualitativ bessere Versorgung der Patienten bewirken und Engpässe bei Ärzte- und Pflegepersonal abmildern. Statt vieler kleiner Krankenhäuser sollten zentrale Einrichtungen geschaffen werden.

Unabhängig von der Größe des DRK-Krankenhauses ist Chirurgie-Chefarzt Christian Karnasch ein erfahrener Operateur. Archivfoto: BK/Schmitz
Unter der Leitung von Chefarzt Christian Karnasch wurden 2018 rund 200 Hüft- und Knieprothesen implantiert. Archivfoto: BK/Schmitz

Diese Botschaft hört Michael Nordhoff wohl, aber es fehlt ihm der Glaube an die Realisierbarkeit. „Das ist ein tolles Konzept, das allerdings viele Fragen aufwirft“, sagt der Kaufmännische Direktor des DRK-Krankenhauses. Eine zentrale Frage: Wer soll das bezahlen? „Diese Frage ist in der Studie nämlich nicht behandelt worden“, sagt er. Nordhoff macht eine Rechnung auf. Die in der Studie angenommene Bettenzahl von mindestens 600 erfüllen in der Bundesrepublik derzeit laut Internetportal Statista nur 175 Kliniken. Um auf die genannte Zahl von 600 Krankenhäuser in dieser Größenordnung zu kommen, müssten, so Nordhoff, also noch 425 neue Kliniken errichtet beziehungsweise bestehende erweitert werden. Den Preis dafür beziffert er auf über 300 Milliarden Euro. Hinzu kämen die Kosten für die Abwicklung von rund 1000 wegfallenden Kliniken. Und: „Die neuen Zentren müssen erreichbar sein. Also bedarf es auch neuer und zusätzlicher Infrastruktur bei Öffentlichen Verkehrsmitteln und Straßenbau.“

Was Michael Nordhoff jedoch richtig ärgert, ist die medizinische Botschaft der Studie, die er so auf den Punkt bringt: „Wer in ein kleines Krankenhaus geht, begibt sich in Gefahr.“ Für Nordhoff ist diese Botschaft absurd. Denn sie geht von der Annahme aus, dass in kleineren Kliniken gewisse Operationen nicht so oft ausgeführt werden wie in großen und deshalb Knowhow und Erfahrung fehlten, was in großen Kliniken aufgrund der großen Fallzahlen eben nicht so sei.

Anzeige

Doch für Nordhoff ist nicht die große Zahl entscheidend, sondern sie müsse immer auch in Relation zur Zahl der Operateure gesetzt werden. Wenn in einer großen Klinik 500 bis 600 Hüft- und Knieprothesen von zehn Ärzten durchgeführt würden, sei das eine geringere Quote als im DRK Krankenhaus. „Bei uns machen in jedem Jahr zwei bis drei Fachärzte rund 200 Prothesen – und das bei einer Revisionsquote von unter einem Prozent“, sagt Nordhoff. Natürlich dürfe in Häusern, wo weniger als zehn Endoprothesen im Jahr eingesetzt werden, die Frage gestellt werden, ob die Patienten hier eine sichere OP erwarte. Was die Studie ebenfalls kritisch sieht, ist die Zahl der Fachärzte in kleineren Krankenhäusern. Das DRK Krankenhaus hat alleine in der Inneren Medizin sieben Fachärzte, darunter drei Notärzte. „Damit sind wir gut aufgestellt“, sagt Nordhoff.

Das Zauberwort des Alzeyer Klinikchefs lautet Spezialisierung. Ein Weg, den das 161-Betten-Haus etwa in der Wirbelsäulenchirurgie erfolgreich beschreitet. Hier werden alle Operationen von einem einzigen Operateur, nämlich von Privatdozent Dr. Ronald Filippi, durchgeführt. Der brachte es 2018 auf 546 Eingriffe, darunter 253 Bandscheibenvorfälle und 109 Dekompressionen von Verengungen (Stenosen) an der Lendenwirbelsäule, und 75 Operationen von Bandscheibenvorfällen an der Halswirbelsäule. Zudem wurden in der Allgemeinen Chirurgie der Klinik im vergangenen Jahr von vier Operateuren 182 Gallenblasen entfernt. Ein weiterer Schwerpunkt des Hauses ist die Akutgeriatrie. „Es muss nicht jedes Krankenhaus glauben, alles machen zu müssen“, stellt Nordhoff fest.

Was man in Alzey nicht selbst machen kann, wird durch die enge Kooperation mit der Unimedizin Mainz abgedeckt. Etwa die adäquate Versorgung von Patienten mit Herzinfarkten oder Tumoren an der Bauchspeicheldrüse. Gerade beim Herzinfarkt spielt der Faktor Zeit eine Rolle. Wird ein Herzinfarkt diagnostiziert, muss rasch gehandelt werden. Die Studie sagt, dass das nur in spezialisierten Zentren geschehen kann. Dem widerspricht Michael Nordhoff auch nicht. Die Frage, ob ein Herzinfarktpatient wertvolle Zeit verliert, wenn er sich ins DRK-Krankenhaus begibt, beantwortet Nordhoff jedoch mit einem klaren Nein. Werde nämlich ein Patient mit einem Notarztwagen der Klinik zuhause abgeholt und beim Transport per EKG ein Infarkt diagnostiziert, steuere der Wagen erst gar nicht das Haus in der Kreuznacher Straße an, sondern fahre direkt zur Unimedizin nach Mainz. Hier ist vertraglich vereinbart, dass Patienten aus Alzey sofort ein Herzkathederplatz zur Verfügung steht. Ist der Stent gesetzt, kommt der Patient zurück nach Alzey zur weiteren Behandlung.

Das DRK Krankenhaus gehört zu den kleineren im Land. Für Michael Nordhoff ist dies jedoch kein K.o.-Argument. Vielmehr liegt seiner Ansicht nach die Lösung der Problematik in einem guten Mix aus großen und kleinen Kliniken. „Aber man muss die Krankenhäuser, die man hat, auch wollen und adäquat finanziell ausstatten“, lautet seine Botschaft an Politik und Kassen.

Von Thomas Ehlke