Die Mitarbeiter des Klinikums Niederlausitz lehnen die Aufnahme von Verhandlungen über einen Notlagentarifvertrag ab. Diese Abfuhr haben die gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten, die trotz Schichtarbeit zur Mitgliederversammlung der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) gekommen waren, dem Landkreis Oberspreewald-Lausitz und der Geschäftsführung des Unternehmens erteilt. Das Machtwort fällt allerdings erst in einer schriftlichen Befragung, deren Ergebnis nun Mitte August vorliegen soll.

Die Krankenhäuser in Lauchhammer und Senftenberg (Oberspreewald-Lausitz) haben im vergangenen Jahr ein Minus von 4,5 Millionen Euro geschrieben und sind Experten zufolge viel zu schwach aufgestellt. Gutachter urteilen: Der Schuldendienst des Unternehmens ist im Verhältnis zur Eigenkapitalquote viel zu hoch. Das Klinikum braucht frisches Geld.

Das sollen die Beschäftigten aufbringen. Der Landkreis Oberspreewald-Lausitz, der einzige Gesellschafter, hat die Geschäftsführung des Klinikums aufgefordert, Tarifverhandlungen mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft aufzunehmen. Das Ziel: ein Notlagentarifvertrag, mit dem den Mitarbeitern einmalig das Weihnachtsgeld und die bereits verbriefte nächste Tariferhöhung um 1,5 Prozent ab Oktober gestrichen werden sollen. Auch der Verzicht auf weitere Tarifsteigerungen gehörte gehörte nach Aussagen von Geschäftsführer Uwe Böttcher vor einigen Tagen noch zum Plan. Dies hat Klinikum-Sprecherin Kristin Dolk inzwischen aber revidiert. Ab 2020 sind ihren Angaben zufolge Tarifsteigerungen in Höhe von einem Prozent pro Jahr und für die Pflegebeschäftigten in den nächsten zwei Jahren von zwei Prozent angeboten. Führungskräfte sollten für fünf Jahre gänzlich auf Tarifsteigerungen verzichten.

Geschäftsführer Uwe Böttcher zeigt sich sicher, das Klinikum kann aus eigener Kraft wieder solide aufgestellt werden. In kommunaler hand ohne neue Beteiligungen.

Keinen einzigen Fürsprecher bei den Beschäftigten

In dem „ersten Stimmungsbild“ haben gewerkschaftlich organisierte Beschäftigte das am Dienstag in einer Versammlung der Mitglieder der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) einstimmig abgelehnt. Das bestätigt Verdi-Gewerkschaftssekretär Ralf Franke. Demnach gab es keinen einzigen Fürsprecher aus den Reihen der Beschäftigten für den Sanierungsplan der Klinikum-Geschäftsführung, der einseitig auf Gehaltsverzicht setzt.

Klinikum-Mitarbeiter haben Schieflage nicht verschuldet

Die Argumente der Klinikum-Mitarbeiter liegen jetzt offen auf dem Tisch: Sie haben die wirtschaftliche Schieflage nicht verschuldet. Ein Gutachten des Instituts für betriebswirtschaftliche und arbeitsorientierte Beratung (BAB) mit Sitz in Bremen bestätigt das. Die Experten haben als Ursache des desaströsen Ergebnisses des vergangenen Jahres einen „dramatischen Leistungseinbruch“ vor allem am Krankenhaus-Standort Senftenberg ausgemacht. Ärzte haben dem Klinikum Niederlausitz den Rücken gekehrt. Besonders hart hat der Verlust des Chefarztes für Innere Medizin ins Negativ-Kontor geschlagen. Die Zahl der Patienten ist gesunken. Denn in der Notaufnahme konnten in Ermangelung von medizinischen Experten vor allem keine schwierigen Fälle angenommen werden, deren Behandlung von den Krankenkassen höher vergütet wird.

Miese Bezahlung für das nichtärztliche Personal

Eine unsoziale Unternehmenskultur wird seitens der Beschäftigten als Hauptgrund dafür genannt, dass dringend benötigte Fachkräfte den Krankenhäusern den Rücken kehren.

Die Bezahlung des nichtärztlichen Personals ist mies. Eine Pflegefachkraft im Klinikum Niederlausitz verdient 84 Prozent des Tarifgehaltes des öffentlichen Dienstes. In den unteren Entgeltgruppen liegen die Löhne sogar unter dem Vergabe-Mindestlohn im Land Brandenburg. Das heißt: Das Klinikum und auch der Landkreis Oberspreewald-Lausitz, direkt und mittelbar Arbeitgeber der Krankenhaus-Beschäftigten, zahlen den eigenen Leuten weniger, als sie Kraft Gesetzes für Dienstleister ausgeben müssen – so sie Leistungen wie die beispielsweise die Reinigung ausschreiben würden. Jede Firma, die sich um kommunale Aufträge bewirbt, muss ihren Beschäftigten also mehr Geld für deren Arbeit zahlen.

Den nichtärztlichen Klinikum-Mitarbeitern stinkt gewaltig, dass sie in der Pflege bis zu acht Prozent weniger als im Brandenburg-Durchschnitt verdienen. In diesem Minus-Bereich liegen – gemessen am Landesmittel – laut Gutachten auch die Gesamtausgaben für das Personal des Unternehmens. Damit ist nachgewiesen, dass die Gehälter der Beschäftigten nicht die Schwachstelle und Ursache der wirtschaftlichen Schieflage sein können.

Der Eindruck der beschäftigten:Die Klinikum-Geschäftsführung und die Kreishaus-Spitze betrachten die Personalkosten als ienzige Stellschraube. Denn über den freiwilligen Verzicht der Mitarbeiter auf Gehaltsbestandteile hinaus ist bisher kein Sanierungsbeitrag des Gesellschafters benannt worden.

Die angestrebten Tarifverhandlungen sind nicht die einzige Säule eines Sanierungsplanes. Das betont Klinikum-Sprecherin Kristin Dolk. „Sie bergen aber bei einem Personalkostenanteil von etwa zwei Dritteln an den Gesamtkosten tatsächlich erhebliches Potential für die Kostenstabilität des Klinikums“, erklärt sie weiter. Der Sanierungsplan setze sich aus verschiedenen medizinischen und wirtschaftlichen Maßnahmen zur Konsolidierung zusammen. Dazu gehörten der Dienstantritt zweier neuer Chefärzte im Frühjahr, der bereits zu einem Patientenanstieg und zu einer Stabilisierung des Leistungsgeschehens in dem Bereich führte, der im Gutachten der verdi-nahen Prüfungsgesellschaft als hauptursächlich für den Leistungseinbruch im vergangenen Jahr genannt wurde. „Die strukturierte Einforderung von ausstehenden Zahlungen der Krankenkassen in Millionenhöhe und der komplette Verzicht von Leiharbeitnehmern in der Pflege tragen aktuell ebenfalls zur Konsolidierung bei“, sagt Dolk . Auch die Ausgaben für Sachkosten, zum Beispiel für Energie und Verwaltungsbedarf, seien in diesem Jahr „durch effizientes Management“ gesunken.

Experten beziffern den Zuschussbedarf, den das Klinikum Niederlausitz braucht, indes sehr genau. Das bestätigt Verdi-Gewerkschaftssekretär Ralf Franke. Denn Verdi will sich generell nur an den Verhandlungstisch setzen, wenn ein „nennenswerter und damit wirksamer Betrag zur Stabilisierung des Klinikums auch vom Gesellschafter kommt.

Einer eingeholten Expertise zufolge brauche das Unternehmen sofort 4,5 Millionen Euro, also den Verlustausgleich durch den Landkreis. Und trotz des guten Anstieges der Patientenzahlen durch neu angestellte Fachärzte soll auch im nächsten Jahr eine Finanzspritze von mehr als zwei Millionen Euro erforderlich werden. Denn selbst bei einer erfreulichen Entwicklung ist ein weiterer Verlustbetrag in der Größenordnung prognostiziert worden. Oberspreewald-Lausitz müsse die Eigenkapitalquote des Klinikums Niederlausitz auf mindestens 20 Prozent bringen, um das Unternehmen nachhaltig zu stabilisieren. Das ist der eindringliche Rat.

„Auch wir werden uns jetzt an die Kommunalpolitiker wenden, um eine bessere Finanzausstattung für das Klinikum einzuwerben“, sagt Ralf Franke. Er betont aber ebenso: Auch die Geschäftsführung und die ärztliche Leitung stehe in der Verantwortung, Strukturen und Leistungsangebote zu verändern, um die Einnahmen zu steigern.

Bereitschaft zum Gehaltsverzicht bei Mitarbeitern tendiert gegen Null

Bei den Mitarbeitern tendiert die Bereitschaft, auf einen Teil ihrer Gehälter zu verzichten, zunächst einmal gegen Null. Das ist das aktuelle Stimmungsbild vom Dienstag und auch der Trend für die schriftliche Abstimmung, die letztlich über einen Sanierungsbeitrag der Beschäftigten entscheidet. Klinikum-Sprecherin Kristin Dolk verweist zwar klar darauf, dass nur etwa 20 Prozent der Mitarbeiter des Klinikums Niederlausitz gewerkschaftlich organisiert. „Deshalb pauschal allen Beschäftigten die Akzeptanz des Notlagentarifvertrags abzusprechen, ist falsch“, betont sie. „Aus persönlichen Gesprächen weiß ich, dass es heterogene Meinungen bei den Mitarbeitern zum Notlagentarifvertrag gibt.“ Die Tarifverhandlungen aufzunehmen, sei eine Chance, das Sanierungskonzept mitzugestalten. „Gar nicht miteinander ins Gespräch zu kommen, ist aus meiner Sicht der falsche Weg zu dem gemeinsamen Ziel, dem Klinikum wieder auf die Beine zu helfen“, so Dolk.

Fakt aber ist: Ausschließlich die Verdi-Mitglieder und nicht die gesamte Belegschaft treffen die Entscheidung darüber, ob Verhandlungen über einen neuen Notlagentarif aufgenommen werden.

In den Krankenhäusern Senftenberg und Lauchhammer wirkt noch ein Notlagentarifvertrag aus dem Jahr 2007 nach. Damals waren die Jahressonderleistung – ebenfalls zunächst einmalig – auf die Hälfte und die Wochenarbeitszeit bei vollem Gehaltsverzicht gekürzt worden. Ein Zustand, der bis heute andauert und als klassisches Eigentor von Klinikum-Führung und Gesellschafter nun von den Mitarbeitern entsprechend honoriert wird.

Klinikum Niederlausitz: Mitarbeiter sprechen Machtwort zu Sanierungsplänen
Entscheidung über Nottarifverhandlungen
Klinikum Niederlausitz: Mitarbeiter sprechen Machtwort zu Sanierungsplänen
Senftenberg/Lauchhammer

Geschäftsführer des Klinikums abberufen
Veränderungen und Neuausrichtung im Klinikum Niederlausitz
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Senftenberg

Die Stärke 
der Mitarbeiter
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