Personalmangel in Münchner Klinik: Ein Pflegehelfer für 27 Patienten

Weil sie keine Pfleger finden, setzen Kliniken vermehrt Hilfspersonal ein. Die AZ dokumentiert einen Fall aus München - und zeigt, wo die Gefahren liegen.
| Paul Nöllke
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Die Geschäftsführerin der Helios-Klinik, Sabine Anspach.
Helios Die Geschäftsführerin der Helios-Klinik, Sabine Anspach.

Weil sie keine Pfleger finden, setzen Kliniken vermehrt Hilfspersonal ein. Die AZ dokumentiert einen Fall aus München - und zeigt, wo die Gefahren liegen.

München – Sie liegen nachts im Krankenhaus und brauchen auf einmal Hilfe. Sie betätigen den Rufknopf, um einen Krankenpfleger zu rufen. Doch niemand kommt – weil es zu wenig Pfleger gibt. Solche Erfahrungen beschreiben Patienten aus Münchner Krankenhäusern.

Ein Krankenhaus, in dem sich die Lage besonders zugespitzt haben soll, ist das Helios-Klinikum München West. Dokumente, die der AZ vorliegen, zeigen, dass hier schon vorgekommen ist, dass nachts nur ein Pflegehelfer alleine für 27 Patienten zuständig ist. Pflegehelfer sind nicht zu verwechseln mit Krankenpflegern, die eine dreijährige Ausbildung bekommen.

Wie ein Pflegehelfer qualifiziert sein muss, ist bundesweit nicht einheitlich geregelt. Ausbildungen zum Pflegehelfer können von zwei Wochen bis sechs Monate dauern.

Klinik-Chefin: Pflegehelfer können auch gut ausgebildet sein

Auf AZ-Nachfrage räumt die Geschäftsführerin des Helios-Klinikums, Sabine Anspach, ein, dass das durchaus vorkommen kann. "Pflegehelfer ist aber nicht gleich Pflegehelfer", so Anspach. "Ein 20-jähriger Pflegehelfer kann sehr gut qualifiziert sein. Wir haben auch Pflegehelfer, die schon seit zehn Jahren bei uns arbeiten."

Die Geschäftsführerin der Helios-Klinik, Sabine Anspach.
Die Geschäftsführerin der Helios-Klinik, Sabine Anspach. © Helios

Marliese Biederbeck sieht das anders. Sie ist Geschäftsführerin beim Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe Südost. Ihr Verband hat das Volksbegehren "Stoppt den Pflegenotstand" mitunterstützt.

"Es gibt verschiedene Qualifikationswege für Pflegehelfer mit unterschiedlicher Länge von zwei, über sechs Wochen oder auch sechs Monaten. Ein Pflegehelfer kann aber auch nur angelernt sein, ohne jemals eine Qualifikation durchlaufen zu haben", so Biederbeck.

Die Kritik: Pflegehelfer sind mit Notfallsituationen überfordert

Sie sieht in so einer prekären Situation die Gesundheit der Patienten in Gefahr gefährdet. "Ein Pflegehelfer wird für bestimmte Pflegetätigkeiten beschäftigt. Er kann dann auch nur diese Tätigkeiten ausüben", erklärt Biederbeck der AZ. So können Pflegehelfer Patienten Essen und Trinken reichen, in manchen Kliniken dürfen sie auch den Puls oder Blutdruck messen. Hilfstätigkeiten also.

Im Zweifelsfall kann das zu wenig sein, warnt Biederbeck: "Im Krankenhaus treten immer wieder Veränderungen oder Notfallsituationen auf, die umfangreiches Wissen, viel Erfahrung und schnelles Reagieren von den Pflegenden erfordern. Ein Pflegehelfer ist da in der Regel überfordert."

Dass die Aufgaben von Pflegefachkräften nun von Pflegehelfern übernommen werden, bereitet Biederbeck Sorgen: "Wenn Arbeitsstellen von Pflegefachkräften mit Helfern besetzt werden, demotiviert und überfordert das nicht nur die verbleibenden Pflegefachpersonen, es gefährdet vor allem die Patientengesundheit."

Interne E-Mails zeigen: Pfleger fühlen sich unter Druck gesetzt

Wenn sich Pflegekräfte in einer Schicht überfordert fühlen, können sie bei der Klinikleitung eine sogenannte Gefährdung melden. Das ist in Krankenhäusern Routine. Im Klinikum Pasing scheint das nicht immer ganz rund zu laufen: Aus internen E-Mails, die der AZ vorliegen, geht hervor, dass sich Pfleger in Pasing teils unter Druck gesetzt fühlten, wenn sie bei der Pflegeleitung eine Gefährdung anzeigen. In Gesprächen werde dann an ihren beruflichen Fähigkeiten gezweifelt, anstatt daran zu arbeiten, die Pfleger bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Teilweise würden Pfleger am Ende ihrer Schicht mit schlechtem Gewissen nach Hause gehen, weil es ihnen nicht möglich gewesen sei, Patienten adäquat zu versorgen.

Dass Angestellte bei einer Gefährdungsanzeige unter Druck gesetzt werden, will Klinik-Geschäftsführerin Anspach sich kaum vorstellen. Auch Chefarzt Ulrich Linsenmaier betont: "Gefährdungsanzeigen nehmen wir sehr ernst. Es kann sein, dass Pfleger mal etwas falsch verstanden haben." Manchmal könne auch die Pflegekraft etwas besser machen, das würde dann natürlich angesprochen.

Helios-Klinik befolgte nicht die Forderung des Referats für Gesundheit und Umwelt

Das Referat für Gesundheit und Umwelt (RGU) führt aktuell Kontrollen im Helios Klinikum Pasing durch, um sicherzustellen, dass das Patientenwohl nicht durch Personalmangel gefährdet wird. Das bestreitet Anspach nicht. Sie sagt: Das Verhältnis zum RGU sei gut. Allerdings: Das RGU hatte gefordert, jede Station im Krankenhaus rund um die Uhr mit examinierten Pflegekräften zu besetzen. Die Geschäftsführung des Helios-Klinikums hat diese Forderung anwaltlich prüfen lassen – und sie letztendlich nicht befolgt. Anspach weist darauf hin, dass sich die Qualität der Pflege nach ihrer Einschätzung in den letzten Jahren stark verbessert habe. "Man kann sagen, dass das Klinikum früher in keinem guten Zustand war." Bei manchen Patienten sei das noch präsent. Bei Patientenbefragungen im Haus seien heute aber über 80 Prozent der Befragten zufrieden.

Bei externen Ärzten, mit denen die AZ gesprochen hat, gehen die Meinungen auseinander. Eine Ärztin, die nicht genannt werden will, erzählt, dass viele Patienten sich in letzter Zeit im Krankenhaus wieder wohlfühlten, und die Versorgung nun besser sei. Ein anderer Mediziner erklärt aber, dass er seine Patienten nicht mehr nach Pasing überweist. Zu viele Patienten hätten dort sehr schlechte Erfahrungen gemacht, gerade im Bereich mit der Pflege.

Der Pflegenotstand in München ist enorm

Die Situation in München ist sehr angespannt. Der Pflegenotstand schlägt hier voll durch. Das beobachtet auch Marliese Biederbeck vom Berufsverband für Pflegeberufe: "Es dauert viele Monate bis eine Stelle für Krankenpfleger wieder besetzt werden kann." Einige Kliniken würden mit hohen Prämien werben, um neue Pflegefachpersonen zu gewinnen. Das würde die Situation aber nicht verbessern. Laut Biedermann ist es wichtig den Beruf der Pfleger aufzuwerten und besser zu bezahlen.

Die Geschäftsführerin der Helios-Kliniken glaubt derweil nicht, dass ein höherer Lohn die Lösung ist. "Unsere Pfleger werden angemessen bezahlt," erklärt sie. Anspach sieht das Problem eher bei dem schlechten Ruf, den der Pflegeberuf hat. Laut einer Umfrage des IGES- Instituts vom April dieses Jahres überlegten allerdings mehr als ein Drittel aller Pflegekräfte an Münchner Krankenhäusern ihren Beruf aufzugeben.

Gründe dafür waren vor allem die geringe Entlohnung, die hohe Arbeitsbelastung und das Gefühl, Patienten nicht mehr adäquat versorgen zu können.

Lesen Sie hier: Der wichtigste Job - der Kommentar zum Thema

Lesen Sie hier: Der Münchner Kampf gegen den Pflege-Mangel

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