Zum Sturz im Krankenhaus und der Haftung des Krankenhausträgers bei einem voll beherrschbaren Risiko

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OLG Naumburg, Urteil vom 12.07.2012, AZ: 1 U 43/12

Das Oberlandesgericht Naumburg äußerte sich in seinem Urteil vom 12.07.2012 zu den Sorgfaltspflichten des Pflegepersonals bei der Begleitung von Patienten

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Eine Patientin wurde an der rechten Hand ambulant in einem Krankenhaus operiert. Im Aufwachraum stürzte sie bei dem Versuch aufzustehen und brach sich dabei den Oberschenkelhalsknochen. Anwesend war in diesem Augenblick eine Zeugin, die Auszubildende zur medizinischen Fachangestellten war. Die Zeugin hatte der Patientin geholfen, sich aufzurichten. Unmittelbar vor dem Sturz saß die Patientin daher am Rand der Liege und ließ „die Beine baumeln“.

Die Zeugin forderte die Patientin auf, sitzen zu bleiben und wandte sich sodann kurzzeitig ab, um die Blutdruckdaten der Patientin zu notieren. Die Patientin stand jedoch in diesem Moment eigenmächtig auf und stürzte, weil die Liege zur Seite wegrollte. Es stellte sich heraus, dass eine (von insgesamt 3) Arretierungsbremse an der Liege, auf der die Patientin gelegen hatte, nicht festgestellt war. 

Allein aus dem Umstand, dass es in einem Krankenhaus zu einem Sturz kommt, lässt sich keine schuldhafte Pflichtverletzung des Personals ableiten.

Stürzt ein Patient im Krankenhaus, so lässt sich aus dem Umstand, dass es zu einem Sturz gekommen ist, nicht automatisch eine schuldhafte Pflichtverletzung des Personals herleiten.

Eine Situation gilt nicht als voll beherrschbar, wenn sich der Patient selbst frei in seinem Zimmer bewegt.

Kommt es aber im Zusammenhang mit einer konkret geschuldeten Hilfeleistung zu einem Sturz des Patienten, so hat der Krankenhausträger darzulegen und zu beweisen, dass der Sturz nicht auf einem Fehlverhalten des begleitenden Personals beruht. Denn die bewusste Begleitung eines Patienten durch das Personal macht das Risiko, dass der Patient stürzt, zu einem sog. „voll beherrschbaren Risiko“. Kommt es im Rahmen des voll beherrschbaren Risikos trotzdem zu einem Sturz, so wird ein pflichtwidriges Verhalten des Krankenhausträgers vermutet – und der Krankenhausträger muss aktiv Tatsachen vortragen, die ihn entlasten können. 

Von einem voll beherrschbaren Risiko – mit der Folge der Entlastungspflicht des Krankenhausträgers – ist auszugehen, wenn der Patient stürzt, während er von einer Pflegekraft begleitet wird.

Nach der Auffassung des entscheidenden Senats konnte sich der Krankenhausträger zunächst in diesem Sinne teilweise (zu 50 %) entlasten. So sei bewiesen, dass die Auszubildende die Patientin aufgefordert hatte, auf der Liege sitzen zu bleiben, bis sie ihr beim Aufstehen Hilfestellung leistet. Wenn die Pflegekraft der Patientin ausdrücklich sage, dass sie auf die Hilfestellung warten soll, müsse dies bei einem durchschnittlich einsichtigen Menschen ausreichen, jedenfalls dann, wenn dieser selbst der Ansicht sei, überhaupt keine Hilfe zu benötigen (also situativ angemessen orientiert sei).

Die Auszubildende habe sich auch nicht aus Nachlässigkeit von der Patientin abgewandt, sondern aus dem nachvollziehbaren Grund, die Blutdruckdaten zu notieren. Es würde die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten des Krankenhausträgers „überspannen“, wenn der Patient „keinen Augenblick aus den Augen gelassen“ werden dürfe. Das würde bedeuten, dass stets eine 2. Kraft in der Begleitung von Patienten hinzuziehen wären. 

Der Patientin wurde daher ein Mitverschulden über 50 % zur Last gelegt.

Da nicht auszuschließen ist, dass Patienten auch gegen einen entsprechenden Hinweis des Pflegepersonals allein aufstehen, muss jedoch sichergestellt sein, dass Bremseinrichtungen an Liegen nicht wegrutschen können. 

Eine Haftung des Krankenhausträgers wurde jedoch aus dem Grund angenommen, dass dieser für keine zusätzlichen Sicherheitsvorkehrungen gesorgt hatte, um das Wegrutschen der Bremseinrichtungen an der Liege zu verhindern. Ein Wegrutschen hätte leicht verhindert werden können, indem die Liege schlicht mit der Breitseite an die Wand oder an ein ähnliches Gegengewicht platziert werde. Könne eine Liege seitlich wegrutschen, wenn sich die Patientin beim Aufstehen mit einer Hand auf sie aufstütze, sei sie entweder nicht richtig arretiert oder nicht sicher gestellt – was eine Haftung begründe.

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Rechtsanwältin Maike Bohn, Hamburg



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