Der Wettbewerb um Pflegekräfte in den Bremer Krankenhäusern verschärft sich: Weil der Markt bundesweit leer gefegt ist, bieten die Kliniken Bewerbern immer häufiger zusätzlich zum Monatsgehalt Antrittsprämien, finanzielle Starthilfen und Vermittlungsprovisionen – teilweise sogar von mehreren Tausend Euro. So sucht etwa das Diako im Bremer Westen derzeit Pflegefachkräfte für eine neue Station, die im Januar eröffnet werden soll. Das Jobangebot ist besonders lukrativ: Examinierte Gesundheits- und Krankenpfleger, die sich für wenigstens 18 Monate verpflichten, erhalten einen Einmal-Zuschlag in Höhe von 10.000 Euro brutto.
Diako-Pflegedienstleiterin Heidi-Susann Fischer will die Prämie nicht als „Willkommensgeschenk“ oder „Wettbewerbsverzerrung“ angesichts des leer gefegten Fachkräftemarkts verstanden wissen. „Es ist eine einmalige Aktion, weil wir dringend zusätzliches Pflegepersonal benötigen.“ Gegen den Bundestrend verzeichne das Krankenhaus einen starken Anstieg an Patienten, dafür reichten die Bettenkapazitäten nicht aus. Um eine optimale Versorgung sicherstellen zu können und die Mitarbeiter zu entlasten, habe die Geschäftsleitung deshalb entschieden, eine neue Station mit 25 Betten einzurichten.
Eine Lösung für den Pflegekräftemangel seien solche einmaligen und aus der Not geborenen Aktionen allerdings nicht, betont die Pflegechefin. „Wir versuchen, Mitarbeiter mit attraktiven Arbeitsbedingungen zu gewinnen und zu binden, dafür bieten wir eine Reihe von Programmen an. Der Höhepunkt des Pflegekräftemangels ist aus meiner Sicht aber längst noch nicht erreicht“, sagt Fischer, die auch dem Bremer Pflegerat angehört. Deshalb müsse auch die Politik mehr Anreize schaffen, um deutlich mehr junge Menschen für den Pflegeberuf zu gewinnen. Es gehe um die Vergütung und darum, Pflegekräften in ihrem Beruf mehr Kompetenzen zu übertragen.
Die Geno setze auf ein attraktives Arbeitsumfeld
„Eine Antrittsprämie in Höhe von mehreren Tausend Euro oder mehr zu zahlen, ist für uns keine Option“, kommentiert die Sprecherin des kommunalen Klinikverbunds Gesundheit Nord (Geno), Karen Matiszick, die Aktion des Mitbewerbers im Bremer Westen. Aufgabe aller Beteiligten im Gesundheitswesen sei es vor allem, den Pflegeberuf attraktiver zu machen, indem etwa in die Ausbildung junger Menschen investiert werde. Die Geno setze auf ein attraktives Arbeitsumfeld; mit einem Springerpool etwa sei ein Arbeitsbereich geschaffen worden, in dem sich der Dienstplan vollständig nach den Bedürfnissen der Beschäftigten richte. Allerdings verzichtet auch Bremens größter Krankenhausträger mit den vier Kliniken Mitte, Ost, Nord und Links der Weser nicht auf zusätzliche finanzielle Anreize. Neben einer Übernahmegarantie zahlt der Verbund Absolventen der eigenen Krankenpflegeschulen zum ersten Gehalt ein Startgeld von 500 Euro. Und: „Wer eine Kollegin oder einen Kollegen wirbt, erhält als Dankeschön 1000 Euro“, sagt Matiszick.
Bremens Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke) sieht den verschärften Wettbewerb mit Sorge, die Kritik von Mitbewerbern an sehr hohen Prämien könne sie nachvollziehen: „Denn die Wirkung nach außen ist ungleich plakativer als beispielsweise die Werbung mit einem familienorientierten Arbeitszeitmodell.“ Prämien stellten für manche Pflegekräfte sicher einen Reiz dar. Aber langfristig seien das Klima, familienfreundliche Arbeitszeiten und die Arbeitsdichte entscheidend. Die Kritik der Senatorin gilt vor allem auch Zeitarbeitsfirmen: „Durch hohe Gehälter verhindern sie die Bindung der Häuser an ihre Mitarbeiter und forcieren den Wettbewerb.“
Die Lage in den Bremer Kliniken sei durchaus ernst, so Bernhard. Der Mangel zeige sich an zeitweisen Stationsschließungen und Überlastungserfahrungen von Pflegenden, die an der Tagesordnung seien. Diese Entwicklung sei einerseits durch ein absolutes Fehlen von Menschen in der Pflege als auch durch das Abwandern oder Nicht-Zurückkehren etwa nach der Elternzeit zu erklären. Hier müssten die Arbeitgeber Angebote an die Pflegenden machen und die Bezahlung, das Personalmanagement und das Arbeitsklima verbessern. „Wir versuchen, mit allen Beteiligten die Attraktivität der Pflegeberufe zu erhöhen. Welche Maßnahmen aber letztendlich von den Beteiligten ergriffen werden, müssen sie selbst entscheiden“, so Bernhard.