Resignation vor Ort, Unverständnis in Fachkreisen, Schweigen der politisch Verantwortlichen: Die Schließung der Michael-Balint-Klinik in Königsfeld (Schwarzwald-Baar-Kreis) zum 15. November scheint besiegelt, eine rettende Aufnahme in den Landeskrankenhausplan ist außer Reichweite. „Wir machen zu 99,9 Prozent am 15. November das Licht aus“, sagt Chefarzt Wilfried Callenius. Daran dürfte auch wenig ändern, dass sich der Landeskrankenhausausschuss am Mittwoch kurzfristig doch noch mit dem Fall beschäftigte.

Bei der Politik „gegen eine Wand gelaufen“

Vorgesehen war das zunächst nicht. Für das Sozialministerium war die Balint-Klinik zuvor stets mit Verweis auf das Insolvenzverfahren und die Rechtslage, auf die eigene Nicht-Zuständigkeit und anderweitige Fachplanungen nach dem langjährigen Ringen um ihr Weiterbestehen kein Thema mehr gewesen. „Wir hatten das Gefühl, gegen eine Wand zu laufen“, sagt Chefarzt Wilfried Callenius. Nun soll sich, wie das Sozialministerium am Tag nach der Ausschusssitzung mitteilte, zumindest eine „Ad-hoc-Arbeitsgruppe“ zeitnah um alternative Behandlungsmöglichkeiten für die Patienten kümmern, die dauerhaft bei der Klinik angemeldet sind. Akutpatienten werden in Königsfeld keine mehr aufgenommen, derzeitige Reha-Patienten vor der Schließung entlassen.

Rettungsinsel für die, denen sonst keiner hilft

Dass eine kleine Klinik sich finanziell auf dem umkämpften Gesundheitsmarkt nicht behaupten kann, ist kein Einzelfall. Große Einrichtungen bieten oft zumindest medizinisch bessere Behandlungsmöglichkeiten für Patienten. Der Fall der Michael-Balint-Klinik aber liegt anders: Landesweit gibt es keinen vergleichbaren Schwerpunkt in interkultureller Traumabehandlung. Die Atmosphäre der Klinik und die Qualifikation von Ärzten, Therapeuten und Pflegepersonal bietet aber auch für andere psychosomatische und Trauma-Patienten Behandlungchancen, die sie anderweitig nicht bekommen. „Wir haben uns auf das spezialisiert, was sonst niemand machen wollte“, sagt Callenius. Die Warteliste ist lang, häufig kommen Patienten über Jahre immer wieder, die ohne Hilfe nicht durchs Leben kommen. „Es sind die, an denen die Gesellschaft versagt“, sagt Callenius.

Spezieller Schutzraum für Jesidinnen

Auch zahlreiche der traumatisierten Jesidinnen aus dem Nordirak fanden hier über das Sonderprogramm des Landes in den vergangenen drei Jahren einen Schutzraum und therapeutische Hilfe. Viele konnten durch die muttersprachliche Betreuung in der Michael-Balint-Klinik Vertrauen fassen und die Vergangenheit so bewältigen, dass sie in einem neuen Leben in Deutschland Fuß fassen können. Manche brauchen aber weitere Beratung. Da das Jesidinnenprogramm aber beendet ist, sieht sich das koordinierende Staatsministerium außen vor.

Kretschmann verweist auf Sozialminister

Auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann verweist, in der Regierungspressekonferenz am Dienstag in Stuttgart zur Michael-Balint-Klinik befragt, auf seinen Fachminister. Die Schreiben an ihn von Klinikleitung und den örtlichen Amts- und Mandatsträgern seien an das Sozialministerium weitergeleitet worden, sagte der grüne Regierungschef. Ob eine solche Spezialklinik erhalten werden müsse, könne er nicht beantworten. „Da muss man beim Sozialminister nachfragen“, sagte Kretschmann. Die weitere Betreuung der Jesidinnen sei aber nicht von einer einzelnen Klinik abhängig. „Und die Betreuung der Patienten werden wir sicherstellen“, hatte Kretschmann versprochen.

Wohin mit den Patienten?

Dafür muss jetzt die Arbeitsgruppe sorgen. „Ein solches Vorgehen ist der besonderen Situation geschuldet und nicht üblich“, teilte die Sprecherin des Sozialministeriums mit. Die Jesidinnen würden auch in Zukunft jedwede psychotherapeutische Unterstützung erhalten, die sie benötigen, unabhängig vom Klinikstandort. Wo das allerdings sein könnte, darüber wird in Fachkreisen gerätselt. „Bei der Michael-Balint-Klinik handelt sich um eine der bundesweit wenigen Kliniken mit diesen Spezialkenntnissen“, sagt Dietrich Munz, Präsident der Landespsychotherapeutenkammer. „Man sollte alles tun, um das zu erhalten.“