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Kreisklinik Groß-Gerau will weg von Fallpauschalen

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Klinikgeschäftsführerin Erika Raab (li) und Landrat Thomas Will (re) bei einer Bürgerversammlung in Groß-Gerau.
Klinikgeschäftsführerin Erika Raab (li) und Landrat Thomas Will (re) bei einer Bürgerversammlung in Groß-Gerau. © Claudia Kabel

Die Rettung der defizitären Kreisklinik Groß-Gerau soll ein Globalbudget für Grundversorgung sein. Die Schließung der Geburtenstation regt aber viele auf.

Für den Erhalt der Geburtenstation in der Kreisklinik Groß-Gerau besteht keine Chance mehr. Klinikgeschäftsführerin Erika Raab und Landrat Thomas Will (SPD) machten am Montagabend bei einer Bürgerversammlung des Kreises vor rund 160 Zuhörern in Groß-Gerau deutlich, dass für die Gynäkologie weder genügend Personal zu bekommen sei noch die nötigen Kosten erwirtschaftet werden könnten. Der Kreißsaal wurde deshalb bereits stillgelegt.

Schuld an der prekären Lage der Kreisklinik, wie vieler anderer kleinerer Kliniken auch, sei die „Fehlentwicklung im Gesundheitssystem“, so Raab. Die Kassen würden immer weniger für erbrachte Leistungen zahlen, Personalkosten und Anforderungen an die Kliniken aber steigen. Mit der geplanten Umwandlung der defizitären Kreisklinik in ein Intersektorales Versorgungszentrum „wollen wir uns aus dem System lösen und ein Vorbild werden, wie man von Fallpauschalen wegkommen kann“, sagte Raab.

Das Konzept zur Rettung der defizitären Klinik sehe ein „Globalbudget“ für die Grundversorgung der Patienten vor, bei dem „nicht mehr nach Abrechnungsfällen, sondern nach Krankheit“ behandelt werde. Hier stehen vor allem sogenannte Volkskrankheiten im Fokus. Was die Kapazität übersteigt, soll der Kooperationspartner, GPR Klinikum Rüsselsheim, übernehmen. „So wird gewährleistet, dass Patienten adäquat versorgt werden“, sagte Thomas Schumann, Chefarzt der Allgemeinen und Viszeralchirurgie.

Unter einem Dach soll es die Basisversorgung eines Krankenhauses mit Innerer Medizin und Chirurgie, Zentraler Notaufnahme, Radiologie, Triagesystem zur Einstufung der Notfalldringlichkeit und eine Intensivstation geben. Geburtenstation/Gynäkologie fällt weg.

Vorgehalten werden sollen 100 Krankenhausbetten und 120 Betten für die Kurzzeitpflege im Versorgungszentrum. Dazu kommt das ambulante Operationszentrum. Alles wird nach Pflegeintensitätsbereichen struktuiert.

Abgestimmt wird darüber im Kreistag am 9. Dezember. Es ist bereits das dritte Konzept, das die Klinik retten soll. cka

Vorgesehen ist auch eine Reduzierung der stationären Betten und ein Plus bei den Pflegeplätzen. Wer das Krankenhaus eigentlich schon verlassen müsste, könne liegen bleiben, so Will. Dies werde dann nicht mehr über die Krankenkasse, sondern über die Pflege abgerechnet. Die Krankenkassen hätten bereits „signalisiert, ab 2020 ein Budget zuzuerkennen“. Dieses solle für fünf Jahre zur Verfügung gestellt werden.

Dass die Grundversorgung laut dem neuen Konzept zwar internistische Eingriffe oder Notfälle beinhaltet, nicht aber Geburten, stieß bei den Zuhörern im Saal auf Kritik. „Das Konzept, uns Bürger gut zu versorgen, hört bei den Geburten auf“, monierte eine Frau aus dem Ortsteil Wallerstätten. Sie bedauere jede Frau, die mit Wehen nach Rüsselsheim oder Mainz fahren müsse. „Wir Eltern wollen nicht in riesigen Kliniken unsere Kinder zur Welt bringen“, sagte auch Maike Thomann. Sie ist eine von drei Frauen, die eine Petition gegen die Schließung der beliebten Geburtenstation organisiert hat. Bereits 2348 Stimmen habe man im Kreis gesammelt.

Will betonte, man habe bereits über Alternativen nachgedacht. Derzeit prüfe man Ideen, wie man „außerklinisch Geburten in Groß-Gerau möglich machen könnte“. Auch müsse man dafür einen Träger finden.

Die Gegnerinnen der Schließung der Gynäkologie kündigten an: „Wir wollen weiter kämpfen bis zum Tag der Entscheidung am 9. Dezember.“ An diesem Tag soll im Kreistag über die Pläne zur Klinik abgestimmt werden.

Dass die Klinik auch in Zukunft keinen Gewinn erwirtschaften werde, davon zeigten sich Raab und Will überzeugt. Will geht von einem einstelligen Millionenbetrag im unteren Bereich aus, den der Kreis auch künftig beisteuern müsse. Dies sei aber politisch vertretbar. Der Erhalt der Klinik sei nicht nur vor dem Hintergrund einer sonst drohenden medizinischen Unterversorgung im Südkreis und einer alternden Gesellschaft wichtig, sondern auch für die Notfallversorgung: „Ohne Kreisklinik verlängern sich die Wege um 27 Minuten“, so Raab.

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