L 11 KR 2308/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 5396/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 2308/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Durchführung einer Bronchoskopie unter Verwendung eines mit Metallspiralen verstärkten Schlauches (Bronchoflextubus), durch den das flexible Bronchoskop in die Luftröhre geführt wird, ist nach dem OPS-Kode 1-620.10 (diagnostische
Tracheobronchoskopie mit starrem Instrument) zu kodieren.
(Die Revision wurde vom Senat zugelassen)
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 14.05.2018 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 1.409,94 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin macht einen Vergütungsanspruch für die vollstationäre Behandlung eines bei der beklagten Krankenkasse versicherten Patienten geltend.

Die Klägerin ist eine im Handelsregister S. (HRB ...) eingetragene GmbH. Gesellschafter der Klägerin sind die S. Kliniken AG und der D.-Landesverband Baden-Württemberg eV. Die GmbH ist Trägerin des Krankenhauses vom R. K. B. C., welches mit 90 Betten für den Fachbereich Innere Medizin in den Krankenhausplan des Landes Baden-Württemberg aufgenommen ist.

Vom 17.03. bis 20.03.2015 wurde der bei der Beklagten versicherte B. D., geb am 26.11.1929, (im Folgenden: Patient) im Krankenhaus der Klägerin vollstationär behandelt. Bei dem Patienten war im Oktober 2013 ein nicht-kleinzelliges Bronchialkarzinom (non small cell lung carcinoma – NSCLC) im rechten Oberlappen festgestellt worden, welches aufgrund des fortgeschrittenen Alters des Patienten und internistischer Begleiterkrankungen als nicht operabel bewertet wurde. Die Aufnahme des Patienten in das Krankenhaus der Klägerin am 17.03.2015 erfolgte auf Einweisung des betreuenden Nephrologen, bei dem der Patient rechtsseitige Brust- und Rückenschmerzen angegeben hatte. Am 19.03.2015 wurde beim Patienten eine Bronchoskopie durchgeführt, über deren Verschlüsselung nach dem OPS-Kode 2015 zwischen den Beteiligten Streit besteht. Die Klägerin verschlüsselte diese diagnostische Maßnahme nach dem OPS-Kode (2015) 1-620.10 (Diagnostische Tracheobronchoskopie mit starrem Instrument, ohne weitere Maßnahmen). Mit Endabrechnung vom 25.03.2015 forderte die Klägerin von der Beklagten unter Angabe der G-DRG (2015) E71B (Neubildungen der Atmungsorgane, ohne äußerst schwere CC oder ein Belegungstag, mit Bronchoskopie oder bestimmter Lungenbiopsie) die Zahlung von 3.490,80 EUR.

Die Beklagte bezahlte den geforderten Betrag am 29.04.2015, beauftragte jedoch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) mit einer Prüfung der Krankenhausabrechnung. Der MDK zeigte dem Krankenhaus die Prüfung mit Prüfanzeige vom 24.04.2015 an und bat mit einem weiteren Schreiben vom 27.04.2015 um die Übersendung konkret bezeichneter Unterlagen. Die angeforderten Unterlagen, darunter das Protokoll der am 19.03.2015 durchgeführten Bronchoskopie, gingen am 05.05.2015 beim MDK ein. In seinem Gutachten vom 28.07.2015 vertrat der MDK die Auffassung, dass die übermittelten Diagnosen nicht die OPS (2015) 1-620.1 begründeten. Laut Bronchoskopieprotokoll sei ein flexibles Bronchoskop verwendet worden. Die am 19.03.2015 durchgeführte Bronchoskopie sei deshalb nach dem OPS-Kode 1-620.00 (Diagnostische Tracheobronchoskopie mit flexiblem Instrument) zu verschlüsseln. Dies ergebe die G-DRG E71C (Neubildungen der Atmungsorgane, ohne äußerst schwere CC oder ein Belegungstag, ohne Bronchoskopie, ohne bestimmte Lungenbiopsie). Die Klägerin wandte sich mit Schreiben vom 05.08.2015 gegen die vom MDK vertretene Auffassung und machte geltend, ausweislich des Bronchoskopiebefundes sei eine Bronchoskopie mit dem starren Instrument erfolgt. Bei der kombinierten starren und flexiblen Bronchoskopie sei zusätzlich ein flexibles Instrument verwendet worden, zu kodieren sei aber die starre Bronchoskopie, da diese den höheren Aufwand darstelle und demzufolge den Kodierrichtlinien entsprechend als medizinische Maßnahme geltend zu machen sei. Die Beklagte lehnte eine Weiterleitung des Widerspruchs an den MDK ab, da sich aus dem Widerspruchschreiben keine neuen medizinischen Aspekte ergäben.

Gestützt auf das Gutachten des MDK vom 28.07.2015 machte die Beklagte bei der Klägerin mit Schreiben vom 10.08.2015 einen Erstattungsanspruch in Höhe von 1.409,94 EUR geltend. Nachdem die Klägerin den geforderten Erstattungsbetrag nicht beglichen hatte, rechnete die Beklagte mit einer Vergütungsforderung der Klägerin für die Behandlung eines namentlich benannten anderen Patienten in Höhe von 1.409,94 EUR auf.

Am 06.10.2016 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Stuttgart erhoben. Entgegen den Ausführungen im Gutachten des MDK ergebe sich aus dem Bronchoskopiebefund ohne jeden Zweifel, dass sowohl eine starre als auch eine flexible Bronchoskopie erfolgt sei. Die Beklagte hat eine erneute Stellungnahme des MDK eingeholt.

In seinem Gutachten vom 11.04.2017 führt der MDK (Dr. B.) ua aus, von Prof. Dr. H., Ärztlicher Leiter des Krankenhauses, sei am Krankenhaus vom R. K. in S. die Methode der flexiblen Bronchoskopie über den Bronchusflextubus in tiefer Propofolsedierung entwickelt und auf Kongressen vorgestellt worden. Beim Bronchusflextubus handele es sich um einen Spiraltubus ohne Cuff mit einem zweiten Lumen über das eine Sauerstoffzufuhr möglich sei und auch eine Jet-Beatmung. Der Patient erhalte vor der Bronchoskopie einen Propofol-Bolus und werde dann bronchoskopisch mit diesem Tubus intubiert. Während der dann durchgeführten Bronchoskopie werde hochdosiert Propofol gegeben, so dass der Patient nicht erweckbar sei, nicht huste, aber spontan atme. Über den gesicherten Atemweg mit dem Tubus könne das flexible Bronchoskop rasch komplett herausgezogen und wieder eingeführt werden. Proben aus der Schleimhaut oder einen Tumor müssten nicht durch den engen Arbeitskanal gezogen werden, sondern können direkt mit dem flexiblen Bronchoskop herausgezogen werden. Blutungen seien über diesen Zugang besser zu beherrschen und Maßnahmen zur Blutstillung seien möglich, auch Rekanalisationsmaßnahmen seien so möglich und auch die endoskopische Lungenvolumenreduktionstherapie. Es handele sich bei dieser Art der Bronchoskopie jedoch eindeutig um eine flexible Bronchoskopie und nicht um eine starre Bronchoskopie.

Bei der Begutachtung von Fällen aus dem Krankenhaus vom R. K. sei auffällig, dass klinikseitig fast immer eine starre Bronchoskopie verschlüsselt worden sei, obwohl eine flexible Bronchoskopie über einen gesicherten Atemweg durch den Bronchoflex Tubus durchgeführt worden sei. In der Dokumentation des Krankenhauses werde dabei systematisch auch die falsche Beschreibung der Methode verwendet, indem, so wie im vorliegenden Einzelfall, neben der flexiblen Bronchoskopie auch eine starre Bronchoskopie erwähnt werde. Diese sei aber tatsächlich nicht durchgeführt worden. Das beschriebene Gerät entspreche einem flexiblen Bronchoskop. Bei einer starren Bronchoskopie wäre eine Relaxierung erforderlich. Diese sei im Verlaufsprotokoll Sedierung nicht zu finden und bei einer Relaxierung könne die Stimmbandfunktion auch nicht beurteilt werden. Auch sei eine regelhafte (Jet-)Beatmung hier nicht dokumentiert, sondern passager der Einsatz eines Ambu-Beutels, da es unter Propofol hier zu einer Hypoventilation gekommen sei. Inzwischen würden diese Bronchoskopien im Krankenhaus vom R. K. korrekt als flexible Bronchoskopien verschlüsselt. Wenn von Seiten des Krankenhauses die beschriebene Methode als zu aufwändig eingeschätzt werde, um mit dem Kode für eine einfache flexible Bronchoskopie verschlüsselt zu werden, so hätte der Weg der Antragstellung auf einen speziellen Bronchoskopiekode beim InEK offen gestanden.

Zu diesem Gutachten hat sich Prof. Dr. H. in seiner Stellungnahme vom 01.06.2017 geäußert. Der MDK-Gutachter schreibe "Im Gegensatz zur flexiblen Bronchoskopie ist bei der starren Bronchoskopie immer eine Vollnarkose erforderlich ..." und am Ende des Gutachtens "Es wäre bei der starren Bronchoskopie auch eine Relaxierung erforderlich". Diese Feststellungen seien nachweislich unzutreffend: Die AWMF-SI Leitlinie Tracheo-Bronchoskopie weise klar aus, dass die Analgosedierung eine Alternativmethode zur Vollnarkose bei der starren Bronchoskopie ist. Vorliegend sei eine (sehr tiefe) Analgosedierung über 30 Minuten erfolgt, die dann auch eine Beatmung durch den Anästhesiologen über 25 Minuten erfordert habe. Entweder werde das flexible (optische) Instrument ohne Sicherung des Zugangs zur Luftröhre mit einem starren Rohr in die Atemwege eingebracht (= Bronchoskopie mit dem flexiblen Instrument, OPS Kode 1-620.00) oder das flexible optische Instrument werde durch ein starres Rohr (= starres Bronchoskop = die Atemwegssicherung) in das Bronchialsystem eingebracht (Bronchoskopie mit starrem Instrument, OPS Kode 1-620.10). Der OPS 1-620.1 sehe die Durchführung der diagnostischen Tracheo-Bronchoskopie mit starrem Instrument vor. Der MDK setze - entgegen dem Wortlaut - die Verwendung eines starren Metallrohres voraus. Bei der in der Klinik regelhaft eingesetzten Atemwegssicherung sei die Stahlkontinuation des Rohres auf eine Stahlspiralfeder reduziert. Diese Stahlspirale sei in einen PVC-Mantel eingearbeitet und gebe dem Instrument das, was für die Atemwegssicherung der starren Bronchoskopie erforderlich ist, die Lumenstarre. Das Rohr könne nicht komprimiert werden. Somit handele es sich nicht um ein starres Metallrohr, sondern dessen patientenfreundliche Weiterentwicklung, die unter die Begrifflichkeit eines starren Instruments zu subsumieren sei. An der Patientenüberwachungsnotwendigkeit, wie der MDK zutreffend darstelle, ändere sich nichts.

Anschließend hat das SG den Facharzt für Innere Medizin, Medizinische Informatik, Dr. v D., A., mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Der Sachverständige hat sich in seinem Gutachten vom 05.01.2018 der Auffassung von Prof. Dr. H. angeschlossen. Das von Prof. Dr. H. durchgeführte Verfahren werde von keinem der beiden hier in Frage kommenden OPS-Kodes vollständig abgebildet. Es sei daher entsprechend den Vorgaben des DIMDI derjenige Schlüssel auszuwählen, dem das Verfahren möglichst genau entspreche. Es werde im OPS zwischen einem starren und einem flexiblen Instrument unterschieden. Dabei werde nicht genau ausgeführt, was unter einem starren Instrument zu verstehen sei. Im allgemeinen klinischen Sprachgebrauch werde unter einem starren Instrument ein nicht biegsames Rohr verstanden, das als Arbeitskanal diene (zB zur Probenentnahme) oder auch zur Beatmung. Seitens des OPS werde ein lumenstarres Rohr gefordert, was nicht bedeute, dass es sich dabei um ein durchgängig starres gerades Stahlrohr handeln müsse. Das von Prof. Dr. H. verwendete Rohr weise die Merkmale eines lumenstarren Rohres auf, die Sicherung eines Atemwegzugangs sei durch dieses Bronchoskop vergleichbar zur "starren Bronchoskopie" gegeben, über das Bronchoskop könne der Patient auch beatmet werden, wie dies bei der starren Bronchoskopie ebenfalls gegeben sei. Der am ehesten zutreffende OPS-Kode sei daher 1-620.1.

Die Beklagte hat gegen diese Gutachten eingewandt, dass Prof. Dr. H. zum Einführen des flexiblen Bronchoskops einen Tubus benutze, den man sonst zur Dauerbeatmung eines Patienten verwende. Dieses Instrument entspreche ganz sicher nicht einem starren Bronchoskop. Es sei nicht starr, sondern biegsam, lediglich die Wände des Tubus seien durch spiralige Metalle verstärkt, so dass das Lumen durch äußeren Druck nicht geknickt oder eingeengt werden könne.

Das SG hat der Klage mit Urteil vom 14.05.2018 stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 1.409,94 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab dem 16.09.2015 zu zahlen. Die Klägerin habe nachweislich des Bronchoskopiebefundes eine starre und flexible Bronchoskopie unter tiefer Sedierung des Versicherten durchgeführt. Hierbei habe die Klägerin einen sogenannten Bronchoflex-Tubus eingesetzt. Dies bezeichne eine Weiterentwicklung des starren Metallrohrs zu einem Stahlspiralfeder-Tubus, bei welchem eine Stahlspiralfeder in einen PVC-Mantel eingearbeitet sei. Durch die Stahlspiralfeder sei eine Kompression des Rohres nicht möglich, so dass der Atemweg gesichert bleibe. Die von der Klägerin eingesetzte Methode sei nach Überzeugung des SG unter den OPS-Kode 1-620.10 zu subsumieren. Das Gericht stütze seine Überzeugung auf das fundierte und schlüssige Gutachten von Dr. von D. vom 05.01.2018. Danach werde beim Einsatz des Bronchoflex-Tubus gleich wie bei der Durchführung einer Bronchoskopie mit einem Metallrohr ein gesicherter Atemweg hergestellt, welcher dieselben diagnostischen Möglichkeiten biete wie die Durchführung mit einem Metallrohr. Auch der personelle Aufwand und die erforderliche Sedierung entsprächen dem Aufwand und der Narkotisierung bei Einsatz eines starren Rohres. Insofern weise der Gutachter zutreffend darauf hin, dass die vorliegend eingesetzte Sedierung nach der AWMF-Leitlinie Tracheo-Bronchoskopie als Alternativmethode zur Vollnarkose bei Durchführung einer starren Bronchoskopie zugelassen ist. Der einzige Unterschied zwischen den beiden Methoden sei die Reduzierung des Metallrohrs auf eine Stahlspiralfeder, welche die zur Atemwegssicherung erforderliche Starre gewährleiste. Das Gericht sei auch unter Berücksichtigung der gebotenen wortlautgetreuen Auslegung davon überzeugt, dass es sich trotz der Weiterentwicklung und Reduzierung des Metallrohrs auf eine Stahlspiralfeder um ein starres Instrument im Sinne des OPS 1-620.10 handele. Für das Gericht sei maßgeblich, dass die Stahlspiralfeder die für die im Rahmen einer starren Bronchoskopie erforderliche Atemwegssicherung gewährleiste und somit dieselben Einsatzmöglichkeiten wie bei Durchführung mit einem Metallrohr biete. Der Begriff "starr" im OPS 1-620.10 sei in diesem Sinn funktional zu sehen und beziehe sich daher wesentlich auf die im Unterschied zur flexiblen Bronchoskopie nach dem OPS 1-620.00 erforderliche Gewährleistung der Atemwegssicherung. Hierbei mache es nach Überzeugung der Kammer keinen Unterschied, ob das die Starre gewährleistende Material den Umfang eines Metallrohrs habe oder auf eine Stahlspiralfeder reduziert sei, solange letztere gleichwertig den Atemweg sichere. Entsprechend heiße es im Wortlaut des OPS 1-620.10 nicht starres "Rohr", sondern starres "Instrument". Das Urteil des SG ist der Beklagten mittels Empfangsbekenntnis am 29.05.2018 zugestellt worden.

Am 29.06.2018 hat die Beklagte Berufung eingelegt. Sie hat die Ausführungen des MDK im Gutachten vom 14.11.2017 wiederholt und ausgeführt, dass vor dem Hintergrund dieses Gutachtens nicht ansatzweise nachvollziehbar sei, weshalb im vorliegenden Fall der streitgegenständliche OPS kodierbar sein solle. Es sei gerade kein starres, sondern ein biegsames Instrument (Bronchflex-Tubus) verwendet worden, bei dem lediglich die Wände des Tubus durch spiralige Metalle verstärkt sind, so dass das Lumen durch äußeren Druck nicht geknickt oder eingeengt werden könne.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 14.05.2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 14.05.2018 zurückzuweisen.

Die Klägerin hält die Entscheidung des SG für zutreffend und verweist auf die bereits vorgelegte Stellungnahme des Prof. Dr. H ... In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 05.11.2019 hat Prof. Dr. H. die von ihm verwendete Methode noch einmal beschrieben und ua darauf hingewiesen, dass der Tubus, durch den das Bronchoskop eingeführt werde, nur für den einmaligen Einsatz beim Patienten bestimmt sei. Nach Durchführung der Behandlung werde der Tubus entsorgt. Die Beklagte hat dargelegt, dass ihrer Meinung nach die Kodierung nach dem OPS-Kode 1-620.10 die Verwendung eines starren Bronchoskops erfordere.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.

Die nach den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Das SG hat die Beklagte zu Recht zur Zahlung von 1.409,94 EUR verurteilt. Die Beklagte hat zu Unrecht in dieser Höhe gegen eine andere (unstreitige) Forderung der Klägerin aufgerechnet, da ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch (zum öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch bei Überzahlung von Krankenhausentgelten vgl eingehend BSG 25.10.2016, B 1 KR 9/16 R, SozR 4-5562 § 11 Nr 2; 01.07.2014, B 1 KR 24/13 R, SozR 4-2500 § 301 Nr 2) nicht besteht. Die Zahlung der Vergütung iHv 1.409,94 EUR erfolgte mit Rechtsgrund. Denn die Klägerin hat zutreffend für die Behandlung des Versicherten die G-DRG (2015) E71B (Neubildungen der Atmungsorgane, ohne äußerst schwere CC oder ein Belegungstag, mit Bronchoskopie oder bestimmter Lungenbiopsie) abgerechnet. Sie war berechtigt, die am 19.03.2015 durchgeführte Bronchoskopie mit dem OPS-Kode (2015) 1-620.10 (Diagnostische Tracheobronchoskopie mit starrem Instrument, ohne weitere Maßnahmen) zu verschlüsseln.

Die Klägerin hat mit der erhobenen (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG die richtige Klageart gewählt (dazu nur BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13, juris; BSG 14.10.2014, B 1 KR 26/13 R, SozR 4-2500 § 301 Nr 3). Es handelt sich um einen sog Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und eine Klagefrist nicht zu beachten ist (BSG 28.11.2013, B 3 KR 33/12 R, SozR 4-5562 § 9 Nr 5).

Die Klägerin erfüllte die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Krankenhausvergütung, indem sie den Versicherten vom 17.03. bis 20.03.2015 in ihrem nach § 108 Nr 2 SGB V zugelassenen Krankenhaus stationär behandelte. Die Behandlungen waren auch erforderlich. Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung - wie hier - in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgt und iS von § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist (st Rspr BSG 16.12.2008, B 1 KN 1/07 R, BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13; BSG 08.11.2011, B 1 KR 8/11 R, BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2).

Die konkrete Höhe des dem Krankenhaus zustehenden Vergütungsanspruches bemisst sich gemäß § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V nach Maßgabe des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) und des Krankenhausentgeltgesetzes (KHEntgG). Nach § 7 Satz 1 KHEntgG werden die allgemeinen Krankenhausleistungen gegenüber den Patienten oder ihren Kostenträgern mit verschiedenen, in den Nrn 1 bis 8 abschließend aufgezählten Entgelten abgerechnet. Hier geht es um die Abrechnung von Fallpauschalen (G-DRG) nach dem auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog (§ 7 Satz 1 Nr 1 iVm § 9 KHEntgG). Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam vereinbaren nach § 9 Abs 1 Satz 1 KHEntgG mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als Vertragsparteien auf Bundesebene mit Wirkung für die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG einen Fallpauschalen-Katalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit hiervon zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge (Nr 1), einen Katalog ergänzender Zusatzentgelte (Nr 2) sowie die Abrechnungsbestimmungen für die Fallpauschalen und die sonstigen Entgelte (Nr 3). Maßgeblich sind hier der für das Jahr 2015 vereinbarte Fallpauschalen-Katalog (DRG-Version 2015) und die Fallpauschalenvereinbarung (FPV) 2015.

Der Fallpauschalenkatalog ist nach Fallgruppen geordnet. Nach § 1 Abs 6 Satz 1 FPV sind in diesem Sinne zur Einstufung des Behandlungsfalles in die jeweils abzurechnende Fallpauschale Programme (Grouper) einzusetzen. Zugelassen sind nur solche Programme, die von der InEK GmbH - Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus, einer gemeinsamen Einrichtung der in § 17b Abs 2 Satz 1 KHG und § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 KHEntgG genannten Vertragspartner auf Bundesebene - zertifiziert worden sind. In welcher Weise die Eingaben in das Datensystem zu erfolgen haben, gibt nicht allein der Grouper durch die vorprogrammierten Abfragen mit genormten Antworten vor. Vielmehr regeln die FPV und die Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) konkrete Vorgaben für die Eingaben. Die Anwendung der DKR, vorliegend Stand 2015, und der FPV-Abrechnungsbestimmungen einschließlich des ICD-10-GM und des OPS unterliegt grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft (dazu und zum Folgenden: BSG 14.10.2014, B 1 KR 26/13 R, SozR 4-2500 § 301 Nr 3). Die Abrechnungsbestimmungen sind gleichwohl wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen. Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Demgemäß sind Vergütungsregelungen stets eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen. Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiterzuentwickelndes und damit "lernendes" System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, dies mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13 R und B 1 KR 26/13 R, aaO; BSG 21.04.2015, B 1 KR 8/15 R, juris).

Ausgehend von diesen Regelungen und Grundsätzen ist der Senat der Auffassung, dass die Entscheidung des SG nicht zu beanstanden ist. Der Senat weist die Berufung der Beklagten aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs 2 SGG).

Das Vorbringen der Beklagten im Berufungsverfahren führt zu keiner anderen Beurteilung.

In ihrer Berufungsbegründung stützt sich die Beklagte in erster Linie auf das Gutachten des MDK vom 11.04.2017, in dem ua auch ausgeführt wird, dass die starre Bronchoskopie häufig mit der flexiblen Bronchoskopie kombiniert werde, über das starre Rohr werde das flexible Instrument eingeführt. Daraus ist zu entnehmen, dass jedenfalls nach Ansicht des MDK die Verwendung auch eines flexiblen Bronchoskops noch nichts darüber aussagt, ob eine starre Bronchoskopie kodiert werden darf. Insofern erscheint es widersprüchlich, wenn der MDK im selben Gutachten darlegt, dass die Klägerin die Methode falsch beschrieben habe, weil sie neben der flexiblen Bronchoskopie auch eine starre Bronchoskopie erwähne, obwohl "das verwendete Gerät einem flexiblen Bronchoskop entspricht". Bei einer kombinierten starren und flexiblen Bronchoskopie ist das verwendete Gerät aber immer (zumindest auch) ein flexibles Bronchoskop. Der Umstand, dass bei der hier streitgegenständlichen Bronchoskopie am 19.03.2015 auch eine flexibles Bronchoskop verwendet wurde, steht also der Abrechnung einer starren Bronchoskopie nicht entgegen. Entscheidend ist nur, ob der OPS-Kode (2015) 1-620.10 durch die Formulierung "mit starrem Instrument" die (ausschließliche oder zusätzliche) Verwendung eines nicht biegsamen Edelstahlrohrs voraussetzt oder ob hierfür auch die Verwendung eines Bronchusflextubus genügt.

Nach Ansicht des Senats genügt für den Ansatz des OPS-Kode (2015) 1.620.10 der von der Klägerin eingesetzte Bronchusflextubus. Dafür spricht zunächst, dass die Klägerin nicht ausschließlich eine flexible Bronchoskopie durchgeführt, sondern zusätzlich zum flexiblen Bronchoskop auch einen Bronchusflextubus verwendet hat. Die vom BSG geforderte eng am Wortlaut der Vergütungsregelung orientierte Auslegung verlangt mit der Formulierung "mit starrem Instrument" nicht, dass es sich bei der damit beschriebenen Methode um eine Bronchoskopie mit einem aus einem einzigen Metallstück bestehenden Bronchoskop handeln muss. Das "Instrument", mit dessen Hilfe eine Bronchoskopie durchgeführt wird, kann auch aus mehreren Teilen bestehen. Ergänzend zur strengen Wortlautauslegung sind daher auch systematische Zusammenhänge zu beachten. Deshalb ist zu berücksichtigen, dass die Bronchoskopie entweder eine solche "mit starrem Instrument" oder eine solche "mit flexiblem Instrument" ist. Es ist daher nicht richtig, von einer kombinierten starren und flexiblen Bronchoskopie zu sprechen. Die beiden Methoden stellen eine Alternative dar und schließen sich gegenseitig aus.

Da mit dem Wortlaut des OPS-Kodes (2015) 1.620.00 auch ein Verständnis der Bestimmung vereinbar ist, die eine Abrechnung nach diesem Kode nur vorsieht bzw vorschreibt, wenn die Bronchoskopie ausschließlich mit Hilfe eines flexiblen Bronchoskops vorgenommen wurde, kommt es zusätzlich darauf an, ob der von der Klinik der Klägerin verwendete Tubus als "starr" qualifiziert werden kann. Dies ist zu bejahen. Bei dem Bronchusflextubus handelt es sich um einen Tubus (Schlauch), dessen Wände durch Metallspiralen verstärkt sind, so dass das Lumen (die lichte Weite des Schlauchs) durch äußeren Druck nicht geknickt oder eingeengt werden kann. Darauf kommt es nach Ansicht des Senats entscheidend an. Durch diesen Tubus kann das flexible Bronchoskop in die Luftröhre geführt werde. Flexible Bronchoskope sind 3 bis 6 mm durchmessende schlauchartige Instrumente, die an der Spitze eine Minikamera und eine Lampe haben und in deren Achse ein 2 mm durchmessender Arbeitskanal verläuft (so die Definition auf der homepage der Klägerin, https://www.). Der Unterschied zwischen beiden Methoden besteht ua darin, dass bei der starren Bronchoskopie die Sicherung eines Atemwegszugangs gegeben ist. Genau das ist bei der von der Klägerin angewendeten Methode der Fall. Der von der Klinik der Klägerin verwendete Bronchoflextubus enthält ein zweites Lumen, durch das eine Sauerstoffzufuhr und eine Jet-Beatmung möglich ist. Dies ist zwischen den Beteiligten nicht umstritten. Damit ist die Bronchoskopie mit einem Bronchoflextubus eine solche mit einem starren Instrument.

Der MDK hat in seinem Gutachten vom 11.04.2017 ausführlich dargelegt, wie die Bronchoskopie im Krankenhaus der Klägerin zur Anwendung gelangt. Danach steht zur Überzeugung des Senats fest, dass es sich beim Bronchusflextubus um einen Spiraltubus ohne Cuff mit einem zweiten Lumen handelt, über das eine Sauerstoffzufuhr und auch eine Jet-Beatmung möglich ist. Der Patient erhält vor der Bronchoskopie einen Propofol-Bolus und wird dann bronchoskopisch mit diesem Tubus intubiert. Während der dann durchgeführten Bronchoskopie wird hochdosiert Propofol gegeben, so dass der Patient nicht erweckbar ist, nicht hustet, aber spontan atmet. Über den gesicherten Atemweg mit dem Tubus kann das flexible Bronchoskop rasch komplett herausgezogen und wieder eingeführt werden. Proben aus der Schleimhaut oder einen Tumor müssen nicht durch den engen Arbeitskanal gezogen werden, sondern können direkt mit dem flexiblen Bronchoskop herausgezogen werden. Blutungen sind über diesen Zugang besser zu beherrschen und Maßnahmen zur Blutstillung sind möglich, auch Rekanalisationsmaßnahmen sind so möglich, ebenso die endoskopische Lungenvolumenreduktionstherapie. Während der MDK jedoch der Ansicht ist, dass es sich bei dieser Form der Bronchoskopie "eindeutig um eine flexible Bronchoskopie und nicht um eine starre Bronchoskopie" handele, hat der gerichtliche Sachverständige dargelegt, dass damit die wesentlichen Kriterien der starren Bronchoskopie beschrieben würden. Dieser Auffassung schließt sich der Senat an. Die Verwendung eines flexiblen Bronchoskops bedeutet noch nicht, dass eine flexible Bronchoskopie durchgeführt wurde. Zu kodieren ist der gesamte Vorgang der Bronchoskopie und nicht der Einsatz einzelner technischer Hilfsmittel.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm § 154 Abs 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung, da weder die Klägerin noch die Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Hs 1 SGG iVm §§ 1 Abs 2 Nr 3, 63, 52 Abs 1 und 3, 47 Abs 1 und 2 Gerichtskostengesetz.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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