L 8 KR 425/16

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 5 KR 115/13
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 425/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Da die so genannte 6-Stunden-Regel der DKR 1001h, Version 2011, S. 102 sich ausdrücklich auf den „speziellen Fall“ der Masken-CPAP bezieht, lässt der eindeutige Wortlaut dieser Bestimmung eine Anwendung auf die Behandlung mittels CPAP/ASB nicht zu. Insoweit verbleibt es damit bei der allgemeinen Regelung der DKR 1001h, Version 2011 auf S. 101.
Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kassel vom 15. August 2016 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin 18.847,84 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 4. Dezember 2012 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit steht die Vergütung der stationären Behandlung des bei der Beklagten versicherten T. (T) in der Klinik der Klägerin im Zeitraum vom 30. Januar 2011 zum 16. Februar 2011.

Die Aufnahme von T erfolgte notfallmäßig nach einem Verkehrsunfall mit multiplen traumatischen Verletzungen, die im Rahmen des stationären Aufenthaltes zum Teil operativ versorgt werden mussten. Zu der Behandlung heißt es in einem Verlegungsbericht der chirurgischen Intensivstation der Klägerin vom 11. Februar 2011, T habe sich vom 30. Januar 2011 bis 9. Februar 2011 dort in intensivmedizinischer Behandlung befunden. Er sei von Beginn an beatmet worden. Am 6. Februar sei bei zufriedenstellender Lungenfunktion die Extubation erfolgt und danach eine nicht-invasive druckunterstützte Beatmungstherapie über eine Maske zur Vermeidung einer Reintubation durchgeführt worden. In einem nachfolgenden Arztbrief der Klinik für Unfallchirurgie und orthopädische Chirurgie bei der Klägerin vom 16. Februar 2011 wurde ausgeführt: "Postoperativ wurde der Patient auf unsere operative Intensivstation zur Stabilisierung des Allgemeinzustandes verlegt. Im Verlauf konnte der Patient problemlos extubiert werden. Am 9. Februar 2011 übernahmen wir den Patienten auf unsere periphere Station ".

Von der Klägerin wurde mit Rechnung vom 23. Februar 2011 gegenüber der Beklagten ein Entgelt in Höhe von insgesamt 41.708,04 EUR eingefordert. Dabei wurde geltend gemacht, aufgrund der Durchführung von 280 kodierbaren Beatmungsstunden sei die DRG W01B in Ansatz zu bringen. Diese Rechnung wurde von der Beklagten am 10. März 2011 zunächst voll beglichen. Am 18. Mai 2011 erfolgte eine Überprüfung im Rahmen einer Begehung vor Ort durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Hessen (MDK). Im nachfolgenden Gutachten vom 19. Mai 2011 heißt es: "Für den 10. und 11. Februar mit den vorgelegten Unterlagen kein Weaning mehr nachvollziehbar." Der Sachverständige des MDK ging in dem Gutachten von 240 anrechenbaren Beatmungsstunden aus ("172 Stunden invasive Beatmung + 68 Stunden Weaning nach der Extubation am 6. Februar"). Mit Schreiben vom 17. Juni 2011 forderte die Beklagte die Klägerin daraufhin auf, den Behandlungsfall nach der DRG W01C abzurechnen. Dem widersprach die Klägerin mit Schreiben vom 28. Juli 2011. Daraufhin veranlasste die Beklagte eine erneute Begutachtung durch den MDK. Für diesen kam der Sachverständige Dr. C. am 3. August 2012 zu dem gleichen Ergebnis wie in seinem Vorgutachten. Daraufhin forderte die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 8. August 2012 zu einer Rechnungskorrektur unter Ansatz der DRG W01C auf. Am 4. Dezember 2012 buchte die Beklagte zunächst den gesamten Rechnungsbetrag zurück und zahlte zugleich einen Teilbetrag i.H.v. 22.860,20 EUR an die Klägerin.

Die Zahlung des von ihr weiterhin geltend gemachten Restbetrages von 18.847,84 EUR zuzüglich Zinsen ist von der Klägerin mit der am 18. April 2013 beim Sozialgericht Kassel eingegangenen Klage geltend gemacht worden. Dabei hat sie vorgetragen, das Weaning sei erst am 11. Februar 2011 um 6.30 Uhr mit den beatmungsfreien Intervallen beendet worden. Da die Summe der Beatmungsperioden während eines Krankenhausaufenthaltes zur nächsten ganzen Stunde aufzurunden sei, ergäben sich zählbare 280 Beatmungsstunden.

Auf Veranlassung der Beklagten hat der MDK die Patientenakte nochmals ausgewertet und hierzu im Gutachten vom 18. Juli 2013 ausgeführt, dass T am 9. Februar 2011 von der Intensivstation auf die Normalstation verlegt worden sei und die intubationspflichtige Beatmung sowie atemunterstützende Maßnahmen/Weaning nur für die Zeit der intensivmedizinischen Versorgung als Beatmungszeit gerechnet werden könnten. Da T am 9. Februar 2011 von der Intensivstation abverlegt worden sei, könne die Zeit nach der Verlegung definitionsgemäß nicht mitgerechnet werden. Es ergäben sich nach Auswertung der vorliegenden Beatmungs- und Atemprotokolle eine Beatmungszeit vom 30. Januar 2011, 14:37 Uhr bis 9. Februar 2011, 22:30 Uhr mit insgesamt 249 anrechenbaren Beatmungsstunden. Im Übrigen seien am 10. und 11. Februar lediglich atemunterstützende Maßnahmen von kalendertäglich weniger als 6 Stunden Dauer durchgeführt worden. Auch aus diesem Grund könne dies nicht als Weaning-Zeitraum hinzugerechnet werden.

Hierzu ist von der Klägerin eingewandt worden, nach der DKR 1001h, Version 2011 sei die nichtinvasive Beatmung/Atemunterstützung stets als Entwöhnung zu werten. Lediglich für die originäre maschinelle Beatmung komme es darauf an, ob diese auf der Intensivstation erfolgt sei. Zudem sei T vorliegend durchgehend bis 11. Februar 2011 um 13:55 Uhr auf der Intensivstation behandelt worden. Schließlich sei die vom MDK zugrunde gelegte "6-Stunden-Regel" für den 10. und 11. Februar nicht anwendbar, da das Weaning vorliegend nicht nur mittels Masken-CPAP sondern mittels Masken CPAP/ASB durchgeführt worden sei. Hierbei handele es sich um ein "Mehr" gegenüber dem reinen Masken-CPAP.

Das Sozialgericht hat ein Gutachten nach Aktenlage bei dem Sachverständigen Dr. D. eingeholt, das am 28. Mai 2014 erstattet worden ist. Von diesem ist nach Auswertung der Patientenakte die Auffassung vertreten worden, am 10. Februar 2011 sei T von 0 Uhr bis 4:45 Uhr und von 10:00 Uhr bis 24 Uhr jeweils 20 Minuten pro Stunde mittels CPAP beatmet worden. Dies ergebe eine Beatmungszeit von 16,75 Stunden. Am 11. Februar 2011 sei er in gleicher Weise von 0:00 Uhr bis 6:15 Uhr beatmet worden. Hieraus folge eine anrechenbare Beatmungszeit von 6,25 Stunden. Insgesamt seien der von der Beklagten zuerkannten Beatmungszeit von 249 Stunden im Zeitraum bis zum 9. Februar daher noch 23 Stunden hinzu zu addieren. Weiterhin sei T im Rahmen der Operation am 11. Februar 2011 nochmals 2 Stunden beatmet worden. Daraus ergebe sich eine Gesamtbeatmungsdauer für die Behandlung von 274 Stunden. Da bis zum Morgen des 11. Februar 2011 die Intensivdokumentation vorliege und die Dokumentation der peripheren Station erst mit dem Kurvenblatt am 11. Februar 2011 beginne, sei davon auszugehen, dass die Verlegung aus der Intensivstation erst an diesem Tag erfolgt sei. Auch in vorliegenden Laborblättern vom 10. Februar 2011 sei als auftraggebende Station noch die Intensivstation ausgewiesen. Er gehe davon aus, dass in dem Entlassungsbrief die Verlegung am 11. Februar 2011 irrtümlich angegeben worden sei. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 16. März 2015 hat der Sachverständige an seiner Bewertung festgehalten.

Das Sozialgericht Kassel hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 15. August 2016 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, zunächst könne im Anschluss an die Ausführungen des Sachverständigen Dr. D. davon ausgegangen werden, dass T tatsächlich noch bis zum 11. Februar 2011 auf der Intensivstation im Haus der Klägerin behandelt worden sei. Sämtliche Laborberichte und intensive Pflegedokumentation erstreckten sich bis zum 11. Februar 2011 um die Mittagszeit, während die periphere Station mit der Dokumentation erst am 11. Februar 2011 begonnen habe. Bei dem Verlegungsbericht vom 11. Februar 2011 habe es sich hingegen nur um einen vorläufigen Verlegungsbericht gehandelt. Ein endgültiger Verlegungsbericht sei hingegen nicht aktenkundig. Möglicherweise sei der vorläufige Verlegungsbericht bereits am 9. Februar 2011 vorbereitet worden, weil zu diesem Zeitpunkt Verlegung geplant gewesen sei. Hierfür spreche auch die Zuweisung des Bettes auf der unfallchirurgischen Station am 9. Februar 2011. Auch der Inhalt des vorläufigen Verlegungsberichtes spreche zur Überzeugung des Gerichts eindeutig für eine weitergehende Behandlung bis zum 11. Februar 2011 auf der Intensivstation. Im Übrigen sei das Gutachten allerdings nicht schlüssig, da von dem Sachverständigen die Beatmungsstunden offensichtlich falsch angesetzt worden seien. So gehe der Sachverständige davon aus, dass T am 11. Februar 2011 von 0.00 Uhr bis 6.15 Uhr mit CPAP beatmet worden sei. Nach dem Beatmungsprotokoll in der Originalpatientenakte könne dies nicht nachvollzogen werden. Danach sei eine Beatmung lediglich von 6.15 Uhr bis 6.30 Uhr erfolgt. Nach den Beatmungsprotokollen sei die Beatmungszeit beim Weaning am 10. und am 11. Februar 2011 mit den Ausführungen des MDK und der Beklagten jeweils als unter sechs Stunden kalendertäglich anzusetzen hierbei überwiegend ohne ASB, wie den Protokollen zu entnehmen sei. In den Beatmungsprotokollen sei zudem dokumentiert, dass im Wesentlichen das Weaning am 10. Februar 2011 lediglich über die CPAP-Maske erfolgt sei und nicht zusätzlich mit ASB. Im Ergebnis gehe daher die Kammer zwar von der intensivmedizinischen Versorgung bis zum 11. Februar 2011 und einem Weaning bis zum 11. Februar 2011 aus, am 10. und 11. Februar 2011 allerdings mittels CPAP mit jeweils Gesamtbeatmungsdauer von unter sechs Stunden. Der Berechnung des Gutachters folge die Kammer insoweit nicht.

Der Gerichtsbescheid ist am 23. August 2016 an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt worden. Die Berufung der Klägerin ist am 8. September 2016 am Hessischen Landessozialgericht eingegangen.

Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme von dem Sachverständigen Dr. D. vom 27. Januar 2017 eingeholt. Darin hat dieser die Ansicht vertreten, dass die Beatmungsstunden mittels CPAP, ASB und auch NIV (nichtinvasive Beatmung) von 9. Februar 2011 22 Uhr bis 10. Februar 2011 4:45 Uhr sowie am 10. Februar 2011 von 10 Uhr bis 18 Uhr als maschinelle Beatmung gezählt werden müssten, also 18,45 Stunden bzw. aufgerundet 19 Stunden zusätzlich zu den bisher von der Beklagten 248 anerkannten Stunden.

Von der Beklagten ist ein erneutes Gutachten des MDK nach Aktenlage vom 12. Juni 2017 vorgelegt worden. Darin ist die Sachverständige Dr. E. zu dem Ergebnis gelangt, dass nach Auswertung der Patientenakte eine Beatmungsdauer von 253 Minuten festzustellen sei. Dies ergibt sich ihrer Ansicht nach wie folgt: &61485; Vom 30. Januar 2011 ab 14:37 Uhr bis 9. Februar 2011 um 22:30 Uhr ein Beatmungszeitraum von 247 Stunden, 53 Minuten bzw. aufgerundet 248 Stunden &61485; am 10. Februar 2011 Beatmungszeiten von insgesamt 4 Stunden und 35 Minuten bzw. aufgerundet 5 Stunden &61485; am 11. Februar 2011 15 Minuten Nach dem vorgelegten Beatmungs- und Atemprotokoll sei die Beatmung am 10. und 11. Februar mittels CPAP/ASB erfolgt.

Die Klägerin ist der Ansicht, nach den Bestimmungen der DKR 1001h, Version 2011 sei der gesamte Zeitraum vom 30. Januar 2011 um 14:37 Uhr bis zum 11. Februar 2011 um 6:30 Uhr bei der Berechnung der Beatmungsdauer zu berücksichtigen. Dabei sei es zwischen den Beteiligten unstreitig, dass T vom 30. Januar 2011 um 14:37 Uhr bis zum 9. Februar 2011 um 22:30 Uhr durchgehend beatmet worden sei. Dies entspreche einem Zeitraum von 247 Stunden und 53 Minuten. Am 10. Februar 2011 sei T ab 3:15 Uhr für 1 Stunde und 45 Minuten, ab 10:00 Uhr für 1 Stunde, ab 12:30 Uhr für 35 Minuten, ab 14:30 Uhr für 35 Minuten und ab 18:00 Uhr für 40 Minuten mittels CPAP/ASB beatmet worden. Am 11. Februar 2011 sei eine solche Beatmung nochmals von 6:15 Uhr bis 6:30 Uhr durchgeführt worden. Insoweit stimme man mit dem Gutachten des MDK vom 12. Juni 2017 überein. Aufgrund der Durchführung der Beatmung mittels CPAP/ASB finde insoweit die 6-Stunden-Regelung der DKR 1001h, Version 2011 keine Anwendung. Da die Dauer der Entwöhnung insgesamt, inklusive beatmungsfreier Intervalle während der jeweiligen Entwöhnung bei der Berechnung der Beatmungsdauer zu berücksichtigen sei, ergebe sich ein Gesamtzeitraum von 279 Stunden und 53 Minuten, welcher die von der Klägerin abgerechnete DRG W01B rechtfertige.

Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kassel vom 15. August 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin 18.847,84 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 4. Dezember 2012 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie sieht sich durch die Entscheidung des Sozialgerichts Kassel sowie das Ergebnis der von ihr vorgelegten Gutachten des MDK bestätigt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Patientenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet.

Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kassel kann keinen Bestand haben, da der Klägerin der mit der Klage geltend gemachte Zahlungsanspruch zusteht. Die Klägerin hat im Rahmen ihrer zulässig erhobenen Zahlungsklage einen Anspruch auf eine weitere Vergütung für die Behandlung des Versicherten der Beklagten T. Die Beklagte war nicht berechtigt, gegenüber anderen Forderungen der Klägerin die Aufrechnung in Höhe von 18.847,84 EUR zu erklären.

Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Behandlung – wie hier – in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und i.S.v. § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist (stRsprg., u.a. Bundessozialgericht - BSG – Urteil vom 8. November 2011 - B 1 KR 8/11 R -, juris Rn. 13). Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Die Höhe des Vergütungsanspruchs ergibt sich sodann gemäß § 17b Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze – Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) i.V.m. §§ 7 Abs. 1 Satz 1, 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Gesetzes über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen - Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) aus einem diagnosebezogenen, pauschalierenden Vergütungssystem, bestehend aus einer Fallpauschalenvereinbarung (FPV) und einem Fallpauschalenkatalog, hier in der im Jahr 2011 geltenden Fassung.

Der Fallpauschalenkatalog ist nach Fallgruppen (DRG = Diagnosis Related Groups) geordnet. Für die Zuordnung eines bestimmten Behandlungsfalles zu einer DRG wird in einem ersten Schritt die durchgeführte Behandlung nach ihrem Gegenstand und ihren prägenden Merkmalen mit einem Kode gemäß dem vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebenen "Operationen- und Prozedurenschlüssel nach § 301 SGB V" (OPS-301) verschlüsselt (§ 301 Abs. 2 S 2 SGB V). Zur sachgerechten Durchführung der Verschlüsselung ("Kodierung") haben die Vertragspartner auf Bundesebene "Kodierrichtlinien" beschlossen. In einem zweiten Schritt wird der in den Computer eingegebene Kode einer bestimmten DRG zugeordnet, anhand der dann nach Maßgabe des Fallpauschalenkatalogs und der Pflegesatzvereinbarung die von der Krankenkasse zu zahlende Vergütung errechnet wird. Diesem als "Groupierung" bezeichneten Prozess der DRG-Zuordnung liegt ein festgelegter Groupierungsalgorithmus zugrunde; in diesem vorgegebenen, vom Krankenhaus nicht zu beeinflussenden Algorithmus wird entsprechend dem vom Krankenhaus eingegebenen Kode nach dem OPS-301 eine bestimmte DRG angesteuert (vgl BSG SozR 4-2500 § 109 Nr. 11 RdNr. 16). Vergütungsregelungen für die routinemäßige Abwicklung in zahlreichen Behandlungsfällen sind streng nach ihrem Wortlaut und den dazu vereinbarten Anwendungsregeln zu handhaben; dabei gibt es grundsätzlich keinen Raum für weitere Bewertungen und Abwägungen. Ergeben sich bei der Abrechnung Wertungswidersprüche und sonstige Ungereimtheiten, haben es die zuständigen Stellen durch Änderung des Fallpauschalenkatalogs, der OPS-Kodes und der Kodierrichtlinien in der Hand, für die Zukunft Abhilfe zu schaffen. Eine systematische Interpretation der Vorschriften kann lediglich i.S. einer Gesamtschau der im inneren Zusammenhang stehenden Bestimmungen des Regelungswerks erfolgen, um mit ihrer Hilfe den Wortlaut der Leistungslegende klarzustellen (BSG , Urteil vom 18. Juli 2013 - B 3 KR 7/12 R -, SozR 4-2500 § 109 Nr. 30, juris Rn. 132 - 133). Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiterzuentwickelndes (§ 17b Abs. 2 S. 1 KHG) und damit "lernendes" System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (BSG, Urteil vom 21. April 2015 – B 1 KR 9/15 R –, BSGE 118, 225-238, SozR 4-2500 § 109 Nr. 45, juris Rn. 13).

Im Hinblick auf die Vergütung der Behandlung die in der Klinik der Klägerin im Zeitraum vom 30. Januar 2011 bis zum 16. Februar 2011 ist zwischen den Beteiligten allein der Ansatz der seitens der Klägerin abgerechneten DRG W01B in der Version des Fallpauschalenkatalogs für das Jahr 2011 (Polytrauma mit Beatmung oder bestimmten Eingriffen, ohne Frührehabilitation, ohne endovaskuläre Implantation von Stent-Prothesen an der Aorta, mit Beatmung ) 263 Stunden oder mit komplexer Vakuumbehandlung) streitig. Von der Klägerin wurde diesbezüglich allein die Abrechnung nach der DRG W01C (Polytrauma mit Beatmung oder bestimmten Eingriffen, ohne Frührehabilitation, ohne endovaskuläre Implantation von Stent-Prothesen an der Aorta, ohne Beatmung ) 263 Stunden, ohne komplexe Vakuumbehandlung) anerkannt. Der geltend gemachte Zahlungsanspruch bezüglich des infolge der Verrechnung wieder offenen Rechnungsbetrages i.H.v. 18.847,84 EUR resultiert alleine aus der Differenz zwischen den vorgenannten DRG.

Vorliegend kommt es damit entscheidungserheblich allein darauf an, ob im Rahmen der stationären Behandlung des T Beatmungsstunden in einem Umfang von 263 Stunden oder mehr angefallen sind, welche im Zusammenhang mit den übrigen, vorliegend nicht streitigen Tatbestandsvoraussetzungen der DRG W01B die von der Klägerin geltend gemachte Forderung rechtfertigen. Von der Klägerin wurde bei der Rechnungsstellung zutreffend die DRG W01B in Ansatz gebracht, da unter Berücksichtigung der Regelungen zur Kodierung der maschinellen Beatmung in der DKR 1001h Version 2011 bei der streitgegenständlichen stationären Behandlung des T eine Beatmungsdauer von insgesamt 280 Beatmungsstunden angefallen ist.

§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Buchst f KHEntgG bestimmt u.a. ausdrücklich, dass das Krankenhaus bei Beatmungsfällen die Beatmungszeit in Stunden entsprechend der Kodierregeln nach § 17b Abs. 5 Nr. 1 KHG mitzuteilen hat. § 301 SGB V i.V.m der Anlage 1 zur Vereinbarung gemäß § 301 Abs. 3 SGB V über das Verfahren zur Abrechnung und Übermittlung der Daten nach § 301 Abs. 1 SGB V zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Deutschen Krankenhausgesellschaft (Datenübermittlungsvereinbarung § 301; Stand 2011) sieht ebenfalls ein Datenfeld für die Mitteilung der Beatmungsstunden vor. Die Voraussetzungen für die Kodierung der Anzahl der Beatmungsstunden ergeben sich weder aus dem ICD-10-GM noch aus dem OPS, sondern allein aus der DKR 1001h, die auch 2011 galt. Sie bestimmt u.a., dass maschinelle Beatmung ("künstliche Beatmung") ein Vorgang ist, bei dem Gase mittels einer mechanischen Vorrichtung in die Lunge bewegt werden. Die Atmung wird unterstützt durch das Verstärken oder Ersetzen der eigenen Atemleistung des Patienten. Bei intensivmedizinisch versorgten Patienten kann eine maschinelle Beatmung auch über Maskensysteme erfolgen, wenn diese an Stelle der bisher üblichen Intubation oder Tracheotomie eingesetzt werden. Die Berechnung der Dauer der Beatmung beginnt u.a. mit dem Einsetzen der maschinellen Beatmung und endet u.a. mit der Verlegung eines Patienten, der eine künstliche Beatmung erhält. Die Dauer der Entwöhnung wird insgesamt (inklusive beatmungsfreier Intervalle während der jeweiligen Entwöhnung) bei der Berechnung der Beatmungsdauer eines Patienten hinzugezählt. Es kann mehrere Versuche geben, den Patienten vom Beatmungsgerät zu entwöhnen. Das Ende der Entwöhnung kann nur retrospektiv nach Eintreten einer stabilen respiratorischen Situation festgestellt werden. Eine stabile respiratorische Situation liegt vor, wenn ein Patient über einen längeren Zeitraum vollständig und ohne maschinelle Unterstützung spontan atmet. Zur Entwöhnung vom Respirator zählt auch die maschinelle Unterstützung der Atmung durch intermittierende Phasen assistierter nichtinvasiver Beatmung bzw. Atemunterstützung wie z.B. durch Masken-CPAP/ASB oder durch Masken-CPAP jeweils im Wechsel mit Spontanatmung ohne maschinelle Unterstützung. Im speziellen Fall einer Entwöhnung mit intermittierenden Phasen der maschinellen Unterstützung der Atmung durch Masken-CPAP im Wechsel mit Spontanatmung ist eine Anrechnung auf die Beatmungszeit nur möglich, wenn die Spontanatmung des Patienten insgesamt mindestens sechs Stunden pro Kalendertag durch Masken-CPAP unterstützt wurde. Die Berechnung der Beatmungsdauer endet in diesem Fall nach der letzten Masken-CPAP-Phase an dem Kalendertag, an dem der Patient zuletzt insgesamt mindestens sechs Stunden durch Masken-CPAP unterstützt wurde (BSG, Urteil vom 19. Dezember 2017 – B 1 KR 18/17 R –, SozR 4-5562 § 9 Nr. 8, juris Rn. 15).

Für den Senat bestehen im Anschluss an das von der Beklagten zuletzt vorgelegte Gutachten des MDK vom 12. Juni 2017 keine Zweifel, dass bei der Behandlung des T folgende Beatmungszeiten angefallen sind: &61485; Vom 30. Januar 2011 ab 14:37 Uhr bis 9. Februar 2011 um 22:30 Uhr ein Beatmungszeitraum von 247 Stunden, 53 Minuten, &61485; am 10. Februar 2011 Beatmungszeiten von insgesamt 4 Stunden und 35 Minuten und &61485; am 11. Februar 2011 15 Minuten.

Dabei wurde die Beatmung unstreitig zunächst ab dem Zeitpunkt der Einlieferung bis zur Extubation am 6. Februar um 18:30 Uhr im zeitlichen Umfang von 172 Stunden invasiv mittels Intubation und nachfolgend im Rahmen des Weaning bzw. der Entwöhnung nichtinvasiv durch ein Maskensystem durchgeführt. Weiterhin bestehen nach den Ausführungen in dem Gutachten des MDK unter Bezugnahme auf die vorgelegten Beatmungs- und Atemprotokolle keine Zweifel, dass die die Beatmung am 10. und 11. Februar mittels CPAP/ASB erfolgt ist. Dies wurde durch den Sachverständigen Dr. D. im Rahmen seiner ergänzenden Stellungnahme vom 21. Januar 2017 so dargelegt und von der Sachverständigen Dr. E. im Gutachten für den MDK vom 9. Juni 2017 bestätigt.

Anknüpfend an diesen zwischen den Beteiligten mittlerweile nicht mehr streitigen Behandlungsverlauf wurde von der Klägerin zutreffend darauf hingewiesen, dass nach Maßgabe der DKR 1001h, Version 2011 S. 101 ("Die Dauer der Entwöhnung wird insgesamt - inklusive beatmungsfreie Intervalle während der jeweiligen Entwöhnung - bei der Berechnung der Beatmungsdauer eines Patienten hinzugezählt.") der gesamte Zeitraum vom 30. Januar 2011, 14:37 Uhr bis zum 11. Februar, 6:30 Uhr inklusive der beatmungsfreien Intervalle bei der Berechnung der Beatmungsdauer zu berücksichtigen ist. Hieraus resultiert eine zu berücksichtigende Beatmungsdauer von insgesamt 279 Stunden und 53 Minuten, die zur nächsten ganzen Stunde und somit auf 280 Stunden aufzurunden ist (DKR 1001h, Version 2011 S. 100).

Im Hinblick auf die erfolgten Zeiten der maschinellen Beatmung über des Maskensystem CPAP/ASB steht dem nicht entgegen, dass hierfür nach der Definition der maschinellen Beatmung (DKR 1001h, Version 2011 S. 99) die intensivmedizinische Versorgung des Patienten weitere Voraussetzung ist. Die intensivmedizinische Versorgung des T ab dem 9. Februar 2011 wurde von der Beklagten zunächst in Abrede gestellt, da in dem Verlegungsbericht der chirurgischen Intensivstation der Klägerin vom 11. Februar 2011 sowie in dem Arztbrief der Klinik für Unfallchirurgie und orthopädische Chirurgie bei der Klägerin vom 16. Februar 2011 als Zeitpunkt des Abschluss der intensivmedizinischen Behandlung und der Verlegung des T in die periphere Station der 9. Februar 2011 benannt wird. Allerdings wurde insoweit vom Sozialgericht in dem angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend dargelegt, dass die Dokumentation des Behandlungsverlaufs in der vorliegenden Patientenakten allein den Schluss darauf zulässt, dass T tatsächlich noch bis zum 11. Februar 2011 auf der Intensivstation im Haus der Klägerin behandelt worden ist. Sämtliche Laborberichte und die intensivmedizinische Pflegedokumentation erstrecken sich bis zum 11. Februar 2011 um die Mittagszeit, während die periphere Station mit ihrer Dokumentation erst am 11. Februar 2011 begonnen hat. Die vorliegenden Patientenakten bestehen insoweit aus 2 Bänden, von denen der eine ausschließlich die Behandlungsdokumentation auf der Intensivstation betrifft und Eintragungen für den Zeitraum bis zum 11. Februar 2011 (dem in der Dokumentation als solchen bezeichneten "Intensivtag Nr. 10") beinhaltet, während der zweite Band Behandlungsmaßnahmen ab dem 11. Februar 2011 dokumentiert, welche offensichtlich in der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädische Chirurgie im Anschluss an die an diesem Tag durchgeführte Osteosynthese-Operation erfolgt sind.

Dem Anspruch der Klägerin steht auch nicht entgegen, dass am 10. und 11. Februar lediglich atemunterstützende Maßnahmen von kalendertäglich weniger als 6 Stunden Dauer durchgeführt worden sind. Die an diesen Tagen bestehende überwiegende Spontanatmung des T steht der Einbeziehung in den Zeitraum der Entwöhnung nicht entgegen. Vor dem 11. Februar, 6:30 Uhr war insoweit noch kein Ende der Entwöhnung eingetreten. Hierzu enthält die DKR 1001h, Version 2011 auf S. 101 folgende Regelung: "Das Ende der Entwöhnung kann nur retrospektiv nach Eintreten einer stabilen respiratorischen Situation festgestellt werden. Eine stabile respiratorische Situation liegt vor, wenn ein Patient über einen längeren Zeitraum vollständig und ohne maschinelle Unterstützung spontan atmet. Dieser Zeitraum wird wie folgt definiert: " ...Für Patienten die inklusive Entwöhnung mehr als 7 Tage beatmet wurden: 36 Stunden. Für die Berechnung der Beatmungsdauer gilt als Ende der Entwöhnung dann das Ende der letzten maschinellen Unterstützung der Atmung." Unter Berücksichtigung der vorstehenden Bestimmung war das Ende der Entwöhnung am 11. Februar um 6:30 Uhr eingetreten, so dass der Zeitraum bis dahin in die Ermittlung der Gesamtbeatmungsdauer einzubeziehen war. Die spezielle Regelung zur Bestimmung des Zeitraums der Beendigung der Entwöhnung bei der Unterstützung der Atmung durch Masken-CPAP (DKR 1001h, Version 2011, S. 102) findet vorliegend hingegen keine Anwendung, da die Entwöhnung bei der Behandlung des T nach den übereinstimmenden Feststellungen des Sachverständigen Dr. D. sowie der Sachverständigen Dr. E. nicht mittels Masken-CPAP, sondern mittels CPAP/ASB erfolgt ist. Der Sachverständige Dr. D. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme insoweit nachvollziehbar dargelegt, dass es sich hierbei um unterschiedliche Formen der nichtinvasiven Beatmung bzw. Atemunterstützung handelt. Da die so genannte 6-Stunden-Regel der DKR 1001h, Version 2011, S. 102 sich ausdrücklich auf den "speziellen Fall" der Masken-CPAP bezieht, lässt der eindeutige Wortlaut dieser Bestimmung eine Anwendung auf die Behandlung mittels CPAP/ASB nicht zu. Insoweit verbleibt es damit bei der allgemeinen Regelung der DKR 1001h, Version 2011 auf S. 101.

Der Zinsanspruch folgt aus § 10 Abs. 5 des Vertrages über die Bedingungen der Krankenhausbehandlung nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V für das Land Hessen. Da die Beklagte am 4. Dezember 2012 mit einer anderen Rechnungsforderung den streitigen Betrag aufgerechnet hat, ist er seit diesem Tag fällig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung i.V.m. § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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