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Nach Insolvenz Josef-Hospital auf einem guten Weg

Das Josef-Hospital Delmenhorst ist auf einem guten Weg der Besserung. So hat das Krankenhaus im Geschäftsjahr 2019 auch ein Plus der Patientenzahlen verzeichnen können.
20.12.2019, 22:38 Uhr
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Josef-Hospital auf einem guten Weg
Von Andreas D. Becker

Es ist die große Unbekannte, wenn derzeit über Ausgaben gesprochen wird: das Josef-Hospital Delmenhorst (JHD). Immer, wenn die Stadt einen Haushalt aufstellt, gibt es im Kopf diese kleine Schere, die zu üppige Ausgaben gleich abschneidet. Denn es muss immer Geld vorhanden sein, um schnell reagieren zu können, falls das JHD für den laufenden Betrieb eine Geldspritze benötigt. Und mit Blick auf den Krankenhaus-Neubau an der Wildeshauser Straße wird die Stadt ohnehin viel Geld brauchen. Auch, wenn der Neubau eine Förderung über insgesamt 150 Millionen Euro bekommt, wird trotzdem der städtische Haushalt belastet. Wie viel Geld dafür genau benötigt wird, ist noch immer unklar. Es gibt positive Schätzungen, die erwarten, dass der städtische Zuschuss nicht mehr als 15 Millionen Euro umfassen wird. Viele Politiker fürchten aber, dass eher die Rede von mehr als 30 Millionen Euro sein wird.

Dabei sieht es, zumindest was das Geschäftsjahr 2019 angeht, offensichtlich gut aus. Das erklärt JHD-Geschäftsführer Florian Friedel auf Nachfrage des DELMENHORSTER KURIER. Allerdings, das betont Friedel, sind es erst vorläufige Zahlen, die Abrechnungen sind erst bis Ende Oktober exakt vollzogen. „Deswegen können wir im Moment noch keine belastbaren Zahlen für das Gesamtjahr liefern oder gar den Jahresabschluss vorwegnehmen“, erläutert Friedel. Zudem beziehen sich seine Aussagen nur auf das Krankenhaus, nicht auf das Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) an der Westerstraße. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

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Hat sich das Geschäftsjahr 2019 wie prognostiziert entwickelt? Im Sanierungskonzept, das der Politik Anfang 2018 vorgelegt wurde, hatte Friedel einen Zuschussbedarf des Krankenhauses in Höhe von rund zwei Millionen Euro berechnet – wobei die 1,9 Millionen Euro für den Brandschutz in diesem Posten nicht berücksichtigt sind, sie fallen quasi außer der Reihe für außerordentliche Aufgaben an, die nicht direkt etwas mit der medizinischen Versorgung des JHD zu tun haben. „Diese zwei Millionen Euro waren notwendig, aber auch ausreichend. Nach heutigem Stand werden wir keine weiteren Mittel für das Jahr 2019 benötigen“, betont Friedel.

Wie stellen sich die Patientenzahlen in diesem Jahr dar? Die Zahlen sind nur schwer zu vergleichen: Wegen der Insolvenz hat das JHD 2018 nur ein Rumpfgeschäftsjahr mit acht Monaten absolviert, zum anderen ist das Geschäftsjahr 2019, wie gesagt, noch nicht abgeschlossen. „Entscheidend in diesem Jahr war die Frage, ob es gelingt, den jahrelangen Abwärtstrend zu drehen und wieder mehr Patienten als im Vorjahr zu versorgen“, erklärt der Geschäftsführer. Und es lässt sich bereits sagen: Es ist gelungen. Friedel rechnet mit einem Patienten-Plus von fünf Prozent. „Das ist eine erfreuliche Bestätigung für die hervorragende Arbeit unserer Mitarbeiter. Es ist erstaunlich, wie schnell sich alle Berufsgruppen auf die veränderte Situation eingestellt und neue Vorgaben umgesetzt haben“, dankt Friedel den Beschäftigten.

Die Zahlen sind auch aus einem anderen Grund sehr erfreulich: In Deutschland sinkt die Zahl der im Krankenhaus behandelten Patienten aktuell. Seit 2004 gab es kontinuierlich mehr Patienten, 2017 ging die Zahl erstmals zurück, wenn auch nur um ein Prozent, erklärt Friedel. Ein Trend, der aber wahrscheinlich anhalten wird, weil immer mehr Behandlungen ambulant und nicht mehr zwangsläufig stationär angeboten werden. „Wir liegen mit der 2019 erzielten Steigerung sogar über den im Sanierungskonzept prognostizierten Zahlen“, zeigt sich Friedel extrem zufrieden.

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Zahlt sich diese Steigerung auch aus?
Mehr Patienten bedeuten natürlich auch mehr Einnahmen. Florian Friedel rechnet damit, dass das JHD seine Erlöse um zehn Prozent gesteigert hat. Was auch einfach daran liegt, dass – wie jedes Jahr – die durchschnittliche Vergütung eines Patienten steigt, um die Inflation auszugleichen, also Teuerungen bei den Lohn- und Sachkosten aufzufangen. Dass das JHD für den medizinischen Alltag noch auf einen städtischen Zuschuss von zwei Millionen Euro angewiesen ist, zeigt, dass an der Stelle noch Luft nach oben ist und dass das Krankenhaus vor allem noch mehr verdienen muss, um eigenständig auf soliden Füßen zu stehen.

Trotzdem geht die Entwicklung in Friedels Augen am JHD in die richtige Richtung. „Wenn wir den medizinischen Bedarf ansehen, machten die Kosten dafür im Jahr 2018 rund 14 Prozent vom Umsatz aus, im Jahr 2019 nur noch 13 Prozent. Genauso ist der Anteil der Kosten für Personal, einschließlich der Leiharbeitnehmer, am Gesamtumsatz um einen Prozentpunkt gesunken. Wir haben also insgesamt unsere Effizienz gesteigert und damit unsere Kostenstruktur weiter verbessert.“


Stichwort Leiharbeitnehmer. Welche Rolle spielen sie in Zeiten des Fachkräftemangels? „Wir setzen Leiharbeitnehmer im ärztlichen Dienst in der Anästhesie und auf der Intensivstation ein. Im nicht-ärztlichen Bereich ebenfalls auf der Intensivstation sowie im Kreißsaal“, erklärt der Geschäftsführer. Prinzipiell gilt aber in allen Krankenhäusern, dass sie Honorarkräfte möglichst vermeiden wollen, weil diese in der Regel deutlich teurer sind. „Wir kalkulieren, dass eine Leiharbeitskraft je nach Einsatzgebiet mit allen damit verbundenen Kosten rund 60 bis 100 Prozent mehr kostet als eine festangestellte Arbeitskraft“, erklärt Friedel.

Es ist ein zweischneidiges Schwert: Werden offene Stellen nicht durch Feuerwehrkräfte ersetzt, kann das Krankenhaus eventuell nicht so viele Patienten wie wirtschaftlich nötig behandeln. Da es aber extrem wichtig ist, die Patientenzahlen zu steigern, wurde eben auch das wirtschaftliche Risiko durch Leiharbeitnehmer in Kauf genommen – was mit Blick auf die Gesamtentwicklung des JHD in diesem Jahr laut Friedel aber die richtige Entscheidung war. „Aber genau an dieser Stelle müssen wir gegensteuern und haben das auch schon getan. Es muss uns im nächsten Jahr gelingen, soweit wie möglich auf Leiharbeitskräfte zu verzichten.“

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Wie lässt sich dem allgegenwärtigen Fachkräftemangel wirksam begegnen? Schon vor gut einem Jahr hatte Friedel im Interview mit dem DELMENHORSTER KURIER betont, dass der Fachkräftemangel aktuell eine der größten Herausforderungen für alle Krankenhäuser in Deutschland ist. Von daher werde es einer der zentralen Erfolgsfaktoren von Krankenhäusern sein, wie gut es gelingt, ausländische Arbeitskräfte zu gewinnen und diese zu integrieren. Friedel: „Das gilt weiter. Ich sehe uns da aber gut aufgestellt. Wir haben in den letzten Wochen und werden in den nächsten vier Monaten insgesamt 20 Pflegekräfte aus Indien, von den Philippinen, aus Tunesien und anderen Ländern einstellen. Unser aller Aufgabe ist es nun, diese gut in den Arbeitsalltag einzubinden und ihnen dabei zu helfen, hier ein neues Zuhause zu finden.“


Wie viele Stellen in der Pflege und im ärztlichen Dienst sind aktuell unbesetzt? „Wenn wir die bereits eingestellten Pflegekräfte aus dem Ausland eingearbeitet haben und deren Examen bei uns anerkannt ist, werden wir etwa Mitte des Jahres alle Pflegestellen besetzt haben“, erklärt der Geschäftsführer. Im Ärztlichen Dienst sind aktuell circa sechs Stellen noch offen. „An der Stelle führen wir aber zum Teil schon ganz vielversprechende Gespräche. Wir stellen immer häufiger fest, dass für Bewerber die überwundene Insolvenz keine Rolle mehr spielt. Vielmehr merken viele potenzielle neue Mitarbeiter, dass sich in Delmenhorst in den letzten beiden Jahren viel getan hat. Dabei hilft uns natürlich auch die nun sehr konkrete Aussicht auf einen Neubau an der Wildeshauser Straße.“


Wie sehen die Prognosen für 2020 aus? Das nächste Jahr wird für das JHD spannend. Nicht nur wegen der weiteren Entwicklungen, sondern auch wegen einiger neuer Gesetze. Florian Friedel spricht von einer „teils hektischen Gesetzgebung“. Die ist auch deswegen so kompliziert, weil die Detailfragen noch nicht geklärt sind. Hauptziel wird aber sein, trotz der sowieso nicht veränderbaren äußeren Einflüsse, weiter zu wachsen. Friedel: „Da bin ich aber sehr optimistisch, weil sich Entscheidungen, die wir in der Vergangenheit getroffen haben, auszahlen werden. Dazu gehört beispielsweise die Erweiterung der Kapazität auf der Intermediate Care Station.“ Und auch mit Blick auf die Zahlen soll 2020 ein gutes Jahr werden. Der Wirtschaftsplan sieht jedenfalls ein nahezu ausgeglichenes Ergebnis vor.

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