Neckar-Odenwald-Kliniken

Entsetzter OB will Gynäkologie/Geburtshilfe in Mosbach halten

Im RNZ-Gespräch tritt Michael Jann für den Erhalt der Geburtshilfe in Mosbach ein und äußert Kritik - "Einen strategischen Partner ins Boot holen"

08.01.2020 UPDATE: 09.01.2020 06:00 Uhr 3 Minuten, 54 Sekunden
Die Neckar-Odenwald-Kliniken wollen die Verantwortlichen mit einem Struktur- und Maßnahmenplan in ein ruhigeres Fahrwasser bringen. Ob diese Medizin allerdings wirkt, daran hat Oberbürgermeister Michael Jann seine Zweifel. Fotos: Alexander Rechner

Von Alexander Rechner

Mosbach. Die in finanzielle Schieflage geratenen Neckar-Odenwald-Kliniken ist das wohl am meisten diskutierte Thema im Landkreis. Die jüngsten Entwicklungen sind dramatisch, zumindest, was die finanzielle Situation anbelangt. Die Verantwortlichen der Neckar-Odenwald-Kliniken präsentierten zuletzt einen Struktur- und Maßnahmenplan, der unterstützen soll, die Krankenhäuser in Mosbach und Buchen auf ein tragbares finanzielles Fundament zu stellen. Das Maßnahmenpaket sieht unter anderem den Wegfall der Gynäkologie/Geburtshilfe in Mosbach vor. Im Gespräch mit der RNZ bezieht Mosbachs Oberbürgermeister Michael Jann Stellung zum Struktur- und Maßnahmenplan.

Herr Jann, die Neckar-Odenwald-Kliniken werden statt eines prognostizierten Defizits für das Jahr 2019 von knapp fünf Millionen Euro nun einen Verlust von wohl über zwölf Millionen Euro schreiben. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?

Die finanzielle Schieflage ist dramatisch. Ich bin auch etwas entsetzt über diese Entwicklung. Denn mir konnte bisher noch niemand plausibel erklären, wie die Verdopplung des Verlustes zustande gekommen ist. Und das enorme Defizit bereitet mir große Sorgen. Deshalb begrüße ich es ausdrücklich, dass sich die Klinikleitung und die Chefärzte mit Strukturanpassungen beschäftigt haben. Ich verstehe auch, dass es nun auch zu Konzentrationsprozessen kommen muss, um Einsparungen vorzunehmen. Nur: Hinter dem nun vorgelegten Struktur- und Maßnahmenplan stehen einige dicke Fragezeichen, die mir Sorgenfalten auf die Stirn treiben.

Nach dieser Kritik an der Klinikleitung: Wie zuversichtlich sind Sie Stand heute, dass dieser präsentierte Struktur- und Maßnahmenplan hilft, die Kliniken wieder in ruhigeres Fahrwasser zu bringen?

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Für mich stellt sich die Frage, ob das Konzept, das nun präsentiert wurde, mit den richtigen Zahlen unterlegt und der Zeitplan für die Umsetzung realistisch ist. Insbesondere bei den notwendigen Investitionskosten habe ich erhebliche Bedenken, ob diese adäquat kalkuliert sind. Der geplante Wegfall der Gynäkologie/Geburtshilfe in Mosbach wird doch auch entsprechende Investitionen in Buchen nach sich ziehen. Und diese müssen auch genau eingeplant werden. Dennoch umfasst das Konzept auch gute Ansätze.

Sie sprachen gerade den geplanten Wegfall der Gynäkologie/Geburtshilfe in Mosbach an. Halten Sie den Einschnitt für richtig?

Nein! Ich habe erhebliche Probleme damit, dass die Gynäkologie/Geburtshilfe in Mosbach geschlossen werden soll. Um das deutlich zu sagen, ich spreche mich dafür aus, dass die Gynäkologie/Geburtshilfe auch in Buchen erhalten werden soll. An beiden Krankenhäusern sollen die Abteilungen fortgeführt werden. Schließlich sind diese Einrichtungen wichtige Standortfaktoren. Und wenn an einem der beiden Häuser die Gynäkologie geschlossen würde, wäre das ein schlechtes Signal an unsere Bevölkerung. Zumal die Zahlen aus dem Jahr 2019 auch eine deutliche Sprache sprechen. Laut den Kliniken wurden im vergangenen Jahr 598 Kinder in Mosbach und 482 Kinder in Buchen geboren. Und nach einer internen Umfrage der Mosbacher Hebammen werden im Falle einer Schließung von 80 werdenden Müttern nur acht nach Buchen wechseln, der Rest will sich in Richtung Sinsheim, Heidelberg und Heilbronn orientieren.

Können die Einsparungen von mindestens 4,5 Millionen Euro in diesem Jahr, vor allem mit Blick auf die kurze Bewährungszeit von einem halben Jahr, erreicht werden?

Veränderungsprozesse dieser Größenordnung benötigen Zeit. Ein halbes Jahr ist mir zu kurz gemessen. Schließlich müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ich ausdrücklich für ihr Engagement loben möchte, eingebunden werden und auch zufrieden sein. Denn sie leisten ihr Bestmögliches. Zudem habe ich erhebliche Zweifel, ob die Summe von rund 4,5 Millionen Euro im ersten Jahr eingespart werden kann. Mir sind die Zahlen, die diesem präsentierten Struktur- und Maßnahmenplan unterlegt sind, zu vage.

Welchen Vorschlag haben Sie denn, um das Defizit dauerhaft zu verringern?

Mein Vorschlag lautet, einen strategischen Partner ins Boot zu holen. Die Verantwortlichen sollten parallel zu der Umsetzung des Struktur- und Maßnahmenplanes ernsthaft prüfen, einen privaten Krankenhausträger einzubinden. Dieser Private wäre dann langfristig für das operative Geschäft zuständig. Natürlich hätte es dies den Nachteil, den ich auch nennen möchte, dass der Landkreis nur noch Minderheitsgesellschafter wäre. Und: Die ausschließliche kommunale Trägerschaft der Kliniken ginge zu Ende. Aber man kann die Verträge auch so formulieren, dass der Landkreis bei wichtigen strategischen Entscheidungen ein Mitsprache- oder Vetorecht hätte. Es gibt in Baden-Württemberg funktionierende Modelle, die dies in dieser Gestalt erfolgreich umgesetzt haben. Und diese sollte man sich nun genau anschauen. Denn die Zeit drängt.

Welche Landkreise haben dieses Modell schon umgesetzt?

Der Landkreis Sigmaringen mit sogar drei Krankenhäusern hat dieses Modell realisiert. In Biberach ist es ähnlich, soweit ich weiß. In Sigmaringen ist der Landkreis nur noch Minderheitsgesellschafter. Jedoch erwirtschaftet man dort stabile Ergebnisse, sogar im minimal positiven Bereich. Als einer der finanzschwächsten Landkreise in Baden-Württemberg meine ich schon, dass wir uns so einem Modell nähern sollten. Zumal, und dies will ich nochmals in aller Deutlichkeit sagen, wir uns dauerhaft solche Defizite in dieser Millionenhöhe nicht leisten können. Wir müssen nun das Ruder herumreißen. Die vergangene Erhöhung der Kreisumlage um drei Prozentpunkt war für unsere Kommunen, auch für Mosbach, schmerzhaft.

Die Zeit drängt. Wie sehr?

Ein weiterer Verlust im zweistelligen Millionenbereich würde unseren Landkreis und die Kommunen, die schon jetzt am Tropf hängen, überfordern. Die vergangene Erhöhung der Kreisumlage bedeutet für Mosbach 1,7 Millionen Euro, die wir zusätzlich stemmen müssen. Und wir stehen in Mosbach vor großen Herausforderungen. Ich möchte nur die Schulsanierungen, den Digitalpakt und Kindergartenprojekte nennen. Wenn die Kliniken in diesem Jahr wieder so tief in die roten Zahlen rutschen, dann befürchte ich eine nochmalige deutliche Erhöhung der Kreisumlage, die dann auch Folgen haben könnte: Ich befürchte, im Jahr 2021 können wir dann die Investitionen nicht mehr tätigen. Deshalb sage ich ganz klar: Wir, der Landkreis und die Kommunen, stehen auf der Kippe.

Befürchtungen wurden laut, dass das Personal bei einem privaten Betreiber schlechter gestellt sei als in kommunaler Trägerschaft. Teilen Sie dies?

Diese Meinung vertrete ich nicht. Denn bei dem derzeitigen Fachkräftemangel kann auch ein privater Betreiber nicht Löhne kürzen. Denn sonst wandert das Personal ab. Auch ein Privater muss sich nach den Marktkonditionen richten. Für mich ist aber wichtig, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem Modell zufrieden sind, und sie vor allem sicher in die Zukunft blicken können. So wie der Landkreis und die Kommunen eben auch

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