Der Druck auf die Zürcher Spitäler wirkt

Nach Jahren mit steilen Zuwachsraten haben die Zürcher Spitäler plötzlich weniger stationäre Patienten. Der Grund dafür ist eine Massnahme des Kantons. Und dieser wittert nun noch mehr Potenzial.

Jan Hudec
Drucken
Patienten werden vermehrt ambulant statt stationär behandelt.

Patienten werden vermehrt ambulant statt stationär behandelt.

Gaëtan Bally / Keystone

Jahrelang kannte die Entwicklung der Fallzahlen in den Zürcher Spitälern nur eine Richtung: nach oben. Die Krankenhäuser gingen bei ihren Budgets jeweils fix davon aus, dass sie im kommenden Jahr mehr Patienten behandeln würden, und das zu Recht. Zwischen 2012 und 2016 stiegen die Behandlungszahlen um über 10 Prozent, während die Wohnbevölkerung im gleichen Zeitraum nur halb so stark zunahm. Erklärt wurde das Phänomen mit der Alterung der Bevölkerung, dem medizinischen Fortschritt und gestiegener Nachfrage nach medizinischen Leistungen. Unter diesen Vorzeichen hätte die Reise für die Spitäler noch lange in die gleiche Richtung weitergehen können. Doch mittlerweile ist alles anders.

Eigene Massnahme ist Hauptgrund

Denn 2017 kam es zu einer Trendwende. Wie Zahlen zeigen, welche die Gesundheitsdirektion am Mittwoch präsentiert hat, sind die Fälle im stationären Bereich rückläufig, und dies, obschon die Bevölkerungszahlen im Kanton munter weiterwachsen. Die Daten für das letzte Jahr liegen zwar noch nicht vor. Gegenüber 2016 war 2018 bei den stationären Eingriffen – also bei denjenigen Behandlungen, bei denen die Patienten mindestens eine Nacht im Spital verbringen müssen – aber ein Rückgang von 2 Prozent zu verzeichnen. Bei Patienten im Erwerbsalter haben die Fälle gar um 5 Prozent abgenommen.

Als Hauptgrund für diese Trendwende hat die Zürcher Gesundheitsdirektion eine ihrer eigenen Massnahmen ausgemacht. Auf Anfang 2018 hat der Kanton 16 Eingriffe definiert, die, abgesehen von Ausnahmefällen, von den Spitälern nur noch im kostengünstigeren ambulanten Bereich durchgeführt werden dürfen. Auf der Liste aufgeführt sind zum Beispiel Entfernungen von Mandeln, Operationen von Krampfadern oder Eingriffe am Gebärmutterhals. Bei den Operationen, die auf der kantonalen Liste figurieren, sind die Fallzahlen im Schnitt um 50 Prozent zurückgegangen. Bei den Eingriffen am Gebärmutterhals belief sich der Rückgang gar auf 85 Prozent.

Anhand neuer Daten konnte die Gesundheitsdirektion auch nachweisen, dass diese Behandlungen tatsächlich in den ambulanten Bereich verlagert wurden. Dort stiegen die Zahlen entsprechend an. «Die Spitäler haben die nötigen Schritte unternommen», sagt Christoph Altherr, stellvertretender Leiter der Abteilung Datenanalyse bei der Gesundheitsdirektion. Die Krankenhäuser hätten ihre Strukturen angepasst und auch unabhängig von der kantonalen Liste Behandlungen in den ambulanten Bereich verlagert.

Sparpotenzial noch nicht ausgeschöpft

Der Kanton geht davon aus, dass er dank der Verlagerung in den ambulanten Bereich rund 10 Millionen Franken pro Jahr einsparen kann. «Das Potenzial ist damit aber noch nicht ausgeschöpft», sagt Altherr. Im internationalen Vergleich hinkt die Schweiz nämlich hinterher. Während hierzulande nur 20 bis 25 Prozent der Operationen ambulant durchgeführt werden, sind es in den Niederlanden, Kanada oder den USA 60 bis 80 Prozent.

Für die Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli ist das aber noch kein Grund, die Liste mit den Behandlungen auszuweiten. Der Kanton werde sich genau anschauen, wie die Spitäler die Entwicklung weiter vorantrieben, sagt sie. Die erste Zwischenbilanz sei positiv. «Die Ausdehnung der Liste behalten wir uns aber natürlich vor.»

Für die Spitäler ist der Wandel nicht ganz leicht zu verkraften. Um kostendeckend arbeiten zu können, müssen Infrastruktur und Prozesse optimal auf die ambulanten Behandlungen ausgerichtet sein. Noch sind längst nicht alle so weit. Gemäss Berechnungen des Verbands Zürcher Krankenhäuser (VZK) liegt der Kostendeckungsgrad bei ambulanten Behandlungen derzeit bei nur knapp 80 Prozent. Das sei ein Fehlanreiz, sagt der VZK-Sprecher Ronald Alder. «Wenn die Verlagerung weiter gefördert werden soll, dann müssen die Tarife angepasst werden.» Sonst seien auch Investitionen in den ambulanten Bereich nicht möglich, womit die Verlagerung von «stationär zu ambulant» zusätzlich ausgebremst werde.