Oldenburg/Im Nordwesten - Die Zahl der Kliniken in Deutschland ist aus Sicht des GKV-Spitzenverbands (Bundesverband der gesetzlichen Krankenkassen) zu hoch. Er schlägt, wie andere Experten im Gesundheitswesen, eine Reduzierung der Kliniken vor: „Deutschland hat im internationalen Vergleich überdurchschnittlich viele Krankenhausbetten und vor allem überdurchschnittlich viele Krankenhausstandorte. Mit einer stärkeren Konzentration z. B. bei Operationen könnte die medizinische Qualität erhöht werden“, teilt der Verband auf Anfrage der NWZ mit.
Um zu ermitteln, welche Folgen Klinikschließungen für die Bürger haben, hat der GKV-Spitzenverband einen interaktiven Simulator ins Netz gestellt. Der GKV-Kliniksimulator zeigt die Entfernung von rund 80.000 Wohnbezirken zum nächsten Krankenhaus der Grundversorgung mit den Basisabteilungen Chirurgie und Innere Medizin. „Er ist damit rund zehnmal genauer als herkömmliche Analysen auf der Basis von Postleitzahlbezirken. Gemessen wird die Pkw-Fahrzeit, die aufgrund der Navigationssysteme inzwischen ein hohes Maß an Zuverlässigkeit hat“, erläutert der Verband.
Problem Geburtshilfe
Der Simulator zeige auch, wie sich die Entfernungen ändern, wenn die Versicherten im Fall einer Standortschließung das nächstgelegene Nachbarkrankenhaus aufsuchen. Die Simulation kann für jedes Krankenhaus der Grundversorgung in Deutschland vorgenommen werden.
Das Rechenbeispiel des GKV-Spitzenverbands zeigt, dass die ostfriesischen Krankenhäuser Wittmund, Aurich, Norden und Emden eine Ankerfunktion haben, weil es kaum Ausweichmöglichkeiten für Zehntausende Bürger gibt. Solche Ankerfunktionen haben auch die Kliniken in der Wesermarsch oder die Kliniken in Friesoythe und Cloppenburg. Beim Klinikum im Oberzentrum Wilhelmshaven dagegen wären im Falle einer Schließung 1341 Bürger betroffen, die 30 und mehr Minuten fahren müssten, es gibt Kliniken in Sanderbusch und Varel. Bei der Schließung eines kleineren Krankenhauses wie Varel wären nur 742 Bürger betroffen, die länger als 30 Minuten zur nächsten Klinik fahren müssten.
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Freilich ist dabei nicht berücksichtigt, dass Varel die einzige Geburtshilfeabteilung weit und breit hat – übrigens von allerbestem Ruf und großer Beliebtheit. Nicht berücksichtigt in der Übersicht sind die Fachkliniken und die großen Krankenhäuser in Oldenburg und Osnabrück. Von Berufs wegen und als Kommunalpolitikerin befasst sich Sigrid Busch aus Varel mit dem Gesundheitswesen. Die Diplom-Ingenieurin (biomedizinische Technik) berät unterschiedliche Akteure im Gesundheitswesen. „Wie kann die Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum verbessert werden?“, fragt Busch, die für die Grünen im Vareler Rat sitzt.
Kommunalpolitik gefragt
Nachdem das St.-Willehad-Hospital Wilhelmshaven 2015 geschlossen hatte, begann ihre intensivere Beschäftigung mit dem Thema kommunale Gesundheitsversorgung. Bei den Recherchen stieß sie auf den Kliniksimulator, „der einen groben Blick auf die künftige Entwicklung der Krankenhauslandschaft ermöglicht. Nicht mehr und nicht weniger.“ Ihr Appell an andere Kommunalpolitiker: „Grundsätzlich müssen wir als Kommunalpolitiker eine stärkere regionale Verantwortung für die medizinische Versorgung in der Region übernehmen – gemeinsam mit Ärztenetzen, Krankenhäusern, Krankenkassen, Gesundheits- und Pflegezentren oder Apotheken. Dabei dürfen wir auf keinen Fall Ängste in der Bevölkerung verstärken, sondern müssen Lösungen finden.“ Sozialministerin Carola Reimann (SPD) rät zur Gelassenheit: „Der GKV Kliniksimulator ist erst einmal ein interessantes Instrument, das erste Anhaltspunkte dafür liefert, wie sich die Schließung eines Krankenhauses auf die jeweilige Region auswirken würde. Aber es vermittelt halt auch nur einen ersten Eindruck, im Einzelfall müssen die Auswirkungen einer Schließung individuell sehr genau geprüft werden, das bildet der Kliniksimulator natürlich nicht ab“, sagte sie auf Anfrage der NWZ.