Von Rita Seyfert

Eine der größten Umstellungen in der Krankenhaus-Historie seit 20 Jahren steht bevor. Ab 1. Januar 2020 sollen die Pflegepersonalkosten aus dem System der Fallpauschalen ausgegliedert werden. Noch wissen die Krankenhäuser nicht, ob sie Gewinner oder Verlierer dieses chirurgischen Eingriffs sind.

Im Lausitzer Seenlandklinikum fürchtet man finanzielle Einbußen. Wie Klinikum-Chef Jörg Scharfenberg in der gesundheitspolitischen Debatte mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vergangenen Freitag im Seenlandklinikum äußerte, mache sich derzeit eine „große Unsicherheit“ breit. Vieles sei unklar. Derzeit stehe beispielsweise überhaupt noch nicht fest, was alles zur Pflege gehört. Noch sei völlig nebulös, wie die Variablen zum Herausrechnen der Pflege aus dem System der Fallpauschalen konkret definiert werden.

Die spannendste Frage für Klinikum-Chef Jörg Scharfenberg lautet jedoch, wie sich die Ausgliederung des Pflegebudgets auf „sein“ Wirtschaftsunternehmen auswirken wird. Er schätzt, dass die Kliniken auf eine Problemlage zusteuern. Dass sich die Erlöse aus der neuen Vergütungssystematik nicht mehr sicher kalkulieren lassen, ist dabei nur ein Punkt. Eine weitere Schwierigkeit ergibt sich aus den Interpretationsspielräumen. Denn was Pflege in ihrer ganzen beruflichen Vielfalt überhaupt ist, dazu haben die Kliniken und Krankenkassen unterschiedliche Sichtweisen.

Klinikum-Chef Jörg Scharfenberg: „Schlimmstenfalls entsteht für die Kliniken aus der Summe der neu kalkulierten Fallpauschalen ohne Pflegedienst und den individuell ermittelten Pflegepersonalkosten eine Differenz zur bisherigen Vergütung.“ So viel steht fest, die daraus resultierende Schmälerung der Erlöse würde die Kliniken wirtschaftlich stark belasten.

Laut Bundesgesundheitsminister Jens Spahn müssen sich die Krankenhäuser um eine Schmälerung ihrer Erlöse keine Sorgen machen: „Verschiebungen wird es nur geben, wenn in den vergangenen Jahren zu Lasten der Pflege gespart wurde“, sagt er. Das Geld solle künftig dahin fließen, wo die Leistung erbracht wird.

Ob diese Gesundheitspolitik auf eine Ausdünnung der Krankenhauslandschaft zielt, darüber lässt sich nur spekulieren. Vieles deutet aber darauf hin. Wie Spahn in seiner Rede mehrfach betont, seien für eine gute medizinische Grundversorgung nicht alle Krankenhäuser nötig. Zwar sei es wichtig, dass die Kliniken in der Fläche gut erreichbar sind. Gleichzeitig sei jedoch auch die Qualität der medizinischen Versorgung relevant. Schwerpunkte bilden, heiße daher das Motto.

„Zu oft machen alle Krankenhäuser einer Region alles“, sagt Spahn. Doch was nützen viele Krankenhäuser, wenn die Spezialisierung fehlt. Aus Spahns Sicht mache es durchaus einen Unterschied, ob ein Krankenhaus jährlich 200 000 Prostata-Operationen durchführt oder nur zehn. Wenn solche OP-Risiken wie Impotenz oder Inkontinenz um mehr als 50 Prozent reduziert werden könnten, würde sicherlich jeder Patient gerne zum 200 Kilometer weiter entfernteren Krankenhaus fahren.

Was die Spezialisierung der Krankenhäuser angeht, hat Sachsen die Nase vorn. „Wenn alle Bundesländer so weit wären, hätten wir ein paar Probleme weniger“, sagt Spahn. Fällt die Lausitz etwa den von der Bundesgesetzgebung gebildeten Durchschnittsannahmen zum Opfer? Die Krankenhausgesellschaft Sachsen sieht das so. Wie Pressesprecherin Gundula Bitter-Schuster die Situation des Freistaats einschätzt, habe das Flächenland im bundesweiten Vergleich bessere Voraussetzungen als beispielsweise der Stadtstaat Hamburg oder das Bundesland Nordrhein-Westfalen. „In Sachsen macht nicht jeder alles“, betont die Sprecherin. Und: „Wir arbeiten bereits vernetzt in Kooperationen.“

Längst habe Sachsen vorbildliche medizinische Strukturen mit abgestuften Versorgungsangeboten; so gebe es Fachkrankenhäuser sowie Regel-, Maximal- und Schwerpunktversorger. Allerdings werde Spahns Gesetzgebung aus ihrer Sicht beim ein oder anderen Krankenhaus durchaus zu Defiziten führen und die Krankenhäuser am Ende schlechter dastehen lassen als zuvor. Deshalb plädiert die Krankenhausgesellschaft Sachsen für mehr wirtschaftliche Flexibilität der Krankenhäuser, um auf regionale Bedarfe vor Ort schneller und gezielter eingehen zu können.