Erfurt. Der Landesverband diskutiert mit Landtagskandidaten über die instabile wohnortnahe Versorgung von Schwangeren und Familien in Thüringen.

Die Möglichkeiten für ein Bundesland wie Thüringen, eine flächendeckende Hebammenversorgung sicherzustellen, sind begrenzt. Wenn beispielsweise für eine Spontangeburt, die eine Hebamme 24 Stunden lang begleitet, nur ein Fünftel dessen gezahlt wird, was Kliniken für einen geplanten Kaiserschnitt bekommen, liegt das an den Fallpauschalen, den DRGs. Und über die entscheidet nicht die Politik, schon gar nicht die Landespolitik.

Gleichwohl hat Thüringen seine Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen, in den vergangenen Jahren gut genutzt, wie der Hebammenlandesverband am Donnerstag bei einer Podiumsdiskussion mit Landtagskandidaten konstatierte: So hat sich unter Rot-Rot-Grün nicht nur der Runde Tisch „Geburt und Familie“ etabliert, der alle Akteure an einem Tisch vereint, um Bedarfe zu ermitteln und Lösungen zu erarbeiten. Im Frühjahr 2018 ging – unterstützt vom Land – auch das Internetportal an den Start, das die Suche nach Hebammen im Freistaat erleichtern soll. Überdies ist Thüringen Vorreiter bei der Akademisierung der Hebammenausbildung, wie sie die EU von 2020 an vorschreibt: Bereits 2014 wurde an der FH Jena ein Modellstudiengang (Bachelor) eingerichtet. Seither werden alle zwei Jahre 20 Studenten aufgenommen, abweichend davon wurde in diesem Jahr sogar noch ein zusätzlicher Studiengang eingerichtet. All das erkennt auch Christoph Zippel (CDU) an. In der Runde verhehlte er nicht, dass er keine Erklärung dafür weiß, warum die Vorgängerregierungen die instabile Hebammenversorgung nicht ernst genug nahmen. „Wahrscheinlich wurden die Probleme unterschätzt“, sagte Zippel, der erst seit 2014 im Landtag sitzt. Um eine wohnortnahe Betreuung durch Hebammen sowohl in den Städten als auch auf dem Land zu gewährleisten, plädiert der CDU-Abgeordnete für Hebammenzentren. Wenn diese die Hebammen von der Bürokratie entlasten und die knappen personellen Ressourcen standortbezogen bündeln, seien sie ein geeignetes Instrument, um die Grundversorgung vor Ort abzusichern. Denny Schröder, SPD-Stadtrat in Erfurt, sieht derweil im neuen Landesprogramm „Solidarisches Zusammenleben der Generationen“ ideale Voraussetzungen die Arbeit der Hebammen auf lokaler Ebene zu unterstützen.

Babett Pfefferlein (Grüne) erinnerte daran, dass die Hebammenversorgung erstmals nach 2014 einen Titel im Landeshaushalt bekam: Was mit 50.000 Euro klein anfing, habe sich inzwischen auf eine Million Euro im Landeshaushalt 2020 gesteigert. Die Hälfte davon sei für die institutionelle Förderung der Thüringer Geburtshäuser vorgesehen. Allerdings befürchten Vertreterinnen der Geburtshäuser, dass sie nicht an das Geld herankommen. Denn eine Förderrichtlinie gibt es nicht. Karola Stange (Linke) versprach, sich dafür einsetzen, dass die Mittel fließen. Stange betonte zudem, dass es ein großes Glück sei, dass es derzeit in der Landespolitik „keine großen Differenzen“ beim Thema Hebammenversorgung mehr gibt, seit es vor fünf Jahren aufs Tapet kam.

Der Hebammenverband indes wünscht sich Förderrichtlinien, um die Landesmittel bedarfsgerecht nutzen zu können. Er fordert, wie Landesvorsitzende Annika Wanierke unterstrich, ferner ein Geburtshilfestärkungsgesetz vom Bund, das ähnlich wie in der Pflege Personaluntergrenzen definiert. Denn viele Hebammen in den Kliniken gehen vor allem deshalb in Teilzeit oder sogar ganz aus dem Beruf, weil sie infolge des Personalmangels permanent überlastet sind. Für das Gesetz müsse sich Thüringen auf Bundesebene genauso stark machen wie für eine Übergangsregelung, die erfahrenen Hebammen den Zugang zu einem akademischen Grad und damit auch einer höheren Vergütung erleichtert.