L 5 KR 46/17

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 47 KR 196/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 46/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 36/19 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 30.11.2016 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 50.334,08 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Vergütung für die stationäre Entbindung und anschließende Krankenhausbehandlung des bei der Beklagten versicherten neugeborenen Kindes B L (im Folgenden: Versicherte II)

Die Klägerin betreibt ein Plankrankenhaus (§ 108 SGB V) in W, in dem auch Geburten durchgeführt werden. Aufgrund eines Feststellungsbescheides "Nr. 1381" der Bezirksregierung E vom 27.01.2009 verfügte das Krankenhaus u.a. über einen Versorgungsauftrag für das Gebiet Frauenheilkunde und Geburtshilfe.

Nach einem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) vom 20.09.2005 ("Vereinbarung über Maßnahmen zur Qualitätssicherung der Versorgung von Früh- und Neugeborenen" - sog. Neonatal-Intensive-Care-Unit-Vereinbarung (im Folgenden: NICU-Vereinbarung), Bundesanzeiger Nr. 143 vom 28.10.2005 Seite 15.684) ist für den Bereich der Geburtshilfe bzw. für die Versorgung Neugeborener folgendes vierstufiges Konzept vorgesehen:

- Perinatalzentren Level 1
o für Früh- und Neugeborene mit einem geschätzten Geburtsgewicht von unter 1.250 g und/oder einem Gestationsalter von unter 29+0 Schwangerschaftswoche (SSW),

- Perinatalzentren Level 2
o für Frühgeborene mit einem geschätzten Geburtsgewicht von 1.250 bis 1.499 g und/oder einem Gestationsalter von 29+0 unter / gleich 32+0 SSW oder
o bei schweren schwangerschaftsassoziierten Erkrankungen (Wachstumsretardierung unter 3. Perzentile bei Präeklampsie, HELLP unter / gleich Kombination aus Hämolyse, Erhöhung der Leberenzyme und Thrombozytopenie)),

- perinatale Schwerpunkte
o für Kinder mit einem geschätzten Geburtsgewicht von mindestens 1.500 g und/oder einem Gestationsalter von 32+1 bis 36+0 SSW

- Geburtskliniken
o für reife Neugeborene ohne bestehendes Risiko.

Mit Beschluss vom 18.12.2008 (Bundesanzeiger Nr. 65 vom 30.04.2009, Seite 1.574) änderte der GBA die NICU-Vereinbarung (im Folgenden NICU-Vereinbarung 2008) mit Wirkung vom 01.04.2009. Das vierstufige Versorgungskonzept und die Einteilung in die neonatologischen Versorgungsstufen blieben dabei bestehen. Die Änderungen betrafen die von einem Krankenhaus zu erfüllenden Anforderungen an die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität und damit die Kriterien für die Zuordnung zu den einzelnen Stufen.

Nach § 11 Abs. 3 der (nach Aktenlage undatiert) zwischen dem Krankenhaus und u.a. der Beklagten geschlossenen Pflegesatzvereinbarung für das Kalenderjahr 2008 (im Folgenden: Pflegesatzvereinbarung 2008) erfüllte das Krankenhaus der Klägerin zum Zeitpunkt der Änderung der NICU-Vereinbarung die Voraussetzungen eines Perinatalzentrums Level 2.

Am 16.09.2009 schlossen das Krankenhaus und (u.a.) die Beklagte eine neue Pflegesatzvereinbarung für das Jahr 2009 (im Folgenden Pflegesatzvereinbarung 2009), die die Bezirksregierung Düsseldorf mit Bescheid vom 28.09.2009 genehmigte. Diese Vereinbarung trat am 01.10.2009 in Kraft (§ 21 der Vereinbarung). § 14 Abs. 3 ("Qualitätssicherung) dieser Vereinbarung enthält folgenden Passus:

"Das Krankenhaus erfüllt zum Zeitpunkt dieser Vereinbarung gemäß eigenen Angaben in der Checkliste [ ... zur NICU-Vereinbarung ... ] die Versorgungsstufe Perinataler Schwerpunkt. Unter der Voraussetzung, dass der von gemeinsamen Bundesausschuss am 20.08.2009 gefasste Beschluss zur Versorgung von Früh- und Neugeborenen unverändert in Kraft tritt, erfüllt das Klinikum Niederberg nach gegenwärtigem Kenntnisstand ab 01.01.2010 die Versorgungsstufe Perinatalzentrum LEVEL 2 gemäß der dann gültigen [ ... NICU-Vereinbarung ... ]. Die mit dem Beschluss des gemeinsamen Bundesausschusses zur Versorgung von Früh- und Neugeborenen am 20.08.2009 eingeführte Mindestmenge gemäß Z. 8.2 der Mindestmengenvereinbarung nach § 137 Abs. 3 Nr. 2 SGB V wird vom Krankenhaus nicht erfüllt."

Am 29.09.2009 wurde die bei der Beklagten versicherte C L (im Folgenden: Versicherte I) auf Einweisung des niedergelassenen Gynäkologen Dr. U vom 29.09.2009 stationär in das Krankenhaus der Klägerin aufgenommen (Diagnose: "Wachstumshemmung des Fetus - p05.9 - grav 30. Wo"). Die Versicherte I befand sich zu diesem Zeitpunkt in der 29+0. SSW.

Befundmäßig zeigten sich bei ihr ein erhöhter Blutdruck, leichte Kopfschmerzen, eine Temperatur von 37,6°C und eine im Urinstick nachgewiesene vierfache Eiweißerhöhung. Aus der bei Aufnahme (am 29.09.2009 gegen 21:00 Uhr) durchgeführten Fetometrie und Dopplersonographie ergab sich als Diagnose der Verdacht auf uteroplazentare Insuffizienz bei Erstgravida, 0 Para in der 29+1. SSW mit beginnender Kreislaufzentralisation, "small for gestational age" - SGA - (unter der 3. Perzentile) und Verdacht auf HELLP (Gewichtsschätzung - Fetometrie - 853 g). Daraufhin wurde eine hypertensive und antikonvulsive Therapie sowie eine RDS-Prophylaxe eingeleitet. Die Versicherte I verblieb zwecks Überwachung mit wiederholten Blutdruck- und Laborkontrollen zunächst im Kreißsaal. Am Morgen des 30.09.2009 wurde sie nach Besserung der subjektiven Beschwerdesymptomatik auf die periphere Station der Frauenklinik verlegt. Dort wurden bis zum 02.10.2009 weiter Labor- und Blutdruckkontrollen durchgeführt. Ferner erfolgten einmal täglich ärztliche Verlaufskontrollen. Aufgrund eines deutlichen Thrombozytenabfalls nach bereits ständig abfallender Thrombozytenzahl sowie gleichzeitig bestehender pathologischer Dopplerwerte der Arterie uterina bds. mit notch und beginnender Zentralisation der Versicherten II bei SGA sowie Hypertonie der Versicherten I fand am 02.10.2009 (in der 29+4. SSW) eine Entbindung per Kaiserschnitt statt. Zuvor war (gegen 11:50 Uhr) noch eine Fetometrie durchgeführt worden, die ein geschätztes Gewicht der Versicherten II von 1.164 g ergab. Tatsächlich wies die Versicherte II ein Geburtsgewicht von 940 g auf. Sie wurde noch bis zum 02.12.2009 in dem Krankenhaus weiterbehandelt und dann gesund entlassen, wobei das Entlassungsgewicht 2.390 g betrug.

In einer Aufnahmeanzeige vom 23.05.2011 teilte die Klägerin der Beklagten u.a. das Geburtsgewicht und die Aufnahmediagnose "P07.02 Frühgeborenes mit einem Geburtsgewicht von 750 bis unter 1.000 g" mit. Die Beklagte erteilte unter dem 11.12.2009 eine Kostenübernahmeerklärung für die stationäre Behandlung der Versicherten II.

Die Klägerin stellte der Beklagten für die Behandlung der Versicherten II vom 02.10. bis 02.12.2009 am 14.12.2009 einen Betrag i.H.v. 50.334,08 EUR in Rechnung. Dabei legte sie die Diagnosis Related Group (DRG) P62D (Neugeborenes, Aufnahmegewicht 875 - 999 g ohne signifikante OR-Prozedur) zu Grunde.

Die Beklagte zahlte diesen Betrag nicht. Zur Begründung teilte sie der Klägerin mit, die Versicherte II sei nach der NICU-Vereinbarung 2008 in einer Einrichtung der neonatologischen Versorgungsstufe Perinatalzentrum Level 1 zu behandeln gewesen. Sie bat die Klägerin um Stellungnahme, um prüfen zu können, ob ein begründeter Einzelfall nach § 3 Abs. 2 der NICU-Vereinbarung 2008 vorliege.

Die Klägerin erklärte, die Versicherte sei in der 29+4. SSW und damit jenseits der 29+0. SSW geboren worden. Daher seien nach der NICU-Vereinbarung 2008 die Kriterien für die Behandlung in einem "Perinatalzentrum Level 2" erfüllt.

Die Beklagte wandte dagegen ein, aufgrund des Geburtsgewichts seien bei der Versicherten II gemäß Ziffer 1, B1 der Anlage 1 der NICU-Vereinbarung die Kriterien für die Behandlung in einem Perinatalzentrum Level 1 erfüllt. Unabhängig davon habe das Krankenhaus zum Zeitpunkt der Geburt der Versicherten II nur die Voraussetzungen eines Perinatalen Schwerpunktes erfüllt. Es habe daher nach der NICU-Vereinbarung 2008 grundsätzlich keine Neugeborenen versorgen bzw. Entbindungen durchführen dürfen, die den Versorgungsstufen Perinatalzentrum Level 1 oder Perinatalzentrum Level 2 zuzuordnen seien. Vielmehr sei es verpflichtet gewesen, Fälle dieser Stufen risikoadaptiert in ein Krankenhaus der entsprechend höheren Versorgungsstufe einzuweisen oder zu verlegen. Es ergäben sich auch keine Hinweise darauf, dass es sich um einen "begründeten Einzelfall" nach der NICU-Vereinbarung 2008 gehandelt habe.

Die Klägerin übersandte eine Stellungnahme des Chefarztes der Fachabteilung Gynäkologie und Geburtshilfe des Krankenhauses, Dr. E, in der geltend gemacht wurde, eine präpartale Verlegung sei für beide Versicherte risikoreich gewesen. Bei Aufnahme der Versicherten I habe sich eine Schwangerschaft mit SGA gezeigt, die Dopplerwerte der rechten und linken Arteria uterina seien erhöht gewesen, ansonsten seien die Laborparameter unauffällig gewesen. Die Patientin sei aufgenommen und es sei eine Lungenreifebehandlung durchgeführt worden. Im weiteren Verlauf seien die klinischen Parameter stabil gewesen. Erst am 02.10.2009 habe sich der Zustand der Mutter der Versicherten deutlich und rasant verändert. Es hätten sich deutliche Anzeichen eines HELLP-Syndroms gezeigt. Bei der Abwägung des Transportrisikos (hohes Stresspotential einer notfallmäßigen Verlegung mit nachfolgendem Krampfanfall) mit dem Risiko einer Fortsetzung des Aufenthaltes in der Klinik (Entbindung unter strukturierten Bedingungen) sei das Risiko der Fortsetzung des Aufenthaltes in der Klinik deutlich geringer erschienen.

Die Beklagte verblieb dem gegenüber bei ihrem Standpunkt. Da das Krankenhaus im Zeitpunkt der Aufnahme der Versicherten I lediglich die Voraussetzungen der Versorgungsstufe Perinataler Schwerpunkt erfüllt habe, habe sie grundsätzlich nur Schwangere ab der 32+1. SSW und/oder Frühgeborene mit einem geschätzten Geburtsgewicht ab 1.500 g aufnehmen dürfen. Eine Aufnahme von Schwangeren, die diesen Kriterien nicht entsprechen, sei nur in begründeten Einzelfällen zulässig. Ansonsten sei eine antenatale Verlegung dieser Schwangeren in ein Krankenhaus höherer Versorgungsstufe geboten. Eine Verlegung der Versicherten I wäre mit Blick auf die stabilen klinischen Parameter vor dem 02.10.2009 unter medizinischen Gesichtspunkten möglich gewesen. Es habe von einer drohenden Frühgeburt vor einem Ablauf von drei Wochen ausgegangen werden müssen, wofür auch die durchgeführte Lungenreifebehandlung spreche. Ein "begründeter Einzelfall" habe nicht vorgelegen, sodass das Verbot der Leistungserbringung nach § 137 Abs. 3 S. 2 SGB V greife.

Die Klägerin übersandte Kopien der Krankenakte der Versicherten I und bat um Prüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK). Ob das Krankenhaus im Zeitpunkt der Entbindung zu den für eine solche Entbindung zuständigen Krankenhäusern gehört habe, sei unerheblich. Die Versicherte I sei zur Behandlung bei Verdacht auf Gestose aufgenommen worden. Es hätten keine Anhaltspunkte für eine mögliche Komplikation vorgelegen, die zu einer Entbindung hätten führen können. Erst während der stationären Behandlung habe sich der Gesundheitszustand der Versicherten I so schnell verändert, dass eine Verlegung ein zu hohes Risiko dargestellt hätte.

Die Beklagte bat den MDK um die Beantwortung folgender Fragen:

- Befand sich die Versicherte I vor dem 02.10.2009 unter medizinischen Gesichtspunkten in einem Gesundheitszustand, der eine Verlegung in ein Krankenhaus der höheren Versorgungsstufe ermöglicht hätte?

- Musste das Krankenhaus aufgrund des Gesundheitszustandes der Versicherten I im Zeitpunkt der Aufnahme ernsthaft damit rechnen, dass es vor dem Ablauf von drei Wochen zu einer medizinisch notwendigen Entbindung kommen werde?

Der MDK äußerte sich hierzu wie folgt:

- Gemäß der NICU-Vereinbarung 2008 und der AWMF-Leitlinie "Indikationen zur Einweisung von Schwangeren in Krankenhäuser der adäquaten Versorgungsstufe" (Leitlinie Nr. 024/001) sei bei einem geschätzten Geburtsgewicht von 853 g in der 29+1. SSW, welches einem SGA unter der 3. Perzentile entspreche, sowie wegen der bestehenden Präeklampsie eine Behandlung der Risiko-Schwangeren in einem Perinatalzentrum indiziert gewesen. Die Aufnahme der Versicherten I am 29.09.2009 sei aufgrund der bei der Aufnahmediagnostik erhobenen Befunde mit notwendiger engmaschiger intensiver Kreißsaalüberwachung medizinisch plausibel und nachvollziehbar. Am 30.09.2009 hätte sie jedoch anstatt der Verlegung auf die periphere Station der Klinik in ein Perinatalzentrum verlegt werden können. Gemäß der AWMF-Leitlinie "Diagnostik und Therapie hypertensiver Schwangerschaftserkrankungen" (Leitlinie Nr. 015/018) stelle eine Entbindung bei Präeklampsie die einzige kausale Therapie für die Schwangere dar. Eine Prolongation der Schwangerschaft diene in erster Linie der Vermeidung der Frühgeburt und setze einen zu erwartenden Vorteil für das Kind voraus. Bei einer Präeklampsie ab der vollendeten 24. bis 34. SSW solle eine Betreuung in einem Perinatalzentrum erfolgen.

- Präeklampsien seien in den meisten Fällen progredient, so dass die Möglichkeiten einer Schwangerschaftsprolongation bei niedrigem Gestationsalter begrenzt seien.

Unter Hinweis auf dieses Gutachten lehnte die Beklagte die Zahlung des in Rechnung gestellten Betrages endgültig ab.

Am 21.02.2013 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Düsseldorf erhoben.

In medizinischer Hinsicht ist sie den Ausführungen des MDK entgegengetreten. Bei der Aufnahmeuntersuchung habe sich eine pathologische Veränderung im Bereich der uterinen Gefäße mit notch gezeigt. Bei einer Plazentainsuffizienz und dem Aufnahmebefund sei eine Prolongation der Schwangerschaft über mehrere Wochen möglich gewesen, so dass zunächst eine Lungenreifebehandlung und körperliche Ruhe veranlasst worden seien. Das Aufnahme-Labor habe keinen Hinweis auf eine drohende schwangerschaftsinduzierte Hypertonie oder ein HELLP-Syndrom ergeben. Bei der Fetometrie sei das kindliche Gewicht auf knapp 1.200 g geschätzt worden. Daher habe man davon ausgehen können, dass die Schwangerschaft prolongierbar gewesen und die Kriterien für eine Level 2-Versorgung in jedem Fall gegeben gewesen seien. Erst im Verlauf des 02.10.2009 sei es zu einer dramatischen Verschlechterung des Befundes unter der foudroyanten Ausbildung eines HELLP-Syndroms gekommen. Es habe daher bei der Aufnahme der Versicherten I kein Risiko bestanden, das eine Verlegung in ein Perinatalzentrum Level 1 erfordert hätte. Zudem habe zu diesem Zeitpunkt nicht damit gerechnet werden können, dass die Versicherte I innerhalb von drei Tagen mit einem HELLP-Syndrom zur notfallmäßigen Therapie anstehen werde. In rechtlicher Hinsicht hat die Klägerin geltend gemacht, die Beklagte sei nach der Rechtsprechung zum deklaratorischen Schuldanerkenntnis (BSG, Urteil vom 17.05.2000 - B 3 KR 33/99 R; SG Detmold, Urteil vom 28.04.2015 - S 24 KR 341/14) schon deshalb mit Einwendungen ausgeschlossen, weil sie die Kostenübernahmeerklärung in Kenntnis des Sachverhaltes (insbesondere des geringen Geburtsgewichts des Versicherten II) abgegeben habe. Ferner sei der MDK von der Beklagten nicht innerhalb der Frist des § 275 Abs. 1c S. 2 SGB V und auch nicht ordnungsgemäß mit der Prüfung des Falles beauftragt worden. Die Untersuchung der Versicherten I sei in jedem Fall vom Versorgungsauftrag gedeckt gewesen, weil sie nicht zur Entbindung eingewiesen worden sei. Die Stellungnahme des MDK sei im Übrigen auch deshalb nicht haltbar, weil das Krankenhaus nach (§ 11 Abs. 3) der insoweit maßgebenden Pflegesatzvereinbarung 2008 über den Status eines Perinatalzentrums Level 2 (und nicht nur über den eines perinatalen Schwerpunktes) verfügt habe. Die Pflegesatzvereinbarung 2009 sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil diese erst am 01.10.2009 in Kraft getreten sei. Selbst wenn das Krankenhaus Leistungen außerhalb seines Versorgungsauftrages erbracht hätte, wäre dies unschädlich, weil eine Notfallbehandlung vorgelegen habe.

Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für die stationäre Behandlung der Patientin B L (BA-Nr.: 000) 50.334,08 EUR nebst 2% Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab dem 29.12.2009 zu zahlen.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat an ihren vorprozessual vorgetragenen Argumenten festgehalten und ergänzend ausgeführt, dass das Krankenhaus schon im September 2009 "nur noch" ein "Perinataler Schwerpunkt" gewesen sei, ergebe sich aus dem Beschluss des GBA vom 18.12.2008, mit dem die von einem Krankenhaus zu erfüllenden Anforderungen an die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität grundlegend geändert worden seien. Dieser Beschluss sei am 30.04.2009 bekannt gemacht worden und am 01.04.2009 in Kraft getreten. Die Voraussetzungen nach diesem Beschluss habe das Krankenhaus unstreitig nicht erfüllt. Nach § 91 Abs. 6 SGB V sei der Beschluss auch für die Klägerin automatisch verbindlich gewesen. Eines weiteren Rechtsaktes, insbesondere des Abschlusses der Pflegesatzvereinbarung 2009 habe es dafür nicht bedurft. Im Übrigen habe die Bezirksregierung Düsseldorf die Pflegesatzvereinbarung 2009, die das Krankenhaus "nur" als Perinatalen Schwerpunkt ausweise, bereits durch Bescheid vom 28.09.2009 genehmigt. Ein Einwendungsausschluss ergebe sich weder aus der Kostenübernahmeerklärung noch aus einer Versäumung der Frist des § 275 Abs. 1c S. 2 SGB V. Die nach § 301 SGB V von der Klägerin übermittelten Daten hätten den Aufnahmegrund "Entbindung" ausgewiesen. Bei Abgabe der Kostenübernahmeerklärung seien ihr nicht sämtliche Einzelheiten der späteren Abrechnung bekannt gewesen.

Die Klägerin hat sich geweigert, auf Anfrage des Sozialgerichts die Patientenakten für weitere Ermittlungen zur Möglichkeit einer antepartalen Verlegung der Versicherten I zur Verfügung zu stellen.

Im Einverständnis der Beteiligten hat das Sozialgericht am 30.11.2016 durch Urteil ohne mündliche Verhandlung die Klage abgewiesen.

Dem Zahlungsanspruch der Klägerin stehe entgegen, dass das Krankenhaus die Voraussetzungen der für die Behandlung der Versicherten erforderlichen neonatologischen Versorgungsstufe gemäß der NICU-Vereinbarung 2008 nicht erfüllt habe. Ein begründeter Einzelfall im Sinne der NICU-Vereinbarung 2008 liege nicht vor. Auch auf die Erteilung einer unbedingten und unbeschränkten Kostenzusage der Beklagten könne die Klägerin ihren Anspruch nicht stützen.

Die NICU-Vereinbarung 2008 enthalte wirksame untergesetzliche Rechtsnormen. Der GBA regele hierdurch nach abstrakt-generellem Maßstab Kriterien für die indikationsbezogene Notwendigkeit und Qualität der in Krankenhäusern durchgeführten diagnostischen und therapeutischen Leistungen. Denn nach § 137 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB V bestimme der GBA für die vertragsärztliche Versorgung und für zugelassene Krankenhäuser durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 13 SGB V insbesondere Kriterien für die indikationsbezogene Notwendigkeit und Qualität der durchgeführten diagnostischen und therapeutischen Leistungen, insbesondere aufwändiger medizintechnischer Leistungen, wobei auch Mindestanforderungen an die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität festzulegen seien. Bedenken gegen die materielle Rechtmäßigkeit der NICU-Vereinbarung 2008 bestünden mit Blick auf die Urteile des Bundessozialgerichts vom 18.12.2012 - B 1 KR 34/12 R sowie vom 17.11.2015 - B 1 KR 15/15 R nicht und seien von der Klägerin auch nicht geltend gemacht worden. Die Regelungen der NICU-Vereinbarung 2008 seien außenwirksam und für die Beteiligten bindend (§ 91 Abs. 6 SGB V sowie Bezugnahme auf BSG, Urteile vom 18.12.2012 - B 1 KR 34/12 R Rn. 13, vom 27.11.2014 - B 3 KR 1/13 R Rn. 10a und vom 17.11.2015 - B 1 KR 15/15 R Rn. 10).

Im hier maßgeblichen Zeitraum der Behandlung der Versicherten II (02.10.2009 bis zum 02.12.2009) habe das Krankenhaus der Klägerin lediglich die Voraussetzungen der Versorgungsstufe Perinataler Schwerpunkt erfüllt. Dies ergebe sich aus § 14 Abs. 3 der Pflegesatzvereinbarung 2009. Auf die Pflegesatzvereinbarung 2008 komme es nicht an, da sich die in diesem Verfahren relevanten Kriterien für die Zuordnung zu einer der vier neonatologischen Versorgungsstufen unmittelbar aus der NICU-Vereinbarung 2008 ergäben, die seit dem 01.04.2009 für die Beteiligten verbindlich sei. Die Feststellungen in den Pflegesatzvereinbarungen zu den neonatologischen Versorgungsstufen seien nicht konstitutiv, sondern nur deklaratorisch. Da die Versicherte II mindestens in einem Perinatalzentrum Level 2 habe behandelt werden müssen, hätte die Behandlung nicht im Krankenhaus der Klägerin erfolgen dürfen. Denn es habe weder ein begründeter Einzelfall nach § 3 Abs. 2 S. 1 der NICU-Vereinbarung 2008 vorgelegen, noch habe eine Notfallbehandlung im Sinne von § 76 Abs. 1 S. 2 SGB V stattgefunden. Vielmehr wäre das Krankenhaus der Klägerin nach § 3 Abs. 2 S. 3 der NICU-Vereinbarung 2008 zur Durchführung eines antepartalen Transports der Schwangeren verpflichtet gewesen. Ein solcher Transport hätte - auch unter Berücksichtigung der konkreten medizinischen Umstände des Einzelfalles - ab dem 30.09.2009 erfolgen können, was zur Überzeugung der Kammer nach den Ausführungen des MDK feststehe.

Der Verwertung der gutachterlichen Ausführungen des MDK stehe § 275 Abs. 1c S. 2 SGB V nicht entgegen, weil es hier um die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung gehe, auf die die genannte Vorschrift keine Anwendung finde. Weitere Ermittlungen von Amts wegen seien aufgrund der Weigerung der Klägerin, die Patientenunterlagen der Versicherten herauszugeben, nicht möglich. Die Unmöglichkeit der weiteren Sachverhaltsaufklärung gehe zu Lasten der Klägerin, da sie die objektive Beweislast trage.

Der Vergütungsanspruch könne schließlich nicht aus der Kostenübernahmeerklärung der Beklagten vom 11.12.2009 hergeleitet werden. Ebenso wenig sei die Beklagte wegen dieser Erklärung mit ihren Einwendungen ausgeschlossen. Auch führe sie nicht zu einer Umkehr der Beweislast. Eine Kostenübernahmeerklärung bzw. Kostenzusage könne allenfalls zur Folge haben, dass die Krankenkasse mit den Einwänden gegen den Vergütungsanspruch des Krankenhauses ausgeschlossen sei, die ihr im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung bekannt gewesen seien oder ohne Weiteres hätten bekannt sein können (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 17.05.2000 - B 3 KR 33/99 R sowie Urteil vom 12.06.2008 - B 3 KR 19/07 R). Die Kostenzusage einer Krankenkasse erfasse jedoch grundsätzlich nicht die Frage, ob der geplante Eingriff bei dem Patienten vom Versorgungsauftrag des Krankenhauses gedeckt oder ob das Krankenhaus aus sonstigen Gründen nicht zur Behandlung des Patienten berechtigt sei (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 27.11.2014 - B 3 KR 1/13 R Rn. 45). So liege der Fall hier, da es um die Frage gehe, ob das Krankenhaus der Klägerin unter Berücksichtigung der Zugehörigkeit zu einer bestimmten neonatologischen Versorgungsstufe bzw. wegen Vorliegens eines Notfalls zur Behandlung der Versicherten berechtigt gewesen sei.

Gegen diese - ihr am 27.12.2016 zugestellte - Entscheidung richtet sich die am 17.01.2017 eingelegte Berufung der Klägerin.

Zu der eigentlich relevanten Frage, ob unter rein medizinischen Gründen eine antepartale Verlegung möglich gewesen sei, enthalte das Gutachten des MDK; auf das sich das Sozialgericht für seine Entscheidung maßgebend gestützt habe, keinerlei substantiierte Ausführungen. Demgegenüber habe die Klägerin ihre medizinische Auffassung aus der insoweit maßgebenden ex-ante-Sicht schlüssig begründet und der Beklagten zur Kenntnis gebracht. Darüber sei der MDK hinweggegangen. Zu der zweiten an ihn gerichteten Frage habe sich der MDK nur mit einem einzigen nicht überzeugenden Satz geäußert. Präeklampsien seien schwangerschaftstypisch und grundsätzlich beherrschbar. Da auch ein niedriges Gestationsalter nicht vorgelegen habe, hätten die behandelnden Krankenhausärzte sehr wohl davon ausgehen dürfen, dass eine Prolongation der Schwangerschaft über mehrere Wochen möglich gewesen sei. Auch dies hätte der MDK - jedenfalls aber das Sozialgericht - würdigen müssen.

Im Übrigen sei die Klägerin im hier fraglichen Behandlungszeitpunkt als Perinatalzentrum Level 2 einzustufen und damit schon aus diesem Grunde, ohne Ansehung der besonderen Situation im hier vorliegenden Einzelfall zur Erbringung der Leistung berechtigt gewesen.

Mit Blick auf das im Berufungsverfahren eingeholte Sachverständigengutachten moniert die Klägerin, dass der Sachverständige in dem Gutachten wiederholt von einem Behandlungsfall im Jahre 2017 ausgegangen sei sowie Leitlinien bzw. medizinische Standards seiner Beurteilung zu Grunde gelegt habe, die erst nachträglich festgelegt worden seien. Nach der in dem Zeitraum der hier streitigen Behandlung geltenden AWMF-Leitlinie (Nr. 024/001) sei die Behandlung ordnungsgemäß erfolgt. Danach hätten Kinder mit einem zu erwartenden Geburtsgewicht ) 1.000 g in Perinatalzentren Level 2 entbunden werden dürfen. Aufgrund der Fetometrie (vom 02.10.2009), die ein geschätztes Geburtsgewicht von 1.180 g ergeben habe, sei die Entscheidung getroffen worden, die Versicherte I weiter in dem Krankenhaus zu versorgen und nicht zu verlegen.

Schließlich komme es nach den Vorgaben unter Ziff. 2. B. 1. der Anlage 1 der NICU-Vereinbarung auf das prognostische Geburtsgewicht hier auch gar nicht an, weil danach alternativ auf ein Gestationsalter von 29+0 ( / = 32+0 SSW abgestellt werden könne.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 30.11.2016 abzuändern und nach dem Klageantrag zu erkennen.

Hilfsweise beantragt sie,

ein Sachverständigengutachten unter Zugrundelegung der zum Zeitpunkt der Leistungserbringung geltenden Richtlinien, Leitlinien und Standards einzuholen und dabei die zu den Gerichtsakten überreichten Unterlagen zu berücksichtigen.

Weiterhin hilfsweise,

die Beklagte hilfsweise zu verurteilen, der Klägerin die Vergütung zu zahlen, die den ersparten Aufwendungen entspricht, die der Beklagten für den Zeitraum der medizinisch erforderlichen stationären Behandlung der Patientin B L ab dem Zeitpunkt einer denkbaren Rückverlegung aus einer Einrichtung mit höherer Versorgungsstufe entstanden wären.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Das Gericht sei insbesondere nicht gehindert gewesen, sich den Ausführungen in dem MDK-Gutachten vom 29.10.2010 anzuschließen (BSG, Urteil vom 20.04.2016 - B 3 KR 66/15 B)

Die Klägerin hat auf Anforderung des Senats im Berufungsverfahren die Patientenakten der Versicherten zur Verfügung gestellt. Sodann hat der Senat Beweis erhoben durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens bei dem Chefarzt der Frauenkliniken im Rhein-Kreis O, Dr O. Der Sachverständige hat sich nach Maßgabe der Beweisanordnung vom 04.05.2017 u.a. zum Vorliegen eines begründeten Einzelfalles im Sinne von § 3 Abs. 2 der NICU-Vereinbarung, zum Bestehen einer Indikation zur antepartalen Verlegung der Versicherten I in eine Klinik höherer Versorgungsstufe aus der Sicht ex ante sowie zum Vorliegen der Voraussetzungen für eine Notfallbehandlung im Sinne von § 76 Abs. 1 S. 2 SGB V geäußert. Hinsichtlich der Einzelheiten der Ausführungen des Sachverständigen wird verwiesen auf Blatt 227 bis 232 der Gerichtsakten.

Zum Sach- und Streitstand im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Prozessakten und den Inhalt der beigezogenen Akten (Verwaltungsvorgänge der Beklagten und Patientenakte der Klägerin) der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

A) Die zulässige Berufung ist unbegründet.

I. Gegenstand des mit dem Hauptantrag (weiter) verfolgten Begehrens ist die Frage, ob der Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch auf Vergütung für die stationäre Behandlung der Versicherten II in der Zeit vom 02.10. bis zum 02.12.2009 nach der DRG P62D i.H.v. 50.334,08 EUR nebst Zinsen zusteht.

Mit diesem Begehren, welches die Klägerin zulässigerweise im Rahmen einer (echten) Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) geltend macht, hat sie keinen Erfolg. Denn schon die Voraussetzungen für die Hauptforderung sind nicht erfüllt.

1. Ein Vergütungsanspruch i.H.v. 50.334,08 EUR ergibt sich nicht allein schon aus der von der Beklagten unter dem 11.12.2009 abgegebenen Kostenübernahmeerklärung. Diese war unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im vorliegenden Fall nur deklaratorisch. Der Senat nimmt nach eigener Prüfung insoweit Bezug auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung des Sozialgerichts und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

2. Auch nach der materiellen Rechtslage des SGB V kann die Klägerin die geltend gemachte Vergütung nicht von der Beklagten verlangen.

Der Vergütungsanspruch für die Krankenhausbehandlung und damit korrespondierend die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus innerhalb des Versorgungsauftrages erfolgt und im Sinne von § 39 Abs 1 S 2 SGB V erforderlich sowie wirtschaftlich ist (st. Rspr. z.B. BSG, Urteil vom 28.03.2017 - B 1 KR 29/16 R Rn. 9 m.w.N.).

a) Dass die Versicherte II in dem fraglichen Zeitraum stationärer Krankenhausbehandlung - nämlich der quasi notfallmäßig per Kaiserschnitt durchzuführenden Geburt und der anschließenden intensiven Weiterbetreuung wegen des geringen Geburtsgewichts - bedurfte, ist aufgrund der tatsächlichen Abläufe und der Beurteilungen des MDK sowie des Sachverständigen Dr. O hinreichend belegt und zwischen den Beteiligten auch unstreitig.

b) Die Beklagte hat den Behandlungsfall der Versicherten II dennoch nicht nach der DRG P62D zu vergüten, weil die Behandlung außerhalb des Versorgungsauftrags erfolgte, ohne dass eine Notfallsituation vorlag (vgl. § 8 Abs. 1 S. 3 KHEntgG). In diesen Fällen kann ein Krankenhaus selbst dann keine Vergütung beanspruchen, wenn die Leistung ansonsten ordnungsgemäß erbracht worden ist (BSG, Urteil vom 27.11.2014 - B 3 KR 1/13 R Rn. 9).

Eine nach zwingenden normativen Vorgaben ungeeignete Versorgung Versicherter ist nicht im Rechtssinne "erforderlich" mit der Folge, dass das Krankenhaus hierfür keine Vergütung beanspruchen kann. Versicherte haben aufgrund des Qualitätsgebots (§ 2 Abs. 1 S. 3 SGB V) und des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 Abs. 1 SGB V) keinen Anspruch auf ungeeignete Leistungen, insbesondere auf ungeeignete Krankenbehandlung (§ 27 Abs. 1 SGB V) einschließlich Krankenhausbehandlung. Krankenhäuser sind dementsprechend - außer in Notfällen - auch innerhalb ihres Versorgungsauftrags - weder befugt, ungeeignet zu behandeln, noch berechtigt, eine Vergütung hierfür zu fordern. Das Wirtschaftlichkeitsgebot gilt für alle Leistungsbereiche des SGB V (BSG, Urteil vom 07.05.2013 - B 1 KR 12/12 R Rn. 16 m.w.N.). Danach müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (vgl. § 12 Abs. 1 S. 2 SGB V sowie § 2 Abs. 2. S. 1, § 4 Abs. 3, § 70 Abs. 1 SGB V). Das Wirtschaftlichkeitsgebot gilt nach dieser Gesetzeskonzeption uneingeschränkt auch im Leistungserbringungsrecht (BSG, Urteil vom 21.03.2013 - B 3 KR 28/12 R Rn. 14 sowie Urteil vom 22.11.2012 - B 3 KR 20/12 R Rn. 10 m.w.N.). Das SGB V macht für Krankenhausbehandlungen insoweit keine Ausnahme (vgl. zum Ganzen BSG Urteil vom 01.07.2014 - B 1 KR 62/12 R Rn. 18; Urteil vom 27.11.2014 - B 3 KR 1/13 R Rn. 10).

Nach diesen Grundsätzen durfte die Klägerin die Behandlung der Versicherten nicht erbringen. Denn sie handelte zwar innerhalb des von der Bezirksregierung Düsseldorf festgestellten Versorgungsauftrages ("Frauenheilkunde und Geburtshilfe"), nicht aber in Einklang mit der NICU-Vereinbarung (2008), die für die Klägerin bindendes Recht ist und war (§ 91 Abs. 6 SGB V). Auch insoweit nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung des Sozialgerichts und sieht von einer weiteren Darstellung der Gründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

aa) Dabei kann - abweichend zur Lösung des vorliegenden Falles durch das Sozialgericht - letztlich offen bleiben, ob das Krankenhaus aufgrund der Änderung in der NICU-Vereinbarung sowie der Budgetvereinbarung 2009 (§ 14 Abs. 3) die Voraussetzungen für ein Perinatalzentrum Level 2 in dem fraglichen Behandlungszeitraum nicht mehr oder aufgrund der Budgetvereinbarung 2008 (§ 11 Abs. 3) immer noch erfüllte.

Denn das Krankenhaus erfüllte jedenfalls nicht die Voraussetzungen eines Perinatalzen-trums Level 1 (dazu (1)), obwohl die Versicherte II in einem solchen Zentrum zu versorgen gewesen wäre (dazu (2)).

(1) Nach Ziff. 1. A. 1.-14. der Anlage 1 zur NICU-Vereinbarung (2008) wurden und werden sehr hohe Anforderungen an die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität eines Krankenhauses gestellt, das als Perinatalzentrum Level 1 tätig werden will. Dass das Krankenhaus der Klägerin diese Voraussetzungen erfüllte, ist weder geltend gemacht noch sonst aus den Akten ersichtlich.

(2) Die Versicherte II bzw. vor der Entbindung die Versicherte I wäre(n) in einem Perinatalzentrum Level 1 zu versorgen gewesen.

(a) Dies ergibt sich zwingend aus den Aufnahmekriterien - Ziff. 1. B., 2. B., 3. B., 4 der Anlage 1 zur NICU-Vereinbarung (2008), wobei es keine Rolle spielt, ob dabei die alte oder die neue Fassung der NICU-Vereinbarung Anwendung findet. Denn die beiden Versionen sind insoweit identisch.

Nach Ziff. 1. B. 1. der Anlage 1 zur NICU-Vereinbarung sind pränatal Frühgeborene mit einer Reife ( 1.250 g und/oder ( 29+0 SSW in Perinatalzentren Level 1 zu verlegen bzw. dort zu versorgen.

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, weil das zu erwartende Geburtsgewicht der Versicherten II (deutlich) unter 1.250 g lag. Ausgehend von der insoweit maßgebenden Betrachtung ex ante (vgl. dazu etwa BSG, Urteil vom 16.05.2013 - B 3 KR 32/12 R Rn. 13) betrug das bei einer Entscheidung der behandelnden Ärzte des Krankenhauses der Klägerin zu berücksichtigende Geburtsgewicht der Versicherten II aufgrund der Fetometrie vom 29.09.2009 853 g. Nicht dagegen heranzuziehen ist die Fetometrie vom 02.10.2009, die erst kurz vor der Entbindung zu einem Zeitpunkt durchgeführt wurde, an dem unstreitig eine Verlegung der Versicherten I in ein anderes Krankenhaus nicht mehr in Betracht kam. Auch dies kann aber letztlich dahinstehen, weil selbst die Fetometrie vom 02.10.2009 noch einen Wert von 1.164 g (und damit deutlich weniger als 1.250 g) ergeben hat.

Schließlich würde eine (systematisch unkorrekte) ex-post-Betrachtung hier ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis führen, weil die Versicherte II mit einem Gewicht von 940 g zur Welt kam.

(b) Der Einwand der Klägerin, die Versorgung in einem Perinatalzentrum Level 2 wäre (ebenso gut) möglich und zulässig gewesen, weil Ziff. 2. B. 1. der Anlage 1 zur NICU-Vereinbarung die Aufnahme von Versicherten in dem Korridor zwischen der 29+0 und der 32+0 SSW vorsehe, greift nicht durch.

Die Versicherte I wurde hier zwar in der 29+1 SSW und damit innerhalb dieses Korridors aufgenommen. Die Regelung zu Ziff. 2. B. 1. der Anlage 1 zur NICU-Vereinbarung ist jedoch (ebenso wie die vergleichbaren Regelungen unter 1. B. 1. und 3. B. 1. der Anlage 1 zur NICU-Vereinbarung) so zu verstehen, dass schon beim Vorliegen eines der dort genannten Merkmale die Behandlung in der zugeordneten Einrichtung zu erfolgen hat. Denn die jeweiligen Aufnahmekriterien sind erkennbar nach Schweregraden geordnet, wobei schon eines der genannten Kriterien die Aufnahme in eine höhere Versorgungsstufe rechtfertigt. Die Wendung "und" unter der jeweiligen Ziffer 1. ist daher lediglich so zu verstehen, dass es nicht schadet, wenn neben einem geringen prognostischen Geburtsgewicht noch eine kurze Schwangerschaftsdauer vorliegt oder umgekehrt.

Diese Konzeption ergibt sich im Übrigen rückschließend auch aus den weiteren Ziffern unter B. der Anlage 1 zur NICU-Vereinbarung. So wäre der Argumentation der Klägerin folgend auch die Aufnahme in eine perinatale Schwerpunktklinik möglich gewesen, weil eine fetale Wachstumsretardierung vorlag und dieses Kriterium unter 3. B. 2. der Anlage 1 zur NICU-Vereinbarung genannt ist. Dass die Behandlung der Versicherten grundsätzlich in einer perinatalen Schwerpunktklinik zulässig gewesen wäre, wird aber selbst von der Klägerin nicht behauptet und würde der erkennbar nach Schweregraden gestaffelten Aufnahmekriterien der Anlage 1 auch nicht gerecht.

(c) Soweit die Klägerin geltend macht, nach der zeitlich einschlägigen AWMF-Richtlinie (Nr. 024/001) habe für eine Versorgung in einem Perinatalzentrum Level 2 ein erwartetes Geburtsgewicht von 1.000 g ausgereicht, ist dies ebenfalls nicht stichhaltig. Denn zum einen ist die zutreffende Beurteilung hier ausgehend von der Fetometrie vom 29.09.2009 vorzunehmen (s.o.), aus der sich ein Gewicht von 853 g ergab. Zum anderen kommt den AWMF-Richtlinien - anders als der NICU-Vereinbarung über § 91 Abs. 6 SGB V - hier keine normative Wirkung zu.

bb) Auch ein begründeter Einzelfall im Sinne von § 3 Abs. 2 (S. 1) der NICU-Vereinbarung lag - wie das Sozialgericht zu Recht entschieden hat - nicht vor. Mangels näherer Konkretisierung in der Vereinbarung (alter und neuer Fassung) handelt es sich bei dem Merkmal des begründeten Einzelfalles um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Dabei kann man den Regelungen in § 3 Abs. 2 S. 2 und S. 3 der NICU-Vereinbarung jedenfalls noch entnehmen, dass das Merkmal eher eng auszulegen und auch nach Aufnahme eine Verlegung vor Entbindung grundsätzlich denkbar bzw. sogar gewünscht ist. Ein begründeter Einzelfall ist demnach nur dann anzunehmen, wenn der Verbleib der Versicherten I in dem Krankenhaus der Klägerin unabdingbar war.

Davon ist hier nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, das die Beurteilung des MDK bestätigt, nicht auszugehen. Der Senat hat keine Bedenken, der Beurteilung des Sachverständigen Dr. O dahingehend zu folgen, dass eine Verlegung der Versicherten I nach Stabilisierung der Befundwerte und ihres subjektiven Zustandes am 30.09. oder am 01.10.2009 hätte erfolgen können. Denn diese Einschätzung ergibt sich schlüssig aus dem aktenkundigen Behandlungsverlauf.

Durchgreifende Einwände gegen diese Kernbeurteilung bringt auch die Klägerin nicht vor. Zutreffend merkt sie zwar an, dass sich der Sachverständige in seinen Ausführungen nicht auf § 3 Abs. 2 der NICU-Vereinbarung, sondern auf die (nicht existente) Regelung des § 4 Abs. 4 der NICU-Vereinbarung bezogen hat. Dies erschüttert die Überzeugungskraft des Gutachtens allerdings nicht, weil sich der Sachverständige bei seiner inhaltlichen Beurteilung erkennbar zutreffend an den Vorgaben der Beweisanordnung orientiert hat. Zu Recht moniert die Klägerin auch, dass der Sachverständige Richtlinien in Bezug nimmt, die in dem fraglichen Behandlungszeitraum noch nicht galten. Auch dies spielt aber letztlich keine Rolle, weil die (AWMF-)Richtlinien ohnehin keine normative Wirkung entfalten und auch sonst für die Lösung des Falles nicht von Bedeutung sind.

Die Beklagte ist schließlich nicht aufgrund formeller Mängel des Prüfverfahrens von der Geltendmachung der Einwände gegen die Richtigkeit der von der Klägerin vorgenommenen Abrechnung ausgeschlossen. Auch diesbezüglich verweist der Senat nach eigener Prüfung auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung des Sozialgerichts und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

3. Die Klägerin kann ihren Zahlungsanspruch auch nicht auf eine Notfallbehandlung (§ 76 Abs. 1 S. 2 SGB V) stützen.

Die hier in Rede stehende Behandlung der Versicherten II war nicht in dem Sinne dringlich oder unaufschiebbar, dass die sofortige Inanspruchnahme eines nicht zugelassenen Leistungserbringers erforderlich gewesen wäre. Da - wie vorstehend ausgeführt - ein begründeter Einzelfall nicht vorlag, hätte eine vorgeburtliche Verlegung der Versicherten I erfolgen und somit die Leistung in einer gesetzlich vorgesehenen Einrichtung erbracht werden können.

Der Umstand, dass - auch nach der Beurteilung des Sachverständigen Dr. O - am 29.09.2009 eine "notfallmäßige" Aufnahme der Versicherten I gerechtfertigt war, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn dies betrifft nur (teilweise) die für die Versicherte I erbrachten Leistungen und deren Abrechnung. Um diese Kosten geht es hier aber nicht.

II. Der erste Hilfsantrag bleibt ebenfalls erfolglos.

Der Senat hat sich nicht gedrängt gesehen, ein Sachverständigengutachten unter Zugrundelegung der zum Zeitpunkt der Leistungserbringung geltenden Richtlinien, Leitlinien und Standards einzuholen. Soweit es sich hierbei um einen Beweisantrag handeln sollte, fehlt es schon an der Formulierung eines Beweisthemas zu dem der zu bestellende Sachverständige gehört werden soll.

Unabhängig davon kommt es für die Beurteilung des Falles nach der Lösung des Senats nicht auf Richtlinien, Leitlinien oder Standards an, sondern allein auf die Vorgaben der NICU-Vereinbarung an.

III. Schließlich dringt die Klägerin auch mit ihrem zweiten Hilfsantrag nicht durch.

Eine Anspruchsgrundlage für eine solche Teilvergütung existiert nicht. Es ist auch nicht erkennbar, auf welche Anspruchsgrundlage die anwaltlich vertretene Klägerin ihr - ohnehin unbeziffertes Begehren - stützt. Nach der gesetzlichen Regelung (§ 8 Abs. 1 S. 3 KHEntgG) soll in diesen Fällen eine Vergütung des Krankenhauses gerade ausgeschlossen sein (s.o. sowie BSG, Urteil vom 27.11.2014 - B 3 KR 1/13 R Rn. 9).

Soweit an eine subsidiäre "Vergütung" der Klägerin nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB) gedacht werden könnte, ist darauf hinzuweisen, dass die Behandlung der Versicherten II durch die Ärzte im Krankenhaus der Klägerin nach der NICU-Vereinbarung weder im ausdrücklichen oder mutmaßlichen Interesse der Beklagten noch im öffentlichen Interesse lag. Im Übrigen sind die Regelungen zur Geschäftsführung ohne Auftrag ausgeschlossen, wenn - wie hier - Vorschriften des öffentlichen Rechts eine erschöpfende Regelung darstellen, die einen Rückgriff auf die Grundsätze über die Geschäftsführung ohne Auftrag nicht erlaubt (vgl. dazu BSG, Urteil vom 03.11.1999 - B 3 KR 4/99 R Rn. 19; BSG, Urteil vom 23.08.2013 - B 8 SO 19/12 R Rn. 21 - beide m.w.N.)

B) Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.

C) Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.

D) Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs. 1 1. HS SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 und Abs. 3 S. 1, 47 Abs.1 GKG.
Rechtskraft
Aus
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