Herr Ambrosy, der Bundesgesundheitsminister will die Zahl der Krankenhäuser reduzieren, das regt auch eine Studie der Bertelsmann-Stiftung an. Sie will die Zahl der Häuser von 1400 auf unter 600 festsetzen. Was passiert dann mit den kleinen Standorten?

AmbrosyMan kann die Krankenhäuser auf dem Land nicht einfach alle schließen. Berücksichtigt werden muss ja, dass Krankenhäuser mit speziellen Funktionen und Fachabteilungen erreichbar sein müssen. Das darf nicht einfach wegfallen. Das gilt bei uns für Sanderbusch aber auch für Varel.

Erfahrener Jurist

Frieslands Landrat Sven Ambrosy (49, SPD) ist seit 2003 hauptamtlicher Landrat des Kreises Friesland (mit Sitz in Jever). Der Jurist steht auch dem Bezirksverband Oldenburg, dem Tourismusverband Nordsee und dem Oldenburgisch-Ostfriesischen Wasserverband (Brake) vor.

Die Debatte ist aber in Gang, kann man sich dem entziehen?

Ambrosy Die Diskussion darf man vor allem nicht so pauschal führen. Bei unseren beiden Krankenhäusern in Friesland ist beispielsweise zu berücksichtigen, dass in Sanderbusch der Rettungshubschrauber stationiert ist, es gibt eine Stroke Unit (Schlaganfall-Einheit) und wir sind u.a. spezialisiert auf Neurologie und Neurochirurgie. So etwas hat regionale und sogar überregionale Bedeutung. In Varel ist die Geburtshilfe für eine ganze Region. Wenn einer auf die Idee käme, so einen Standort zu schließen, gefährdet er die geburtshilfliche und auch gynäkologische Versorgung von bis zu 100 000 Menschen. An der Küste geht es zusätzlich um die medizinische Versorgung der Urlauber. Die Frage wäre also an die Befürworter von Schließungsszenarien zu stellen, welche Krankenhäuser sind denn zu viel? Die Krankenhausplanung macht zudem das Land, nicht der Bundesgesundheitsminister. Die interaktive Karte aus dem Kliniksimulator dient ja nur zur Illustration, wie die Erreichbarkeit von Kliniken der Grundversorgung innerhalb von 30 Minuten aussieht.

Es gibt weitere Argumente: In Skandinavien gibt es auch nicht so viele Krankenhausbetten, warum dann bei uns so viele?

AmbrosyIn Skandinavien besteht ein ganz anderes Modell der Gesundheitsversorgung. Da werden die Bürger stärker über Ambulanzen und Versorgungszentren betreut. Wenn man den internationalen Vergleich macht, müsste man bei uns auch das ganze System ändern. Am grünen Tisch kann man viel beschließen; ich plädiere für Pragmatismus und Differenzierung.

Ein weiteres Argument betrifft die Qualität der Versorgung in größeren Kliniken. Was sagen Sie dazu?

AmbrosyWenn zum Beispiel die Geburtshilfe nur in Großstädten konzentriert wird, ist die Frage, wie sollen die Frauen sie erreichen. Der rasante Anstieg von Geburten in Taxis und Rettungswagen wäre dann mit Sicherheit zu hinterfragen, ob das ein Anstieg von Sicherheit ist. Die aktuelle Diskussion ist mir zu akademisch und so auch zu pauschal. Der Ansatz muss doch sein: Wo wird ein Haus gebraucht? Da wird mir um unsere beiden Krankenhäuser in Friesland nicht bange. Den Gedanken der Zentralisierung kann ich grundsätzlich nachvollziehen. Man hat geringere Fixkosten, mehr Fälle. Aber was passiert mit der medizinischen Grundversorgung? Wollen wir alle Häuser unter 100 Betten schließen? Ich warne davor, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Im Grundgesetz sind gleichwertige Lebensverhältnisse festgeschrieben. Auch das ist zu beachten, ausschließlich Betriebswirtschaft als Argument ist nicht alles.

Und die Lösung?

AmbrosyIm Moment hat keiner den Stein der Weisen gefunden – ich auch nicht. Ich weiß nur, dass wir mit unseren friesländischen Krankenhäusern gut unterwegs sind. Aber die ganze Debatte hat auch eine gesamtpolitische Dimension: Wir haben gesehen, was passiert, wenn wie im Osten in ländliche Strukturen eingegriffen wird. Erst fehlt in ganzen Landstrichen die Kita, dann die Schulen, dann das Krankenhaus – dann fühlen sich die Leute abgehängt und von allen verlassen und wählen aus Protest radikal.