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Kommentar zur Krise bei der Gesundheit Nord Dem Bremer Klinikverbund kann nur eine Rosskur helfen

Eine Mischung aus bundesweiten Negativtrends und hausgemachten Problemen hat den Bremer Klinikverbund Gesundheit Nord 8Geno) an den Abgrund geführt. Der Weg zurück wird steinig, meint Jürgen Theiner.
25.09.2019, 22:56 Uhr
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Dem Bremer Klinikverbund kann nur eine Rosskur helfen
Von Jürgen Theiner

Kann ein Karren tiefer im Morast stecken als die Geno im Herbst 2019? Die rasante wirtschaftliche Talfahrt des Bremer Klinikkonzerns Gesundheit Nord macht selbst langjährige Beobachter sprachlos. Erst vor einem guten Jahr hatte die Bürgerschaft in einem finanziellen Kraftakt 205 Millionen Euro locker gemacht, um das stadteigene Unternehmen mit seinen vier Standorten zu stabilisieren. Die dringend erforderliche Restrukturierung hat während dieser teuer erkauften Zeit jedoch kaum Fortschritte gemacht. Ohne ein weiteres Eingreifen der Politik droht 2021 die Zahlungsunfähigkeit.

Wie konnte es so weit kommen? Offenkundig ist, dass sich bei der Geno allgemeine Negativtrends im Krankenhaussektor und hausgemachte Probleme überlagern. Fragt sich nur, welcher Anteil stärker ins Gewicht fällt. Fakt ist: Auch wenn die Geno ein gut aufgestelltes Unternehmen mit effizienten Strukturen wäre, hätte sie zu kämpfen, denn bundesweit geht die Zahl der stationären Behandlungen zurück. Der Gesetzgeber zwingt die Kliniken in einigen therapeutischen Bereichen zu höherem Personaleinsatz, gleichzeitig verschärfen die Krankenkassen ihren Druck, indem sie Abrechnungen genauer unter die Lupe nehmen und die Erstattung in einer wachsenden Zahl von Fällen verweigern.

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So weit, so schlecht für die Krankenhäuser. In Bremen kommt individuelles Unvermögen hinzu. Weder die Geno-Leitung noch die Politik als Eigentümervertreter haben es in den vergangenen Jahren vermocht, den Klinikverbund zukunftsfähig aufzustellen. Meist lautete das Motto: Rin in die Kartoffeln, raus aus die Kartoffeln. Das gilt sowohl für strategische Weichenstellungen als auch für kleinere strukturelle Eingriffe. 2014 wurden die zuvor eigenständigen Kliniken unter dem Dach einer sogenannten Einheitsgesellschaft zusammengeführt.

Man versprach sich davon mehr Flexibilität, unter anderem durch die Möglichkeit der Versetzung von Personal zwischen den Standorten. Gerade an diesem Punkt wurde jedoch herzlich wenig erreicht, auch wegen anhaltenden Widerstands aus der Belegschaft. Was die kleineren Missgriffe in jüngerer Zeit angeht, können Praktiker mühelos ein Dutzend Beispiele aus dem Ärmel schütteln. Um nur eines zu nennen: Im Frühjahr 2018 beschloss die Geno-Spitze, die allgemeine Chirurgie aus Bremen-Ost abzuziehen. Diese Entscheidung wurde kaum ein halbes Jahr durchgehalten, nachdem in der Folge auch die Innere Medizin in Ost in die Knie ging.

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Angesichts solcher Stockfehler im alltäglichen Management kann es niemanden verwundern, dass langfristige Trends wie die Ambulantisierung klinischer Leistungen zu spät aufgegriffen werden. Die Quittung kommt jetzt. Das laufende Geschäft bewegt sich in den roten Zahlen, und dabei sind weitere belastende Faktoren noch gar nicht berücksichtigt. Der Investitionsbedarf bei der geplanten medizinischen Neuprofilierung der vier Standorte dürfte sich im dreistelligen Millionenbereich bewegen. Außerdem muss die Geno seit diesem Jahr die Abschreibungen für ihren Neubau an der St.-Jürgen-Straße stemmen. 20 Millionen Euro pro Jahr allein hierfür.

Die Lage ist also dramatisch. Nur eine wahre Rosskur kann der Geno jetzt noch helfen. So muss sich die Politik ernsthaft die Frage stellen, ob für eine qualitativ hochwertige medizinische Versorgung in Bremen tatsächlich vier Krankenhausstandorte erforderlich sind. Die Klinika Ost und Links der Weser sind vom Hauptstandort Mitte lediglich zehn beziehungsweise sieben Kilometer entfernt. Wer auf dem platten Land wohnt – und das tun immer noch viele in Deutschland – dem dürften solche Strukturen geradezu unwirklich vorkommen.

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Eine Geno-Reform an Haupt und Gliedern müsste nicht unbedingt zulasten der Arbeitsplätze gehen. Was dem Klinikverbund derzeit unter anderem fehlt, sind eigene Kapazitäten im Bereich Kurzzeitpflege für Entlasspatienten und andere nachstationäre Angebote. Es wäre also beispielsweise eine Überlegung wert, ob man den Standort Ost zu einem entsprechend profilierten Zentrum umgestaltet.

Denkverbote darf es nicht mehr geben. Bei der Krisenbewältigung ist außerdem ein parteipolitisches Alle-Mann-Manöver gefragt. Die notwendigen Strukturveränderungen sind nur dann möglich, wenn die Bürgerschaftsopposition nicht den Schulterschluss mit Kirchturmpolitikern sucht, die gegen jede Veränderung an „ihren“ Klinikstandorten Sturm laufen. Dies vorausgesetzt, könnte sich die Geno auf lange Sicht erholen. Noch besteht Hoffnung auf Genesung.

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