IT im Moerser Krankenhaus Bethanien Bald gibt es die „Visite per Smartphone“

Moers · Michael Ziller ist Leiter der EDV-Abteilung am Bethanien-Krankenhaus. Mit seinen Mitarbeitern kümmert er sich um den stetig wachsenden Berg elektronischer Daten und die damit verbundene Technik.

 Michale Ziller ist Leiter der IT-Abteilung des Krankenhauses Bethanien.

Michale Ziller ist Leiter der IT-Abteilung des Krankenhauses Bethanien.

Foto: Josef Pogorzalek

Schon in den 1980er Jahren gab es am Bethanien-Krankenhaus einen vielbeachteten Modellversuch, Patienten-Daten bei der Visite auf Fernseh-Monitore in den Stationszimmern zu übertragen. Mit einem Blick sollten Ärzte Patienten-Infos abrufen, lästiges Blättern in Akten sollte der Vergangenheit angehören. „Mit dem Versuch waren wir weltweit ein Vorreiter“, sagt Michael Ziller, Leiter der IT-Abteilung des Krankenhauses. Aber der Versuch scheiterte, weil es eine ganze Minute dauerte, bis Daten vom damaligen Zentralrechner auf den Stationen ankamen. Das führte zu ärgerlichen Verzögerungen bei der Visite. „Das Papier war damals einfach noch schneller“, sagt Ziller.

Der IT-Fachmann ist überzeugt: Bald wird am Bethanien Wirklichkeit, was damals Wunschdenken bleiben musste. Und dabei werden nicht mal mehr Monitore nötig sein. Ziller spricht von einer „Visite per Smartphone“. Noch fehle die passende Software dafür. „Aber in fünf Jahren werden wir soweit sein, alle Patientendaten auf dem Smartphone abrufen zu können.“ Denn die digitale Datenverarbeitung hat inzwischen das Papier nicht nur ein-, sondern meilenweit überholt. „Die Papierakten werden immer dünner“, sagt Ziller. 95 Prozent aller Dokumente am Bethanien lägen heute in digitaler Form vor. Bis Ende 2020 werde die „Durchdringungsrate“ bei der Digitalisierung bei 99 Prozent liegen.

Bereits im Jahr 2002, als der gelernte Informatik-Kaufmann Ziller am Bethanien anfing, wurde dort in Kooperation mit dem Software-Entwickler Agfa Health Care das elektronische Krankenhaus-Informationssystem Orbis eingeführt. Seither hat es sich stetig weiterentwickelt. Heute hat Orbis die frühere Papierakte fast vollständig verdrängt. Von der Zimmer- und Stationsnummer des Patienten bis zu Befundberichten, Laborwerten und Diagnosen – alles steht bei Bedarf in Sekundenschnelle auf dem PC-Bildschirm zur Verfügung. Das System zeige auch an, wenn zum Beispiel in einem Formular etwas Wichtiges fehle. „So sieht der Arzt: Was muss ich noch ausfüllen?“, sagt Ziller. 250 Terabyte Datenmaterial können auf den Festplatten und in den Cloud-Speichern des Krankenhauses aufbewahrt werden; wollte man diese Datenmengen aus Papier in Aktenordnern abheften, würden die Aktenregale wohl einmal um den Äquator reichen. Zum Vergleich: Die Speicherkapazität des Rechners aus dem Modellversuch in den 80er Jahren war geringer als der eines heutigen Mobiltelefons.

Mit Lochkarten fing die elektronische Datenverarbeitung am Bethanien in den 60er Jahren an. Damals wie heute galt, so Ziller: „Die Digitalisierung soll die Arbeit erleichtern und nicht schwerer machen.“ Mussten früher EKG-Aufzeichnungen, Röntgenbilder oder MRT-Aufnahmen ausgedruckt oder entwickelt und von Station zu Station transportiert werden, so können Ärzte sie heute an jedem Computer-Arbeitsplatz mit wenigen Mausclicks aufrufen und analysieren. „Das gilt auch für bewegte Bilder“, erläutert Ziller, der dabei zum Beispiel an Ultraschall-Aufnahmen von ungeborenen Babys denkt. „Jeden Tag schieben wir 25.000 Dateien hin und her.“ Eine enorme Arbeitserleichterung bedeuten auch die 2015 auf den Stationen eingeführten Vitalwert-Monitore. Mithilfe der mobilen digitalen Messstationen können die Pflegerinnen und Pfleger nicht nur in Sekundenschnelle Puls, Sauerstoffsättigung des Blutes und Blutdruck der Patienten ermitteln. Die Werte werden auch automatisch im Orbis-System gespeichert. Das frühere manuelle Eintragen der Werte entfalle, sagt Ziller und macht eine beeindruckende Rechnung auf: „Das Eintragen dauerte drei bis fünf Minuten pro Messung. Bei 80.000 Messungen im Quartal macht das rund 400.000 Minuten, die das Pflegepersonal besser nutzen kann. Zum Beispiel für Gespräche mit den Patienten.“ 400.000 Minuten, das entspricht 833 Achtstunden-Schichten!

„Für uns steht der Patient im Mittelpunkt“, betont Bethanien-Pressesprecherin Barbara Schirner, weil man auf die Idee kommen könnte, dass es im Zuge der Digitalisierung lediglich um kalte Workflow-Optimierung gehe. Aber sie muss nicht bei neuen OP-Methoden ansetzen, um zu zeigen, wie Patienten von der Computertechnik profitieren. Es gibt auch ganz einfache Beispiele. Weil jeder Patient ein Armband mit Strichcode erhält, seien etwa Verwechslungen von Akten nicht mehr möglich. Herz-Patienten, die unter Beobachtung stehen müssen, seien dank mobilen Kontrollgeräten nicht ans Bett gebunden.

Auch dass an jedem Bett ein eigener Bildschirm stehe, über den jeder Patient sein „eigenes“ TV-Programm ansehen könne, wäre ohne die Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte nicht denkbar. Und Michael Ziller kündigt an: „Demnächst werden wir ein Patienten-Internet über Wlan haben.“

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