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Vorwürfe von Ermittlern Politik versagt im Kampf gegen Pflegebetrug

Kriminelle Pflegedienste ergaunern jedes Jahr Milliardenbeträge und gefährden das Leben von Patienten. Ermittler und Krankenkassen fordern die Regierung nun auf, mehr gegen den Betrug in der Pflege zu tun.
Ambulante Pflegerin

Ambulante Pflegerin

Foto: Jana Bauch/ DPA

Rund 14 Milliarden Euro, schätzte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann zuletzt, ziehen Kriminelle jedes Jahr aus dem Gesundheitswesen ab. Etwa zwei Milliarden davon dürften auf ambulante Pflegedienste entfallen, die Alte und Kranke zu Hause versorgen.

Doch den Kampf gegen Betrüger führte die Politik bisher eher halbherzig. Krankenkassen und Ermittler fühlen sich deshalb von der Politik allein gelassen. "Die politischen Beschlüsse gegen den Betrug in der Pflege bleiben an der Oberfläche. Das ist purer Aktionismus", sagte Dominik Schirmer, Chefermittler bei der AOK Bayern, dem SPIEGEL. Allein unter den Intensivpflegediensten, mit denen die AOK Bayern zusammenarbeitet, ermittelt gegen 35 der 120 Anbieter die Staatsanwaltschaft.

Zwar hatte bereits der damalige Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) 2016 schärfere Gesetze und mehr Ressourcen im Kampf gegen den Pflegebetrug angekündigt. Doch seither habe sich "nicht viel getan", kritisiert Staatsanwältin Ina Kinder, die in Berlin für die Bekämpfung der Pflegekriminalität zuständig ist.

Auch Gröhes Nachfolger Jens Spahn (CDU) blieb bisher klare Vorgaben schuldig. Spahn hatte kürzlich vorgeschlagen, Intensivpflegepatienten in der Regel stationär oder in Pflege-WGs zu versorgen, statt zu Hause, weil sich dort die Qualität besser kontrollieren lasse. Doch an eindeutigen gesetzlichen Vorgaben - beispielsweise für die nötige Qualifikation der Pflegekräfte - und an harten Kontrollen fehlt es bisher.

Der Mangel an qualifizierten Pflegekräften fördert den Betrug: Pflegedienste stellen bisweilen Hilfspersonal ein, rechnen bei der Kasse aber qualifizierte und deshalb entsprechend teure Fachkräfte ab. Die fehlende Kompetenz aber kann für schwerkranke Patienten zur Lebensgefahr werden.

Fahnder der Kriminalpolizei, die den Betrügern eigentlich auf die Schliche kommen sollen, frustriert vor allem der Personalmangel in den Behörden. Sie müssen Hinweise und Dokumente oft jahrelang liegenlassen, weil es an Ressourcen fehlt, auch in den Staatsanwaltschaften und Gerichten mangelt es an Mitarbeitern, die sich durch den Pflegedschungel kämpfen. "Wir können nur hoffen, mit unseren Verfahren und Urteilen Achtungserfolge zu erzielen, die wenigstens abschreckend wirken", sagt Kriminalhauptkommissar Karsten Fischer, der in Berlin gegen Pflegebetrüger ermittelt.

Den Ermittlern graut vor allem vor den Folgen einer verstärkten Anwerbung von Pflegekräften im Ausland: "Wer soll denn kontrollieren, ob ihre Qualifikation ausreicht und korrekt ist?", fragt Staatsanwältin Kinder. "Das ist jetzt schon nicht zu schaffen."

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