Bünde. Vor zwei Wochen stellte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann die seinen Worten nach "wohl größte Reform der Krankenhauslandschaft in NRW" vor, die auch im Bünder Lukas-Krankenhaus mit Spannung erwartet wurde. Ziel der Reform ist eine nach wie vor flächendeckende Versorgung, in der jedes Krankenhaus innerhalb von maximal 30 Minuten erreicht werden kann. Die Struktur soll aber vorwiegend fachlichen Aspekten gerecht werden und sich nicht mehr an der Bettenzahl eines Hauses orientieren. Das kann Fusionen bedeuten oder im schlimmsten Fall auch die Schließung von Abteilungen und ganzen Krankenhäusern. Was das für das Lukas-Krankenhaus Bünde in den nächsten Jahren bedeuten kann, hat Geschäftsführer Roland von der Mühlen der NW erklärt.
Das Gutachten, das zwei Berliner Beratungsbüros zusammen mit Wissenschaftlern der Technischen Universität Berlin erstellt haben, gibt den Planern der künftigen Krankenhauslandschaft keine Handlungsanweisungen, welches der 344 Krankenhäuser in NRW geschlossen werden soll. Es empfiehlt unter anderem, von den Fachabteilungsstrukturen der einzelnen Häuser abzurücken und so genannte "Leistungsbereiche" und "Leistungsgruppen" zu bilden. Das scheint in Bünde gut anzukommen.
Gutachten ist besser ausgefallen als erwartet
"Der Druck bei uns ist raus", sagt Roland von der Mühlen recht zufrieden. "Das Gutachten ist für uns besser ausgefallen als erwartet, denn der Fokus der großen Veränderungen liegt deutlich auf den Ballungsgebieten in der Rhein-Ruhrschiene, was den Bereich der Überkapazitäten betrifft." Diesen Ballungsräumen haben die Gutachter zum Teil ein Überangebot attestiert, das es nach den Worten des Gesundheitsministers abzubauen gilt. Von der Mühlen sagt, er sehe bei der Kapazitätsplanung die Richtung als "grundsätzlich nicht falsch" an, von den reinen Bettenzahlen abzurücken und sich allein an den Leistungen eines Krankenhauses zu orientieren.
Sorge - auch in Bünde - bereitete in den letzten Monaten eine Studie der Bertelsmann-Stiftung, die rät, die Anzahl der 1.400 Krankenhäuser in Deutschland auf 600 (große) Krankenhäuser zu reduzieren. Dabei lag der Blick aber weniger auf geografischen Aspekten als vielmehr auf der reinen Bettenzahl. Alle Häuser unter 200 Betten sollten geschlossen werden, rieten die Autoren der Studie. In die Kategorie wäre das Lukas-Krankenhaus mit 281 zwar nicht gefallen, aber es hätte dann zu den Kleinen gezählt. Nach aktuellem Stand sind aber 70 Prozent aller Krankenhäuser in Deutschland nach den Worten von Roland von der Mühlen kleiner als das Lukas-Krankenhaus. Die Bertelsmann-Studie hatte die gesamte Bundesrepublik Deutschland im Blick. "Die medizinische Versorgung ist aber Ländersache", sagt Roland von der Mühlen.
Krankenhäuser werden zu Spezialisten für bestimmte Eingriffe
Die künftige fachliche Ausrichtung der Krankenhauslandschaft bedeutet in der Auswirkung, das jedes Krankenhaus neben seiner Funktion als medizinischer Grund- und Regelversorger Spezialist für bestimmte medizinische Leistungsgruppen sein wird und die damit zusammenhängenden Eingriffe vornehmen kann, was andere Häuser in näherer Umgebung dann nicht mehr dürfen. "Wie genau das im weiteren Verlauf aussehen wird, bleibt aber noch abzuwarten, denn für 2020 hat man sich zunächst die Rahmenpläne vorgenommen, in denen die Verteilung dieser Leistungsgruppen in den Regionen von NRW festgeschrieben wird. Erst dann wird auch genau definiert, was ein Krankenhaus erbringen muss, um bestimmte Leistungsgruppen überhaupt anbieten zu dürfen. Die Umsetzung soll dann bis 2032 erfolgen", so Roland von der Mühlen, der diese längere Zeitschiene gutheißt.
Am Beispiel zweier "Bünder Spezialitäten" in der medizinischen Versorgung wird deutlich, was Laumann und die Gutachter damit meinen: Mehr als 30.000 Prothesen für Kniegelenke wurden 2017 in NRW an 233 Standorten implantiert. Mehr als die Hälfte (53 Prozent) der Eingriffe wurden aber in Krankenhäusern mit weniger als 100 Operationen dieser Art pro Jahr vorgenommen. Im Lukas-Krankenhaus in Bünde setzen die Ärzte Patienten aus einem überregionalen Einzugsgebiet jährlich mehr als 300 künstliche Kniegelenke ein. Hinzu kommen mehr als doppelt so viele Hüftprothesen.
Oder: Bei Operationen der Bauspeicheldrüse hat ein Drittel der operierenden Krankenhäuser nicht einmal die vorgeschriebene Mindestmenge von zehn Eingriffen jährlich vorweisen können. Auch hierbei hat das Lukas-Krankenhaus im Bereich der Viszeralchirurgie (Operationen im Bauchbereich) höhere Leistungsdaten zu bieten. "Diese beiden Bereiche würden bei uns nicht rausgenommen werden, weil wir eben die Strukturkriterien dafür erfüllen", blickt der Krankenhaus-Chef in die Zukunft.
"Wer mehr Fälle einer bestimmten Krankheit behandelt, bringt mehr Expertise und Erfahrung mit", sagt Gesundheitsminister Laumann. Für die Patienten bedeutet das eine höhere Versorgungsqualität und eine bessere Behandlung.
Gutachten schlägt sogar Stellenwechsel von Ärzten vor
Auswirkungen wird das nach Ansicht von der Mühlens aber auf die ärztliche Weiterbildung haben. Beispiel: Chirurgie. Dieses Fachgebiet unterteilt sich in mehrere Bereiche wie Viszeralchirurgie, Unfallchirurgie und weiteren Disziplinen, die künftig als Leistungsgruppe geführt werden. "Wenn einem Krankenhaus aber eine dieser Leistungsgruppen genommen wird, weil die nötigen Zahlen nicht erreicht werden, fehlt ein Block in der ärztlichen Weiterbildung", erklärt Roland von der Mühlen, der diesen Umstand bezogen auf das Lukas-Krankenhaus aber "relativ entspannt" sieht. Letztendlich regen die Gutachter der künftigen Krankenhauslandschaft in NRW sogar an, dass im Zuge der Wegnahme und Zuweisung von Leistungsgruppen Fachärzte eines Krankenhauses von einem anderen übernommen werden.
Pflegepersonal der einzelnen Leistungsgruppen bleibt bei dem Gutachten unberücksichtigt. Dabei blickt Roland von der Mühlen auf eine positive Entwicklung in der Finanzierung, die ab dem kommenden Jahr gelten soll. "Der Gesetzgeber hat für 2020 geändert, dass die Pflege im Istzustand finanziert werden soll. Wir bekommen also das bezahlt, was wir an Pflegekräften tatsächlich nachweisen können." Gemessen an den gesetzlich vorgegebenen Pflegepersonaluntergrenzen hält das Lukas-Krankenhaus nach den Worten von der Mühlens je nach Fachbereich bis zu 50 Prozent mehr Pflegekräfte vor.