Patientensicherheit:Heftige Kritik am geplanten Gesetz für Implantatregister

Hüftgelenk

Implantate wie dieses Hüftgelenk sollen registriert werden. Das dafür geplante Gesetz enthält jedoch weitere, umstrittene Regelungen.

(Foto: picture alliance/dpa)
  • Der Bundestag debattiert an diesem Donnerstag über ein Gesetz, das Implantate sicherer machen soll.
  • Der umfangreiche Gesetzestext sieht jedoch auch beschleunigte Zulassungen und veränderte Kompetenzen im Bereich der Risikobewertung vor.
  • Das Netzwerk für Evidenzbasierte Medizin und andere Kritiker sehen die Sicherheit von Patienten in Gefahr.

Von Werner Bartens

Nach Ansicht von Kritikern des neuen Gesetzes ist nichts weniger als die Sicherheit von Patienten bedroht. Andere befürchten, dass die zarte Pflanze der evidenzbasierten Medizin Schaden nehme, falls die Regelung tatsächlich umgesetzt wird. Sollte der Bundestag am heutigen Donnerstag abschließend den Beschluss fassen, sei die sorgfältige Prüfung medizinischer Behandlungen und Untersuchungsverfahren in Gefahr. Wissenschaft drohe "durch politische Willkür ersetzt" zu werden.

Deutliche Warnungen sind das. Dabei verbirgt sich die Neuregelung hinter einem Wortungetüm namens Implantateregister-Errichtungsgesetz, das auch positive Seiten hat. Das Gesetz verpflichtet Kliniken, Behörden und Hersteller nach etlichen Skandalen und jahrelanger Kritik endlich dazu, ein zentrales Register für künstliche Gelenke, Prothesen und andere Implantate aufzubauen. Dieser Schritt ist ebenso wichtig wie überfällig.

Allerdings sieht das 118-seitige Gesetz von Bundesgesundheitsminister Spahn auch "die Beschleunigung der Bewertung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden durch den Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) und deren Aufnahme in die vertragsärztliche Versorgung" vor. Es soll also schneller entschieden werden, ob eine neue Therapie oder Untersuchung nützlich für Patienten ist und von den gesetzlichen Kassen übernommen wird. Das zuständige Gremium, der G-BA soll daher künftig statt drei nur noch zwei Jahre Beratungsfrist haben.

Zudem will sich das Bundesgesundheitsministerium (BMG) künftig selbst legitimieren, die Methoden für die Bewertung neuer Behandlungen zu bestimmen. Im neuen Paragrafen §91b des Sozialgesetzbuches V ist vorgesehen, dass das BMG "Anforderungen an die Unterlagen und Nachweise zur Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden" vorschreiben kann. Bisher gehört es zur Aufgabe der gemeinsamen Selbstverwaltung im Gesundheitswesen, streng wissenschaftlich zu prüfen, was wirksam für Patienten ist und was nicht.

"Die Regelungen des Sozialgesetzbuches V, die vor allem dem Schutz der Patienten vor ungeprüften, schädlichen oder unnützen Methoden dienen, werden somit ausgehebelt", warnen das Deutsche Netzwerk Evidenzbasierte Medizin und der Verein zur Förderung der Technologiebewertung im Gesundheitswesen. Sie fordern die Abgeordneten auf, ihre Zustimmung zu verweigern. Sonst würden "Entscheidungen über die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung unmittelbar zum Spielball politischer Interessen und von Lobbyeinflüssen". Der Vorstoß aus dem Ministerium bedeute zudem eine Abkehr von den Prinzipien der evidenzbasierten Medizin, wonach methodisch streng geprüft wird, ob eine Therapie etwas taugt oder nur den Herstellern nutzt.

Viele Medizinskandale haben damit zu tun, dass Produkte nicht gründlich geprüft wurden

Innovative Therapien schneller den Patienten zukommen zu lassen, erscheint auf den ersten Blick sinnvoll. Die Gutachten, die das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen IQWiG für den G-BA erstellt und das zähe Ringen der Lobbyisten und Vertreter der Krankenkassen, Ärzteverbände, Kliniken, Pharmafirmen und Medizintechnikhersteller haben sich bewährt, brauchen jedoch Zeit. Ein Großteil der Medizinskandale mit schweren Komplikationen bis hin zu Todesfällen hat sich bei Medikamenten und Implantaten ereignet, die jahrelang auf dem Markt waren und in der Vergangenheit nicht gründlich genug geprüft wurden.

"Die Patientensicherheit wird gefährdet, da Patienten ungeprüften, schädlichen oder nutzlosen medizinischen Verfahren ausgesetzt werden", sagt Ingrid Mühlhauser vom Netzwerk Evidenzbasierte Medizin. "Wie wichtig eine Bewertung von Innovationen nach den Kriterien der Evidenzbasierten Medizin ist, haben die ,Implant Files' gezeigt. Was wirklich notwendig wäre sind bessere klinische Studien, die den Nutzen von Innovationen nachweisen können."

Auch die Krankenkassen sprechen sich gegen das Gesetz aus. "Die geplante Änderung ersetzt den Nachweis des Nutzens von Krankenhausleistungen durch das Vertrauen darauf, dass sie hoffentlich nützen werden", sagt Bernhard Egger vom Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV). "Außerdem ermöglicht sie dem Gesundheitsministerium direkte Eingriffe in die Bewertungsmaßstäbe bei der Prüfung von Innovationen für die Versorgung. Der GKV-Spitzenverband setzt sich dafür ein, dass alle Leistungen, deren medizinischer Nutzen belegt ist, bezahlt werden - aber auch nur dann. Das ist ein Gebot der Patientensicherheit."

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