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Ex-Chefarzt geht Klinikum-Chef hart an: Gerede über Kindermedizin "diffamierend"

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Erst vor zwei Jahren hat die Kinderklinik in neue Mutter-Kind-Zimmer investiert
Erst vor zwei Jahren hat die Kinderklinik in neue Mutter-Kind-Zimmer investiert © dpa

Soest – Wäre da nicht 2001 schon mal der ernsthafte Versuch gestartet worden, die Kinderstation am Klinikum Soest zu schließen, würden Eltern, Ärzte und Freunde dieser Pädiatrie gerade nicht so hellhörig werden.

In der Diskussion um die Millionen-Schieflage des Krankenhauses hatten Geschäftsführung und Aufsichtsrat wiederholt auf die hohen Kosten der Station hingewiesen. Trotzdem haben sie jetzt wie auch der Stadtrat beteuert: Die Existenz der Kinderklinik stehe nicht zur Diskussion. 

Dennoch. Die Aufregung bleibt. Im Lagebericht für 2018 erwähnt Klinikum-Chef Oliver Lehnert die Schließung der Geburtshilfe in Warstein und Meschede wegen „wirtschaftlicher Defizite“. 

Künftig könnten also mehr Geburten auf Soest zukommen, wobei man jetzt schon „maximal an den Kapazitätsgrenzen“ sei. Um das trotzdem zu schaffen, müssten weitere Ärzte und Hebammen sowie ein dritter Kreißsaal für eine halbe Million Euro her. 

Umgang mit Mitarbeitern der Abteilung "unerträglich"

Wörtlich heißt es dazu in dem Bericht: „Aufgrund der deutlichen Unterfinanzierung der Geburtshilfe führt allerdings eine Ausweitung auch zu weiteren finanziellen Verlusten, die in den Vorjahren noch durch andere Bereiche aufgefangen werden konnten.“ 

Hier finden Sie alles zur Schieflage des Klinikums Soest

Dr. Michael Thiemeier war 28 Jahre Chefarzt der Soester Kinderklinik und ist Ende 2018 in Rente gegangen. Was er gerade hört und liest, regt ihn maßlos auf: „Das ist die Diffamierung des Lebensanfangs.“ 

Die Diskussion um Kosten verletze den guten Geschmack, es sei „unerträglich“, wie man mit den Mitarbeitern auf der Abteilung umgehe: „Wenn man sie vergraulen will, sagt man ihnen am besten jede Woche: Ihr macht nur Kosten.“

Keine vergleichbaren Töne in Hamm, Lippstadt und Neheim

Dabei, so Thiemeier, sei schon die Ausgangslage falsch: Schaue man, wo das Geld bleibe, das jeder im Lauf seines gesamten Lebens an Beiträgen für die Krankenversicherung zahle, stelle man fest: 50 Prozent der gesamten Summe werden in den letzten sechs Monaten aufgewandt. Die Beträge für die Kinderheilkunde seien dagegen „Peanuts“. 

Die meisten Kinder kommen zum Glück gesund auf die Welt und bleiben es auch. Doch einigen wenigen müsse nun mal dringend geholfen werden. 

Der Soester Kinderarzt ist deshalb so enttäuscht, weil es um Soest herum in Hamm, Lippstadt und Neheim drei weitere Kinderkliniken gibt, allesamt in kirchlicher Trägerschaft. „Noch kein Verwaltungsleiter von denen hat es gewagt, so an die Öffentlichkeit zu gehen.“ Thiemeier spricht von der „Verrohung der Dialog-Kultur.“ 

Keine Angaben zu Kosten und Erlösen einzelner Abteilungen

Nach der Ratssitzung vergangenen Mittwoch hat die Anzeiger-Redaktion das Klinikum gebeten, die Zahlen für die ins Spiel gebrachten besonderen Belastungen der Kinderklinik zu nennen. Doch man müsse „leider mitteilen, dass wir keine Angaben zu Kosten und Erlösen einzelner Abteilungen machen“, heißt es in der schriftlichen Antwort. 

Nur so viel: In der Ratssitzung „wurden zwar Abteilungen, die nur wir in Soest vorhalten, beispielhaft genannt, diese aber waren keineswegs haupt- oder alleinverantwortlich für die wirtschaftliche Entwicklung in 2018“. Man fühle sich unabhängig von wirtschaftlichen Ergebnissen „für die Gesundheitsversorgung der gesamten Soester Bevölkerung verantwortlich“.

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