Scheitert die GOÄ an der Abrechnung der IMRT?

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Fast konnte man glauben, dass die Streitigkeiten zwischen der Landeskrankenhilfe V.Va.G. (LKH) auf der einen Seite und ihren Versicherten sowie den Fachärzten für Strahlentherapie auf der anderen Seite nach dem Beschluss des OLG Celle vom 15.06.2019 (- 8 U 83/19 -) zur Abrechnugn der IMRT nach der GOÄ sich auf eine endgültige Klärung zu bewegten.

Leider scheinen durch weitere Urteile zugunsten der LKH längst geklärte Streitigkeiten wieder offen und offenbaren letztlich, wie die Gerichte mit der Klärung der Abrechnung der IMRT nach der GOÄ überfordert sind.

Dies betrifft zum einen die Diskussion um die Selbständigkeit der Intensitätsmodulierten Strahlentherapie (IMRT) unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 GOÄ.

Immer wieder wird von der LKH dazu vorgetragen, dass es sich letztlich bei der IMRT nur um eine technische Variante der 3D-konformalen Strahlentherapie handelt und es sich daher um eine nicht-selbständige Leistung handele. Dass auch die 3D-konformale Bestrahlung eine technische Variante der einfachen Bestrahlung am Linearbeschleuniger nach den GOÄ-Ziffern 5836 und 5837 ist und diese dennoch unter der Anwendung von Analogziffern (wie der GOÄ-Ziffer 5830 A) abgerechnet wird, verschweigt die LKH in ihrer Argumentation dabei.

Der Hinweis auf die angeblich fehlende gebührenrechtliche Selbständigkeit der IMRT ist auch mit Blick auf die Besonderheiten des Abschnittes O. der GOÄ verfehlt, in welchen die einzelnen GOÄ-Tatbestände keine Zielleistungen sondern technische Verfahren definieren. Die IMRT ist unter die veralteten GOÄ-Tatbestände schlicht nicht zu subsumieren, wobei selbst der BGH darauf hingewiesen hat, dass aufgrund des medizinischen Fortschritts die Selbständigkeit der Leistung nach § 6 Abs. 2 GOÄ unter Beachtung wertender Gesichtspunkte zu erfolgen hat (vgl. BGH, Urteil vom 13.05.2004 – III ZR 344/03 –). Gerade aufgrund des besonderen Aufwandes der IMRT, welcher mit einer einfachen Bestrahlung am Linearbeschleuniger nach den GOÄ-Ziffern 5836 und 5837 nichts zu tun hat, muss zur gebührenrechtlichen Bewertung der Behandlung auch die Möglichkeit einer Analogabrechnung nach § 6 Abs. 2 GOÄ bestehen. Dennoch kommt das LG Kassel in einer aktuellen Entscheidung vom 13.09.2019 (- 5 O 1346/18 -) zu dem schlichten Ergebnis, dass die IMRT von den GOÄ-Ziffern 5836 und 5837 umfasst ist und daher keine selbständige Leistung darstellen kann. Der besondere Aufwand der IMRT könne nach dem LG Kassel keine Analogabrechnung nach § 6 Abs. 2 GOÄ begründen. Dass der BGH dies anders sieht, würdigt die extrem oberflächliche Entscheidung des Gerichts leider ebenso wenig, wie die Frage, ob die Grundsätze der Rechtsprechung des BGH zu § 4 Abs.2a GOÄ zum sog. Zielleistungsprinzip auf die GOÄ-Ziffern des Abschnittes O. der GOÄ übertragbar sein können, wenn die dortigen GOÄ-Ziffern konkrete Behandlungsverfahren beschreiben und keine Behandlungsziele.

Diese Problematik wird von den Gerichten auch überwiegend korrekt erkannt. Statt sich mit den vorgeschlagenen Analogabrechnungen durch die Bundesärztekammer vom 18.02.2011 auseinanderzusetzen kommt es aber leider auch dazu, dass die Gerichte es den gerichtlichen Sachverständigen überlassen, die „angemessene“ Vergütung zu bestimmen. Dies kann im Ergebnis zu einer Analogbildung eines GOÄ-Tatbestandes nach § 6 Abs. 2 GOÄ für den konkreten Einzelfall führen und damit das System der analogen Anwendung des § 6 Abs. 2 GOÄ ad absurdum führt.

So liegt nun eine Entscheidung des LG Landshut vom 04.10.2018 (- 72 O 291/16 -) vor, wonach der Sachverständige errechnet habe, dass ein Honorar von 2600 Punkten pro Fraktion für die IMRT gerechtfertigt wäre. Auf welcher Grundlage diese Bewertung erfolgte, ergibt sich aus der Entscheidung nicht. Es würde aber zu absurden Ergebnissen führen, wenn jedes Gericht durch einen Sachverständigen eine individuelle – letztlich willkürliche – Punktzahl für eine Behandlung nach § 6 Abs. 2 GOÄ bestimmen lässt, womit dann eine regionalisierte Gebührenordnung entstände.

Die Gesamtdiskussion der IMRT zeigt, dass die Anwendung der GOÄ auf moderne Verfahren offenbar zum Scheitern verurteilt ist, wenn die Akteure sich nicht mehr auf eine einheitliche Vergütung im Rahmen der dafür vorgesehenen Gremien wie dem Zentralen Konsultationsausschuss für Gebührenordnungsfragen bei der Bundesärztekammer einigen können und die Klärung den Gerichten überlassen, die damit im Ergebnis überfordert sind. Das auch in anderen Bereichen der Medizin festzustellende Versagen der Selbstverwaltung kann nicht durch die Justiz aufgefangen werden, so dass letztlich nur der Ruf nach dem Gesetzgeber bleibt.

Leidtragende sind immer die Patienten, die letztlich Geiseln der fehlenden Konsensfähigkeit der Leistungserbringer und Kostenträger sind.

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