Die grosse Fusion im Oberland: Wie man aus zwei Spitälern eines machen will

Um weiterhin genug kantonale Leistungsaufträge zu erhalten, wollen die Spitäler Uster und Wetzikon fusionieren. Im Mai 2020 wird abgestimmt, doch der Erfolg ist noch sehr ungewiss.

André Müller
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Das Spital Uster soll mit dem Nachbarkrankenhaus in Wetzikon fusionieren – dem Erfolg stehen aber noch einige Hindernisse im Weg. (Bild: Adrian Baer / NZZ)

Das Spital Uster soll mit dem Nachbarkrankenhaus in Wetzikon fusionieren – dem Erfolg stehen aber noch einige Hindernisse im Weg. (Bild: Adrian Baer / NZZ)

Zwei Krankenhäuser zu fusionieren, ist in der Schweiz ein heikles Unterfangen. Das Bonmot «Jedem Täli sein Spitäli» entstand nicht grundlos. Uster und Wetzikon, beziehungsweise das Zürcher Oberland und das Glatttal, versuchen es dennoch: Am 17. Mai 2020 werden alle 22 beteiligten Gemeinden über den Interkommunalen Vertrag (IKV) abstimmen, quasi die Verfassung der neuen Spitalorganisation. Die beim Spital Uster angeschlossenen Gemeinden befinden zusätzlich über eine Umwandlung ihres Zweckverbands in eine AG für den Fall, dass die Fusion scheitert.

Die Trägerschaften der beiden Spitäler haben im September grünes Licht gegeben, doch der Erfolg an der Urne ist höchst unsicher: Jede einzelne Gemeinde muss Ja sagen, und erste Gegner haben sich schon gefunden. Die Spitäler suchen die Flucht nach vorn und informieren, so früh und umfassend es geht. In einem Mediengespräch haben Jörg Kündig, VR-Präsident der GZO AG Spital Wetzikon, und Reinhard Giger, VR-Präsident des Zweckverbands Spital Uster, die Hintergründe der Pläne genauer erläutert.

Die Macht des Kantons

Die Fusion geschieht nicht aus heiterem Himmel. Die Mindestfallzahlen hätten einen «wichtigen Anstoss» gegeben, sagt FDP-Kantonsrat Kündig. Der Kanton erhöht per 2023 bekanntlich die Hürden für seine Leistungsaufträge: Kleine Spitäler, welche die nötigen Fallzahlen in gewissen Spezialisierungen nicht aufweisen, verlieren ihre Aufträge, was eine Negativspirale auslöst und sie in den Bankrott treiben kann. Die Zürcher Gesundheitsdirektion versicherte den beiden Häusern, dass ihre Fallzahlen künftig addiert werden – sofern sie die jeweiligen Behandlungen künftig an einem Standort bündeln.

Jörg Kündig, VR-Präsident der GZO AG Spital Wetzikon. (Bild: PD)

Jörg Kündig, VR-Präsident der GZO AG Spital Wetzikon. (Bild: PD)

Auch wenn vor allem die Sicherung der Leistungsaufträge eine Fusion dringlich erscheinen liess, soll sie weitere Vorteile bringen. Die Spitäler Uster und Wetzikon liegen bloss acht Kilometer auseinander und konkurrenzieren sich. Künftig wollen sie Synergien nutzen. Giger und Kündig bestätigen frühere Schätzungen, dass sich mit einer Fusion allein bei den derzeitigen Bauprojekten rund 100 Millionen Franken einsparen liessen.

Dass die Spitäler aufs Tempo drücken, liegt auch daran, dass sie beide in nächster Zeit einiges um- und neu bauen wollen. Diese Projekte müssen sie je nach Ausgang der Abstimmung anpassen; je länger sie warten müssen, desto teurer wird das. Zweitens sollen die Mitarbeiter so bald wie möglich Klarheit erhalten, wie es mit ihrem Spital weitergeht. Drittens müssen sie sich bis im Herbst 2021 beim Kanton auf die neuen Leistungsaufträge bewerben.

Die heikle P-Frage

Mit dem IKV wird nun verankert, dass beide Spitäler erhalten bleiben, wobei in Wetzikon vor allem planbare Eingriffe erfolgen sollen, während Uster die Akutversorgung und Notfälle sowie die Rehabilitation übernimmt.

Reinhard Giger, VR-Präsident des Zweckverbands Spital Uster. (Bild: PD)

Reinhard Giger, VR-Präsident des Zweckverbands Spital Uster. (Bild: PD)

Die finanziellen Einzelheiten sorgten für Diskussionsstoff. Die beiden Seiten werden sich je hälftig am Aktienkapital von 40 Millionen Franken beteiligen. Mindestens 80 Prozent der Aktien müssen zudem im Besitz der öffentlichen Hand bleiben, 60 Prozent der Stimmen bei den Aktionärsgemeinden. Diese Werte sind nach Kritik von Gewerkschaften und dem Stadtrat Uster, der 100 Prozent gefordert hatte, nach oben angepasst worden.

Warum nicht 100 Prozent, wo doch die Schaffung von Spital-AG in letzter Zeit oft an der Angst vor Privatisierungen gescheitert ist? Kleinere Gemeinden, sagt Reinhard Giger, hätten sich die Möglichkeit offenlassen wollen, ihren Anteil später einmal zu verkaufen. Durch ein zweifaches Vorkaufsrecht der anderen Aktionäre ist die Chance recht klein, dass Private zum Zug kommen. Viel Gewinn lässt sich mit den Spitalaktien auch nicht machen: Eine Verzinsung ist erst ab einer Eigenkapitalquote von 40 Prozent vorgesehen, sie darf zudem nur einen Prozentpunkt über dem Referenzzinssatz liegen.

Die beiden Spitäler werden selbst keine Kampagne führen. Giger und Kündig hoffen auf ein überparteiliches Komitee, das Politiker von rechts bis möglichst nach links umfasst. Die SP Uster erachtet die Fusion als sinnvoll, würde auf die Umwandlung in eine AG aber am liebsten verzichten. Zwar entscheidet die Bevölkerung, doch wird jede Gemeinde bis im Februar auch eine Stimmempfehlung abgeben – in Uster, Dübendorf und Wetzikon das Parlament, in den kleineren Orten der Gemeinderat.

Erfolg keineswegs sicher

Die Fusion bleibt eine Hochrisiko-Operation. Lehnt nur eine der 22 beteiligten Gemeinden sie ab, ist das ganze Projekt gescheitert. Pointiert gesagt, entscheiden die 1000 Einwohner von Wildberg über die Zukunft der Spitalversorgung von fast 300 000 Personen. Gefahr droht vor allem von zwei Seiten: Einerseits befürchten abgelegene Oberländer Gemeinden – man denke vielleicht an das bergige Fischenthal –, dass ihre Patienten im Notfall einen längeren Weg zum Spital zurücklegen müssen. Hier hoffen die Verantwortlichen, die Bevölkerung mit dem IKV zu beruhigen: Darin steht, dass beide Standorte über eine Notfallaufnahme verfügen werden. Wie gross diese in Wetzikon langfristig sein wird, kann aber erst die Erfahrung der ersten Jahre zeigen.

Zum anderen ist die Umwandlung des Zweckverbands Uster in eine AG – eine Vorbedingung für den Zusammenschluss – sehr umstritten bei der Linken. Erst vor vier Jahren ist eine Rechtsformänderung an der Urne abgelehnt worden. Reinhard Giger sagt, die Ausgangslage und die Sinngebung seien wegen der Fusion diesmal ganz andere. «Wir sind bedeutend besser vorgegangen», so habe man die Diskussion mit den Gegnern von 2015 frühzeitig gesucht.

Die Gewerkschaft VPOD hat sich in der Vernehmlassung und nochmals im Juli dennoch schon sehr kritisch zur «Spitalprivatisierungsfusion», wie sie das Zusammengehen nennt, geäussert. Der VPOD ist grundsätzlich gegen die Umwandlung in eine AG, fordert einen Gesamtarbeitsvertrag und warnt vor Verschlechterungen für das Personal. Ein GAV ist bei den Spitalführungen so zwar kein Thema. Doch Kündig sagt: «Es wird keine fusionsbedingten Entlassungen geben, das ist unser Commitment.» Bei einer jährlichen Fluktuationsrate von 10 bis 20 Prozent der Mitarbeiter sollte es keine Probleme bereiten, deren Zahl langfristig etwas zu senken.

Reinhard Giger betont, dass es sich nicht um eine Fusion gewinnorientierter Firmen handle, «wir müssen nicht innert sechs Monaten Kosten einsparen». Die ersten fünf bis sieben Jahre werde sich das fusionierte Spital sowieso vor allem um die Sicherung der Leistungsaufträge, um die laufenden Bauprojekte und die Entwicklung des operativen Geschäftsmodells kümmern müssen.

Es gibt noch das Tagesgeschäft

«Wir müssen parallel das Geschäft normal weiterführen und die Fusion vorantreiben, das bringt eine Doppelbelastung», sagt Kündig. Derzeit planen beide Spitäler Um- und Erweiterungsbauten: Wetzikon hat bereits begonnen, will die Arbeiten aber nur so weit vorantreiben, dass man noch sinnvoll auf ein Nein im Mai reagieren kann. Uster steckt derweil in zähen Rechtsstreitigkeiten mit Nachbarn fest: Der Gestaltungsplan liegt vor dem Verwaltungsgericht. Die Spitalführung rechnet indes damit, dass die Gegenseite auch das Bundesgericht anruft und zudem die einzelnen Bauprojekte juristisch bekämpft.

Wetzikon-Uster ist nicht die erste Kooperation unter Zürcher Spitälern: Die Zürcher Stadtspitäler Waid und Triemli haben 2018 de facto fusioniert. Das war ohne Abstimmung möglich, weil beides städtische Dienstabteilungen sind. Das kleine Spital Männedorf nähert sich dem grossen Universitätsspital (USZ) an, das sogar ein Aktienpaket des Regionalspitals übernehmen soll. Auch zwischen dem Spital Uster und dem USZ, die heute schon über einen Kooperationsvertrag verfügen, sei ein solches Modell schon einmal angesprochen worden, sagt Giger. Bei Kantonspolitikern hat diese Expansion des USZ aber auch schon für Kritik gesorgt, denn der Kanton wird über diese Käufe indirekt Eigentümer der Regionalspitäler, was die Vergabe der Leistungsaufträge beeinflussen könnte (aber natürlich nicht sollte).