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Kostendruck in Kliniken 61 Prozent der Ärzte haben nicht genug Zeit für Behandlung

Deutschlands Gesundheitssystem gilt als leistungsfähig, doch in den Krankenhäusern gibt es Probleme: Viele Ärzte stehen unter zeitlichem Druck - und immer mehr Mediziner kritisieren die Qualität der Versorgung als schlecht.

Die gute Nachricht vorweg: Deutschlands Gesundheitssystem genießt weiterhin einen guten Ruf - und das nicht nur in Fachkreisen, sondern auch in der breiten Bevölkerung. 77 Prozent der Bürger bezeichnen es als gut oder sogar sehr gut. Das sind zwar etwas weniger als noch im Jahr 2016, allerdings auch deutlich mehr als vor zehn Jahren: 2009 waren nur 64 Prozent zufrieden.

Die Zahlen stammen aus dem "Gesundheitsreport 2019" der MLP Gruppe, einer Finanz- und Vermögensberatung. Erhoben wurden die Umfragedaten vom Institut für Demoskopie Allensbach, befragt wurden mehr als 1200 Bürger sowie etwa 500 Ärzte.

Mediziner, die das System von innen kennen, sind sogar noch zufriedener: 89 Prozent der Ärzte sagen, es sei gut oder sogar sehr gut. Schlecht finden es gerade einmal elf Prozent.

Doch innerhalb der Ärzteschaft gibt es teils erhebliche Nuancen - und diese betreffen vor allen Dingen die Versorgung in Krankenhäusern. Eine deutliche Mehrheit von 61 Prozent der befragten Klinikärzte beklagt, inzwischen bleibe ihnen zu wenig Zeit für die Behandlung von Patienten. Das ist eine deutliche Steigerung, 2016 waren 50 Prozent dieser Meinung gewesen.

Viele berichten auch, dass sie eigentlich notwendige Behandlungen wegen Kostendrucks verschieben (64 Prozent) oder sogar ganz darauf verzichten mussten (48 Prozent). Die große Mehrheit ist inzwischen davon überzeugt, dass bei der Behandlung von Patienten zunehmend wirtschaftliche Aspekte im Vordergrund stehen. Das ist offenbar eine Folge von Umstellungen in der Vergütung der Krankenhäuser, die seit einigen Jahren unter anderem nach Fallpauschalen abrechnen.

Das schlägt sich auch nieder in der Bewertung, die in Krankenhäusern beschäftigte Mediziner der Versorgungsqualität in Kliniken geben. Als "weniger gut" oder "schlecht" bezeichnen sie inzwischen 19 Prozent der Ärzte, ein mehr als doppelt so hoher Anteil wie noch 2016 (neun Prozent). Insgesamt hält eine klare Mehrheit die Lage allerdings für "gut" oder sogar "sehr gut".

Die Umfrage liefert auch Hinweise auf mögliche Gründe für diese Veränderungen: Ein wachsender Anteil der Ärzte meldet teils erhebliche Schwierigkeiten bei der Besetzung freier Stellen. Und: Die überlaufenen Notaufnahmen der Krankenhäuser sind ein Problem. Drei Viertel der befragten Ärzte berichten, dass dort häufig Patienten mit nicht akuten Problemen vorstellig werden - und somit unnötig Kräfte für andere Behandlungen im Krankenhaus binden.

Mit Blick auf ein Reformvorhaben des Gesetzgebers enthält der MLP-Bericht gewissen Sprengstoff: Bundesregierung und Experten sind sich weitgehend einig, die Zahl der Krankenhäuser zu reduzieren und stattdessen Spezialabteilungen vor allem in großen Kliniken zusammenzuziehen. Das soll einerseits Kosten sparen, darüber hinaus steigert es aber auch nachweislich die Qualität der Versorgung, weil vielen kleinen Häusern Technik und Expertise fehlen.

Allerdings steht die Einstellung der meisten Bürger dem diametral entgegen. 55 Prozent wollen nämlich "ein Krankenhaus in jedem größeren Ort". Nur 35 Prozent finden "weniger, aber hervorragend ausgestattete Krankenhäuser" wünschenswert.