Groß-Gerau: Hohe Abfindung für gefeuerten Klinik-Chefarzt

Im Gerichtsgebäudes am Steubenplatz wurde der Fall verhandelt. Archivfoto: Guido Schiek
© Archivfoto: Guido Schiek

Der gefeuerten Chefarzt der Kreisklinik Groß-Gerau erhält nach monatelangen Rechtsstreit eine hohe Abfindung. Beide Parteien einigen sich auf einen Vergleich.

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DARMSTADT. Ende des monatelangen Rechtsstreits um die fristlose Kündigung eines Chefarztes der Kreisklinik Groß-Gerau: Der im Mai wegen Verdachts auf Bestechlichkeit entlassene Mediziner erhält von der Kreisklinik eine Abfindung in Höhe von 357.500 Euro. Das entspreche 13 Monatsgehältern, hieß es am Dienstag am Arbeitsgericht Darmstadt, wo sich beide Seiten nach einstündiger Verhandlung auf einen entsprechenden Vergleich einigten. Da dem einstigen Chefarzt zusätzlich zwei Monatsnachzahlungen zustehen, muss ihm die Klinik insgesamt rund 412.000 Euro überweisen. Beide Konfliktparteien verpflichten sich zudem, sich nicht mehr negativ über die Gegenseite zu äußern.

Vorwürfe der Bestechlichkeit zurückgewiesen

Kreisklinik-Geschäftsführerin Erika Raab hatte im Mai erklärt, gegen den Chefarzt bestehe der Verdacht der Bestechlichkeit. Sie begründete dies mit dem Fund einer größeren Menge von Hüftimplantaten in seinen Klinikräumen. Zudem gebe es fragwürdige Abrechnungen für Operationen, die der Chirurg durchgeführt habe. Der Chefarzt hat die Vorwürfe stets bestritten. Seine Anwälte warfen der Klinikleitung vor, über Monate keine konkreten Vergehen benannt zu haben. Es sei nicht klar, worin die Bestechlichkeit überhaupt bestanden habe. „Ich war schockiert“, sagte der Arzt am Dienstag vor Verhandlungsbeginn gegenüber dieser Zeitung zu der Kündigung. „Es gab keine Anhörung, keine Erklärungen. Ich weiß, dass ich nichts verbrochen habe. Wo ist der Vorwurf? Habe ich etwas gestohlen? Das gesamte Material ist im Krankenhaus. Womit soll ich bestochen worden sein?“ Sein Rechtsanwalt Alladin Naji (Frankfurt) erklärte, das gefundene Material habe seit Monaten in einem Raum gelagert, der von mehreren Klinik-Mitarbeitern genutzt wurde, unter anderem für Schulungen und Empfang von Gästen.

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Gründe der Entlassung nur am Rande

Im Gerichtssaal 7 des Arbeitsgerichts am Darmstädter Steubenplatz ging es am Dienstag nur am Rande um die inhaltlichen Gründe der Entlassung. Zur Eröffnung fasste Richterin Heike Dienstbach den Stand der arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung zusammen. Das Gesamtbild „gestaltet sich etwas kompliziert“, sagte die Juristin. Nach ihren Angaben gab es insgesamt sieben ordentliche und außerordentliche Kündigungen gegen den Chefarzt, ausgesprochen durch die Klinikleitung im Zeitraum vom 10. Mai bis 17. September. Deswegen liefen auch mehrere Verfahren am Arbeitsgericht. Aus inhaltlichen und formalen Gründen wurde die Wirksamkeit der Kündigungen von den Anwälten des Mediziners bestritten. Angesichts der unübersichtlichen Lage sei es „ratsam, eine Lösung zu finden“, erklärte die Richterin. Allerdings hätten beide Seiten bei einem vorangegangenen Gütetermin eine gütliche Einigung abgelehnt. Ob es dafür inzwischen bessere Chancen gebe? Tatsächlich signalisierten die Konfliktparteien diesmal Gesprächsbereitschaft. „Wir haben immer Interesse an einer vernünftigen Lösung“, erklärte der Rechtsvertreter der Kreisklinik, Wulf Albach (Darmstadt).

Arbeitsverhältnis endete am 30. Juni 2019

Es folgten mehrere Verhandlungspausen, in denen beide Seiten im Flur Einigungsmöglichkeiten ausloteten. Albach bot zunächst eine Freistellung des Chefarztes bei voller Bezahlung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 31. März 2020 an. Naji forderte für seinen Mandanten Gehaltszahlungen bis Ende 2020, gebündelt als einmalige Abfindung. Nach mehreren Zwischenschritten stand am Ende die Einigung: Das Arbeitsverhältnis endete am 30. Juni 2019 „in gegenseitigem Einverständnis“. Der Chefarzt – Jahresgehalt 330.000 Euro – erhält eine Abfindung in Höhe von 13 Monatsgehältern, plus Nachzahlung für die Monate Mai und Juni 2019. Beide Seiten verpflichten sich zu Stillschweigen über das Arbeitsverhältnis und die Umstände seiner Beendigung und unterlassen jegliche negativen Äußerungen über die Gegenseite. Bestandteil des Vergleichs ist auch ein Arbeitszeugnis, auf das der Chefarzt einen Anspruch hat. Es müsse „wohlwollend formuliert“ sein, verkündete Richterin Dienstbach, und die Gesamtbewertung „stets zu unserer vollen Zufriedenheit“ enthalten. Die Vorgabe für die Verhaltensbeurteilung lautet: „Jederzeit einwandfrei“.