S 60 KR 158/18

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
60
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 60 KR 158/18
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. 3. Der Streitwert wird auf 1.496,68 EUR festgesetzt. 4.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Kostenübernahme für eine Krankenhausbehandlung, wobei zwischen den Beteiligten nunmehr nur noch streitig ist, inwiefern die einzig eine Mehrfachfragmentur belegenden Röntgenbilder im gerichtlichen Verfahren berücksichtigt werden dürfen.

Die bei der Beklagten versicherte Sandra K. (geb. am xx.xx.1977, im Folgenden: Versicherte) wurde in der Zeit vom 24.02.2017 bis 28.02.2017 im Krankenhaus der Klägerin stationär behandelt. Die Aufnahme erfolgte wegen einer Fraktur des rechten oberen Sprunggelenks, die mit einer offenen Reposition des Außen- und Innenknöchels sowie Osteosynthese des Innenknöchels therapiert wurde.

Am 15.03.2017 stellte die Klägerin für diese Behandlung eine Rechnung in Höhe von 4.816,82 EUR aus auf der Grundlage der DRG I13E (bestimmte Eingriffe am Humerus, Tibia, Fibula und Sprunggelenk mit mäßig komplexen Eingriff oder bei Pseudoarthrose oder Revision einer Endoprothese am Kniegelenk ohne Wechsel oder BNB bestimmter Knochen) und der OPS-Codes 5-794.0n R (Offene Reposition einer Mehrfachfragmentur im Gelenkbereich eines langen Röhrenknochens: Durch Schraube: Tibia = Schienbein distal) und 5-794.2r R (Offene Reposition einer Mehrfachfragmentur im Gelenkbereich eines langen Röhrenknochens: Durch Platte: Fibula = Wadenbein distal) (Bl. 11/12 der Gerichtsakte).

Die Beklagte beglich den Rechnungsbetrag vollständig, beauftragte jedoch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit einer Einzelfallprüfung. Der MDK teilte der Klägerin in einem Schreiben vom 03.04.2017 (Bl. 11 der Verwaltungsakte) mit, dass er eine sekundäre Fehlbelegung und die Prozeduren 5-7940n und 5-794.2r prüfe und bat um Übersendung folgender Unterlagen bis zum 02.06.2017: "ärztliche Dokumentation (inkl. Verlauf, Anordnungen, Med.-Verordnungsblatt, OP-Bericht(e) / Eingriffsprotokoll(e), OPS-Nachweise (inkl. Komplexbehandlung), endgültige(r) Krankenhausentlassungsbericht(e), Laborbericht(e) (u. a. Kumulativbefund), Fieberkurve(n) (u ... a. Vitalparameter), Anamnesebogen / Aufnahmebefund / Einweisung, Pflegeverlaufsdokumentation, (postoperativer) Überwachungsbogen, Anästhesieprotokoll(e), Prämedikationsbogen), ggf. weiterer Unterlagen, die aus Ihrer Sicht für die Begutachtung relevant sein könnten" (Bl. 11/12 der Verwaltungsakte).

Die Klägerin übersandte dem MDK daraufhin die Krankenakte, indes ohne Röntgenbilder. Auf dieser Basis gelangte Dr. med. H. des MDK in seiner Gutachterlichen Stellungnahme vom 16.06.2017 (Bl. 13/17 der Verwaltungsakte) zu der Einschätzung, dass die kodierte Mehrfachfragmentur nicht nachvollziehbar sei und mithin anstatt der OPS 5-794.0n R (Offene Reposition einer Mehrfachfragmentur im Gelenkbereich eines langen Röhrenknochens: Durch Schraube: Tibia distal) OPS 5-793.1 n R (Offene Reposition einer einfachen Fraktur im Gelenkbereich eines langen Röhrenknochens: Durch Schraube: Tibia distal) sowie OPS 5-794.2r R (Offene Reposition einer Mehrfachfragmentur im Gelenkbereich eines langen Röhrenknochens: Durch Platte: Fibula distal) OPS 5-793.3r R (Offene Reposition einer einfachen Fraktur im Gelenkbereich eines langen Röhrenknochens: Durch Platte: Fibula distal) anzusetzen sei. Die Änderung der beiden OPS-Codes wirkt sich dahingehend auf die zu kodierende DRG aus, dass nur noch die mindervergütete DRG I13G (bestimmte Eingriffe am Humerus, Tibia, Fibula und Sprunggelenk ohne mäßig komplexen Eingriff, ohne komplexe Diagnose, ohne Revision einer Endoprothese am Kniegelenk, ohne bestimmte offene Reposition, ohne Implantation von alloplastischem Knochenersatz) in Betracht kommt. Darüber war die Überschreitung bzw. das Erreichen der unteren Grenzverweildauer nicht medizinisch begründet und hätte um einen Tag abgekürzt werden können. Die Klägerin hätte hiernach nur 3.933,83 EUR und damit 1.496,68 EUR weniger in Rechnung stellen dürfen.

Am 04.07.2017 widersprach die Klägerin dieser Einschätzung und übersandte Röntgenbilder, aus denen – dies ist zwischen den Beteiligten mittlerweile unstreitig – eine Mehrfachfragmentur im Bereich der distalen Fibula sowie an der distalen Tibia hervorgeht.

In seinem Widerspruchsgutachten vom 08.09.2017 (Bl. 22/27 der Verwaltungsakte) betont Dr. med. H., dass sich dem Entlassbericht und dem ausführlichen Text des OP-Berichtes lediglich eine bimalleoläre OSG-Faktur, nicht indes die kodierte Mehrfachfragmentur entnehmen lasse. Eine Mehrfachfragmentur der distalen Tibia und der distalen Fibula sei indes den übersandten Röntgenbildern zu entnehmen, die nach § 9 Vereinbarung zwischen dem GKV-Spitzenverband und der Deutschen Krankenhausgesellschaft über das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Absatz 1c SGB V (PrüfvV) nicht mehr zur nachträglichen Anerkennung des von der Klägerin verschlüsselten OPS-Codes führen dürften. Weiter sei von einer sekundären Fehlbelegung auszugehen, da die Versicherte bei zunehmender Beschwerdefreiheit, Mobilisation mit Hilfsmittel und unauffälligem Lokalbefund bereits am 27.02.2017 hätte entlassen werden können.

Die Beklagte rechnete den streitigen Betrag in Höhe von 1.496,68 EUR mit weiteren unstreitigen Vergütungsforderungen der Klägerin auf, den die Klägerin mit ihrer Klage vom 13.02.2018 geltend macht. Die Abrechnung der Klägerin sei vollumfänglich korrekt gewesen. Die Klägerin sei nicht nach § 9 PrüfvV mit der Vorlegung von Unterlagen ausgeschlossen. Die PrüfvV dürfe nicht geltendes Bundesrecht, insbesondere nicht den Amtsermittlungsgrundsatz nach § 103 SGG abändern oder außer Kraft setzen. Die PrüfvV stelle lediglich eine vertragliche Vereinbarung der Dachorganisationen der Beteiligten dar, die nur diese binde und nur für das MDK-Verfahren, nicht indes für das anschließende gerichtliche Verfahren gelte und verweist insoweit auf das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 31.03.2017 – S 24 KR 230/16 –. Weiter seien die Vertragsparteien nach der gesetzlichen Grundlage nur zur Regelung des "Näheren zum Prüfverfahren" berechtigt; die Normierung materieller Einwendungs- und Ausschlussfristen in Abweichung von den gesetzlichen Verjährungsfristen überschreite die gesetzliche Ermächtigungsnorm nach § 17c Absatz 2 Krankenhausgesetz (KHG), was bereits das SG Kassel, Urt. v. 25.11.2016 – S 12 KR 512/15 –, juris, das SG Duisburg, Urt. v. 20.10.2017 – S 9 KR 865/17 – und SG Gießen, Urt. v. 10.11.2017 – S 7 KR 70/16 – entschieden habe. Soweit die Beklagte meint, die Versicherte hätte einen Tag früher entlassen werden können, so hätte eine sekundäre Fehlbelegung von einem Tag keine Erlösrelevanz und kann insofern dahinstehen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.496,68 EUR nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.08.2017 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie meint, dass die Klägerin nach § 7 Absatz 2 Satz 6 PrüfvV nur Anspruch auf den unstrittigen Betrag habe. Denn die für die Beurteilung entscheidenden Röntgenbilder lagen dem MDK erst nach Ablauf der in § 7 Absatz 2 Satz 5 PrüfvV geregelten Acht-Wochen-Frist vor und verwies auf die Urteile des Sozialgerichts Köln vom 04.05.2016 – S 23 KN 108/15 R – und Hildesheim vom 27.07.2017 – S 40 KR 445/15 –, nach denen § 7 Asbsatz 2 Satz 6 PrüfvV eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist darstelle.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogene Patientenakte betreffend den hier streitigen stationären Behandlungsfall verwiesen. Der Inhalt dieser Akten war Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

A. Die Klage ist als (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG zulässig. Bei einer auf Zahlung der Vergütung für die Behandlung von Versicherten gerichteten Klage eines Krankenhausträgers gegen eine Krankenkasse geht es um einen so genannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt (vgl. BSG, Urt. v. 17.12.2013 – B 1 KR 70/12 R –, juris, Rn. 8 m. w. N.; BSG, Urt. v. 14.10.2014 – B 1 KR 33/13 R –, BSGE 117, 94-117, SozR 4-2500 § 137 Nr. 5, Rn. 9). Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten.

B. Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen weiteren Vergütungsanspruch in Höhe von 1.496,68 EUR für die stationäre Krankenhausbehandlung der Versicherten Sandra K. vom 24.02. bis 28.02.2017.

I. Rechtsgrundlage für den Vergütungsanspruch eines zugelassenen Krankenhauses gegenüber einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG, der sich die Kammer anschließt, § 109 Abs. 4 Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) i.V.m. der Pflegesatzvereinbarung der Beteiligten. Der Behandlungspflicht des zugelassenen Krankenhauses nach § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, der nach Maßgabe des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG), des Krankenhausentgeltgesetzes und der Bundespflegesatzverordnung festgelegt wird (vgl. etwa BSG, Urt. v. 25.11.2010 – B 3 KR 4/10 R –, juris, Rn. 9 f.; BSG, Urt. v. 29.04.2010 – B 3 KR 11/09 R –, juris, Rn. 7; BSG, Urt. v. 16.12.2008 – B 1 KN 1/07 KR R –, juris, Rn. 10).

Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch einen Versicherten. Da der Zahlungsanspruch des zugelassenen Krankenhauses jedoch in aller Regel mit dem Naturalleistungsanspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung (§ 39 SGB V) korrespondiert, müssen beim Versicherten bei der Aufnahme in das Krankenhaus grundsätzlich die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung sowie Krankenhauspflegebedürftigkeit vorliegen (Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen (NRW), Urt. v. 28.02.2013 – L 5 KR 702/11 –, juris).

Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Der Leistungsumfang umfasst gemäß §§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5, 39 SGB V auch Krankenhausbehandlung, die vollstationär, teilstationär, vor- und nachstationär sowie ambulant erbracht wird. Der Sachleistungsanspruch des Versicherten umfasst vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus (§ 108 SGB V), wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann (§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V).

1. Der (dem Grunde und der Höhe nach unstreitige) Vergütungsanspruch der Klägerin aus der Behandlung eines anderen oder mehrerer anderer Versicherter (Hauptforderung) ist jedoch durch Aufrechnung mit einem der Beklagten zustehenden Erstattungsanspruch wegen zu viel gezahlter Vergütung für die Behandlung der Versicherten Sandra K. (Gegenforderung) i.H.v. 1.496,68 EUR erloschen. Denn der Beklagten steht insoweit als Grundlage für ihre Gegenforderung ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu, denn die Vergütung der von der Klägerin durchgeführten Behandlung der Versicherten Sandra K. erfolgte insoweit ohne Rechtsgrund, da die Klägerin für ihre Behandlung vom 24.02. bis 28.02.2017 einen Vergütungsanspruch gegen die Beklagte nur in Höhe des unstrittigen Betrages hatte.

a) Die Beklagte ist mit Einwendungen gegen die Abrechnung und damit gegen die Höhe des Vergütungsanspruches nicht ausgeschlossen, da sie das Prüfverfahren – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist – am 30.03.2017 innerhalb der Frist nach § 275 Absatz 1c Satz 2 SGB V von sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der Krankenkasse am 16.03.2017 eingeleitet hat. Der MDK hat der Klägerin mit Schreiben vom 03.04.2017 unter Wahrung der Erfordernisse und der notwendigen Angaben nach § 4 PrüfvV dem Krankenhaus die Prüfung ordnungsgemäß angezeigt.

b) Die für stationäre Behandlungen ab dem 01.01.2017 geltende PrüfvV findet vorliegend Anwendung, da diese ausweislich ihres § 2 Absatz 1 Satz 1 PrüfvV anders als ihre Vorgängerversion nicht mehr zwischen der sachlich-rechnerischen Prüfung der Richtigkeit der Krankenhausabrechnung, die einem eigenen Prüfregime unterlag, nicht von § 275 Absatz 1c SGB V erfasst ist und auf die die PrüfvV 2015 keine Anwendung fand (BSG 23.05.2017 – B 1 KR 24/16 R –, SozR 4-2500 § 301 Nr. 8 m. w. N) und der Auffälligkeitsprüfung nach § 275 Absatz 1 Nr. 1 i.V.m mit Absatz 1c SGB V unterscheidet, auf die die PrüfvV anzuwenden war.

c) Die Klägerin hat nach § 7 Absatz 2 Satz 6 PrüfvV 2016 nur Anspruch auf den unstrittigen Rechnungsbetrag, da sie dem MDK die von diesem fristgerecht angeforderten Unterlagen ihrerseits nicht innerhalb der Frist des § 7 Abs 2 Satz 4 bis 5 PrüfvV 2016 vollständig übermittelt hat.

Zwar hat vorliegend der MDK nicht explizit die im Zuge der Behandlung der Versicherten Sandra K. erstellten Röntgenbilder angefordert. Er hat indes "OPS-Nachweise (inkl. Komplexnachweise)" sowie "weitere Unterlagen" angefordert, die aus Sicht der Klägerin "für die Behandlung relevant sein können" (Bl. 11/12 der Verwaltungsakte). Da sich – was zwischen den Beteiligten nunmehr unstreitig ist – die Mehrfachfraktur der Tibia und der Fibula weder aus dem Entlassbericht einschließlich der befundeten Röntgenaufnahmen noch aus dem OP-Bericht, sondern nur aus den erst im September 2017 übersandten Röntgenaufnahmen ergibt und diese für die OPS-Codierung (OPS-Nachweis!) relevant war, ist die Klägerin mit der Vorlage dieser die Mehrfachfraktur unstreitig belegenden Röntgenaufnahmen sowohl im MDK-Prüfverfahren als auch im gerichtlichen Verfahren zur Überzeugung der Kammer ausgeschlossen.

aa) Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 7 Absatz 2 Satz 6 PrüfvV 2016, der im Falle eines nicht fristgerechten Zugangs der Unterlagen den Anspruch des Krankenhauses auf den unstrittigen Rechnungsbetrag reduziert und damit einen umfassenden Ausschluss des materiell-rechtlichen Anspruches auch für das gerichtliche Verfahren annimmt. Nach § 9 Satz 1 PrüfvV 2016 in seiner neugefassten Fassung darf ein Nachverfahren nur "auf Basis der bis zum Ende der MDK-Begutachtung übermittelten Daten und Unterlagen" geführt werden.

bb) Die Kammer kann sich in systematischer Hinsicht nicht den Klägervertretern anschließen, nach der die PrüfvV nur die Selbstverwaltungsparteien bindet und nur für das MDK-Verfahren gilt. Zwar bestimmt § 2 Absatz 2 PrüfvV, dass die Inhalte dieser Vereinbarung für die Krankenkassen, den MDK und die zugelassenen Krankenhäuser unmittelbar verbindlich sind. Dies impliziert indes geradezu eine mittelbare Wirkung für das gerichtliche Verfahren und über das MDK-Verfahren hinaus, die wie noch auszuführen sein wird dem in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers entsprach.

Unschädlich ist es auch – anders als die Klägervertreter meinen und auch das SG Duisburg, Urt. v. 20.10.2017 – S 9 KR 865/17 – argumentiert (vgl. auch SG Gießen, Urt. v. 10.11.2017 – S 7 KR 70/16 –; SG Detmold, Urt. v. 31.03.2017 – S 24 KR 230/16 –) –, dass die PrüfvV 2016 die Frist des § 7 Absatz 2 Satz 4 PrüfvV nicht als "Ausschlussfrist" bezeichnet. Zwar benannte die PrüfvV 2015 bestimmte Fristen z. B. in § 6 Absatz 2 Satz 3 PrüfvV 2015 und § 8 Satz 4 PrüfvV 2015 ausdrücklich als Ausschlussfristen. Es war indes bereits auf Basis der früheren Fassung der PrüfvV höchst fraglich, ob sich daraus ein Umkehrschluss für andere Fristen der PrüfvV ableiten ließ (negierend SG Hildesheim, Urt. v. 27.07.2017 – S 40 KR 445/15 –). Denn ganz überwiegend werden gesetzliche Ausschlussfristen nicht als solche bezeichnet (SG Hildesheim, Urt. v. 27.07.2017 – S 40 KR 445/15 –). Mit der Neufassung der PrüfvV 2016 haben die Selbstverwaltungsparteien ausdrücklich verzichtet, bestimmte Fristen als Ausschlussfristen zu benennen. Viel spricht dafür, dass dies in Kenntnis der Argumentation der Rechtsprechung erfolgte und die Selbstverwaltungsparteien einem entsprechenden Umkehrschluss keinen Vorschub leisten wollten.

Weiter wurde durch die neugefasste PrüfvV die Frist zur Vorlage der Unterlagen von ursprünglich vier auf acht Wochen verlängert. Ein entscheidendes Argument der die Ausschlussfrist negierenden Kammer (z. B. SG Duisburg, Urt. v. 20.10.2017 – S 9 KR 865/17 –), dass ein Anspruchsausschluss vor dem Hintergrund der sehr kurzen Frist unbillig sei, hat damit wesentlich an Überzeugungskraft verloren.

Darüber hinaus handelt es sich zur Überzeugung der Kammer auch nicht um eine materiellrechtliche Ausschlussfrist im klassischen Sinne, sondern die Wirkung, die fehlende Berücksichtigungsfähigkeit der Unterlagen im weiteren Verwaltungs- und gerichtlichen Verfahren, entspricht nur einer materiellrechtlichen Ausschlusswirkung. Denn eine Fristversäumnis führt vorliegend nur dann zum Ausschluss der kompletten Vergütungsforderung, wenn die Krankenkasse der Meinung ist, dass dem Krankenhaus gar kein Anspruch auf Vergütung zusteht. Die Wirkung einer Versäumung der Frist des § 7 Abs 2 Satz 3 PrüfvV ist in § 7 Abs 2 Satz 4 PrüfvV jedoch ausdrücklich bestimmt. Danach steht dem Krankenhaus bei einer nicht fristgerechten Vorlage der angeforderten Unterlagen nur ein Anspruch auf den unstrittigen Betrag zu (LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 17.04.2018 – L 11 KR 936/17 –, Rn. 53, juris; SG Köln 04.05.2016, S 23 KN 108/15 KR; SG Reutlingen 14.03.2018, S 1 KR 2084/17).

cc) Entscheidend für die Auslegung des § 7 Absatz 2 Satz 6 PrüfvV 2016 als Ausschlussfrist ist zur Überzeugung der Kammer der in der Gesetzesbegründung kommende gesetzgeberische Wille, den Parteien eine stärkere Eigenverantwortung bei ihren Modalitäten der Konfliktlösung einzuräumen und so gerichtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden und Bürokratie abzubauen (BT-Drs. 17/13947, S. 38; SG Köln, Urt. v. 04.05.2016 – S 23 KN 108/15 KR –, Rn. 38). Dies kommt zum einem dadurch zum Ausdruck, dass in der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage des § 17c Absatz 2 Krankenhausgesetz (KHG) die Regelungsinhalte "nicht abschließend" benannt sind (Hervorhebungen durch die Verf.; BT-Drs. 17/13947, S. 37; SG Hildesheim, Urt. v. 27.07.2017 – S 40 KR 445/15 –) und Vereinbarungen durch die Selbstverwaltungsparteien "insbesondere" zu den ebenda geregelten Sachverhalten zu treffen sind. Der Gesetzgeber ermächtigt die Selbstverwaltungsparteien in § 17c Absatz 2 Satz 1 2. Hs. KHG gar zu einer Abweichung von den Regelungen des SGB V. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber den Beteiligten, die sich auf Gleichordnungsebene gegenüberstehen einen großen Spielraum in der eigenverantwortlichen Regelung ihrer Belange einräumt. Ausweislich des Gesetzeszweckes sollen die Beteiligten durch die PrüfvV möglichst früh Klarheit über die gegenseitigen Ansprüche erhalten und Streitigkeiten möglichst einer frühzeitigen und endgültigen Klärung zugeführt werden. Diese Beschleunigungsmaxime würde konterkariert, wenn der Klägerin – nachdem sie die vollständige Zusendung der Unterlagen beim MDK versäumt hat – das gerichtliche Verfahren offen stünde, um dieses Versäumnis nachzuholen.

dd) Eine solche Auslegung der Vorschrift überschreitet – entgegen der Ansicht der Klägervertreter – weder die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage noch schränkt sie untergesetzlich die gerichtliche Amtsermittlung nach § 103 SGG unzulässig ein.

(1) Die Regelung des § 7 Abs 2 Satz 5 und Satz 6 PrüfvV 2016 sind von der Ermächtigungsgrundlage des § 17c Abs 2 KHG gedeckt. Danach regeln der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs 1c SGB V; in der Vereinbarung sind abweichende Regelungen zu § 275 Abs 1c Satz 2 SGB V möglich. Dabei haben sie insbesondere Regelungen über den Zeitpunkt der Übermittlung zahlungsbegründender Unterlagen an die Krankenkassen, über das Verfahren zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Abrechnung im Vorfeld einer Beauftragung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung, über den Zeitpunkt der Beauftragung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung, über die Prüfungsdauer, über den Prüfungsort und über die Abwicklung von Rückforderungen zu treffen; die §§ 275 bis 283 SGB V bleiben im Übrigen unberührt. Bereits der Wortlaut der Regelung des § 17c Abs 2 KHG legt nahe, dass den Vertragsparteien ein gewisser Spielraum eingeräumt worden ist, welche Inhalte sie für regelungsbedürftig und -relevant halten, indem das "Nähere zum Prüfverfahren nach § 275c SGB V" geregelt werden kann. Die Gesetzesbegründung weist – wie bereits oben ausgeführt – diesbezüglich darauf hin, dass die Benennung der zu vereinbarenden Regelungsinhalte in § 17c Abs 2 KHG nicht abschließend sei (BT-Drs 17/13947, S 38). Außerdem nennt die Gesetzbegründung auch beispielhaft die Abwicklung von Rückforderungen und die Zulässigkeit von Aufrechnungen mit offenen Forderungen (BT-Drs 17/13947, S 38), weshalb auch die Voraussetzungen dieser Sachverhalte einer Regelung in der PrüfvV zugänglich sind. Den Vertragsparteien ist damit ein Spielraum eingeräumt, die Modalitäten für die Abrechnungsprüfungen festzulegen. Dazu können Regelungen zur Prüfungsdauer und zu Fristen für die Einreichung von Unterlagen gehören; es liegt im Interesse beider Beteiligten, in absehbarer Zeit Klarheit zu erhalten und eine zügige endgültige Abrechnung zu gewährleisten. Um die Einhaltung von Fristen durch die Vertragsparteien sicher zu stellen, können auch Folgen bei Vorliegen von Fristversäumnis vereinbart werden (SG Köln, Urt. v. 04.05.2016 – S 23 KN 108/15 KR –, Rn. 39; LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 17.04.2018 – L 11 KR 936/17 –, Rn. 54, juris)

(2) Auch eine unzulässige Einschränkung des Amtsermittlungsgrundsatzes nach § 103 SGG durch die untergesetzlichen Vereinbarungen der Selbstverwaltungspartner ist zur Überzeugung der Kammer nicht gegeben. Zunächst ist zu bemerken, dass Vergütungsstreitigkeiten im Gleichordnungsverhältnis ausgetragen werden und der Gesetzgeber ausweislich der gesetzlichen Grundlage, die die Selbstverwaltungspartner gar zum Abweichen vom formellen Parlamentsgesetz ermächtigt, eine hohe Autonomie an der eigenverantwortlichen Regelung ihrer Streitigkeiten zuerkennt und insbesondere die Beschleunigungsmaxime und – ausweislich der Gesetzesbegründung – die Vermeidung gerichtlicher Streitigkeiten akzentuiert. Auch dem sozialgerichtlichen Verfahren ist eine Verfahrensbeschleunigung wie z. B. in § 106a SGG nicht fremd. Die von den Vertragsparteien und auch vom Gesetzgeber beabsichtigte Beschleunigung des Verfahrens würde konterkariert, wenn diesen die Möglichkeit eröffnet würde, nach nicht fristgerechter Vorlage der Unterlagen im Verwaltungsverfahren, die Vergütungsforderung durch Vorlage ausgeschlossenen Unterlagen im Gerichtsverfahren zu plausibilisieren. Dies würde die Beschleunigungsmaxime ad absurdum führen.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Absatz 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Absatz 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

III. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 197a Absatz 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 63, § 52 Absatz 1, 3 Gerichtskostengesetz (GKG). Mit der Klage hat die Klägerin einen Zahlungsanspruch i.H.v. 1.496,68 EUR geltend gemacht; Zinsen sind als Nebenforderung nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen (§ 43 Absatz 1 GKG).
Rechtskraft
Aus
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