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Versorgungsengpässe Bremer Kliniken müssen Betten sperren

Auch in Kliniken in Bremen und Niedersachsen führen die neuen Personalvorgaben für die Pflege zu Einschränkungen in der Versorgung. Grund ist der Pflegekräftemangel.
20.10.2019, 22:12 Uhr
Lesedauer: 3 Min
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Von Sabine Doll und den Regionalredaktionen

Verschobene Operationen, von der Notfallversorgung abgemeldete Abteilungen, gesperrte Klinikbetten: Die gesetzlichen Vorgaben zur Personalausstattung sorgen auch in Krankenhäusern in Bremen und Niedersachsen für Versorgungsengpässe. Anfang 2019 hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die sogenannten Pflegepersonaluntergrenzen für Intensivstationen, die Kardiologie, Unfallchirurgie und Geriatrie erlassen.

Eigentlich sollte das Gesetz die Versorgungsqualität in Bereichen, in denen Patienten besonders viel Pflege benötigen, erhöhen. Für die Kliniken habe sich die Situation aber eher verschlechtert statt verbessert, sagt der stellvertretende Geschäftsführer der Bremer Krankenhausgesellschaft (HBKG), Heiko Ackermann. „Um die Untergrenzen einhalten zu können, müssen Kliniken sehr häufig die Versorgung in anderen Bereichen einschränken. Der Grund dafür ist, dass einfach nicht genug Pflegekräfte da sind.“

Geno sperrt zurzeit 40 Betten

In den vier Häusern des Bremer Klinikverbunds Gesundheit Nord (Geno) sind laut Sprecherin Karen Matiszick derzeit rund 40 Betten wegen der Personaluntergrenzen gesperrt. „Wenn wir feststellen, dass wir in einer Schicht auf einen Personalengpass zusteuern, sperren wir Betten – wir nehmen also auf der Station keine Patienten mehr auf, selbst wenn eigentlich noch Betten frei wären. Notfälle werden natürlich versorgt, aber es kommt vor, dass geplante Eingriffe verschoben werden.“ Vor allem in den pflegeintensiven Bereichen wie Intensivstationen sei der Fachkräftemangel besonders groß, so die Sprecherin. Die vier freien Kliniken in Bremen – das RKK, Diako, St.-Joseph-Stift und die Roland-Klinik – melden ebenfalls „hin und wieder“ Bettensperrungen, vor allem bei größeren Krankheitsausfällen oder vorübergehend vakanten Stellen. Die Idee hinter dem Gesetz sei gut, es „wirkt vor dem Hintergrund des bundesweit erheblichen Pflegepersonalmangels allerdings insgesamt unabgestimmt“, kritisiert der Sprecher der Kliniken, Walter Klingelhöfer.

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Die Folgen treffen Krankenhäuser bundesweit: Mehr als jede dritte Klinik (37 Prozent) musste nach einer Untersuchung des Deutschen Krankenhaus-Instituts seit Januar Betten auf Intensivstationen stilllegen. Die Zahlen seien ein alarmierendes Zeichen. Wenn nun weitere Untergrenzen dazu kämen, könne dies „nicht mehr steuerbare Auswirkungen“ auf die Versorgung haben, warnt der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß. Ab 2020 sollen Untergrenzen für die Herzchirurgie, Neurologie, die neurologische Früh-Rehabilitation und Spezialstationen mit Schlaganfalleinheiten eingeführt werden.

Kaum Personal vorhanden

Eine Auswertung der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft (NKG) für das erste Quartal 2019 zeigt, dass die aktuellen Untergrenzen in den Kliniken des Landes zu fast 92 Prozent eingehalten werden – aber nur unter Einschränkung der Versorgung: 34 Prozent der Krankenhäuser mussten demnach Betten auf Intensivstationen sperren. Im Schnitt seien pro Klinik vier Stellen auf Intensivstationen und neun Stellen auf allgemeinen Stationen in der Pflege unbesetzt. „Die Krankenhäuser würden gern mehr Personal einsetzen. Dieses ist jedoch auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr zu bekommen“, sagt der NKG-Vorsitzende Hans-Heinrich Aldag.

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Sollte es aufgrund von Krankheit zu Engpässen kommen, werde die Bettenkapazität angepasst, um alle Patienten adäquat versorgen zu können, sagt die Leiterin der Klinik Lilienthal, Bianca Trenz. Die Untergrenzen würden eingehalten. Die Aller-Weser-Klinik mit Standorten im Landkreis Verden und in Achim musste laut Geschäftsführerin Marianne Baehr bislang weder Betten noch Stationen sperren. „Wenn es eng wird, setzen wir Leiharbeitskräfte ein.“ Aber auch die Kliniken im Bremer Umland blicken kritisch auf die Ausweitung: Schon der aktuelle Zustand führe zu einer Verdrängung von Patienten, sagt Klaus Vagt, Klinikleiter am Kreiskrankenhaus in Osterholz. Angesichts des Pflegekräftemangels sei hier der zweite Schritt vor dem ersten gemacht worden, kritisiert Florian Friedel, Geschäftsführer am Josef-Hospital Delmenhorst. Es müsse damit gerechnet werden, „dass die anstehende Ausweitung der Untergrenzen notgedrungen zu Einschränkungen in der Versorgung führen wird“.

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