Kommentar

Nicht mehr jedem Täli sein Spitäli

Die St. Galler Regierung will zurecht defizitäre Spitäler in kleinere Notfallkliniken umbauen. Allerdings ist ihr dabei ein Schnitzer unterlaufen, der das ganze Projekt gefährden könnte.

Christof Forster, Bern
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Der Kanton St. Gallen pflügt seine Spitallandschaft um. Fünf Regionalspitäler in der Provinz sollen in der heutigen Form nicht weiterbetrieben werden. Neben dem Kantonsspital in St. Gallen bleiben drei über den Kanton verteilte Spitäler bestehen. Die Regierung will Kosten sparen.

Etliche St. Galler mögen jetzt ein Déjà-vu haben. Bereits Anfang der Nuller-Jahre haben drei der jetzt betroffenen fünf Regionalspitäler eine mögliche Schliessung angekündigt. Die Zeche zahlte wenige Monate später der Gesundheitsdirektor: er wurde abgewählt. Zumindest dies kann der derzeitigen Verantwortlichen für die Spitäler nicht passieren: Heide Hanselmann tritt bei den nächsten Wahlen nicht mehr an.

Die neue Spitalfinanzierung ist einer der Treiber der Konzentration. Das System der Fallpauschalen führt dazu, dass Spitäler mit vielen Patienten einen Wettbewerbsvorteil haben. Sie können effizienter arbeiten. Betriebe mit kleinem Einzugsgebiet geraten hingegen unter Druck.

In der Schweiz gibt es zu viele Spitäler und zu viele Spitalbetten. (Bild: Selina Haberland / NZZ)

In der Schweiz gibt es zu viele Spitäler und zu viele Spitalbetten. (Bild: Selina Haberland / NZZ)

Auf einer allgemein-abstrakten Ebene können grosse Teile der Bevölkerung nachvollziehen, dass die Schweiz zu viele Spitäler und Spitalbetten hat. Dies zeigen Umfragen. Wenn es dann aber um das eigene Spital geht, gelten andere Regeln. Auf die eigene medizinische Rundumversorgung in nächster Nähe will man dann doch nicht verzichten. Auch weil sie gerade in Randregionen wichtige Arbeitgeber sind.

Einen vielversprechenden Ausweg aus dieser Sackgasse versucht nun St. Gallen. Die Regionalspitäler werden nicht einfach ersatzlos geschlossen, sondern umgebaut in ein Notfall- und Gesundheitszentrum. Die Versorgung durch die Rettungsdienste bleibe unverändert, verspricht die Regierung: Die Rettungsdienste müssen in 90 Prozent der Fälle innert 15 Minuten beim Patienten eintreffen. Gewisse spezialisierte Angebote wie etwa Chemotherapie oder gastroenterologische Untersuchungen wird es abgestimmt auf die Region weiterhin geben. Auch der Einbezug von Alternativmedizin sowie Ergo- und Physiotherapie ist möglich. Damit soll eine breite medizinische Grundversorgung sichergestellt werden. Für die grösseren Eingriffe müssen die Patienten indes in eines der vier verbleibenden Spitäler. Dies erscheint zumutbar – und auch im Interesse der Bevölkerung. Wer bevorzugt nicht eine Klinik, deren Ärzte schwierige Operationen regelmässig und routiniert durchführen? Für bessere Qualität von komplexen Eingriffen dürften die Leute bereit sein, in ein Spital ausserhalb der Region zu fahren.

Ob dieses Verständnis auch für Geburten vorhanden ist, bleibt hingegen fraglich. Dabei handelt es sich um ein hochemotionales Thema, das die Leute umtreibt. Man möchte Familie und Freunde in der Nähe haben für Besuche und Unterstützung, selbst wenn ein solches Ereignis im Leben einer Frau im Schnitt vergleichsweise selten ist. In der Sache ist es allerdings verständlich, dass Geburten, die immer auch zu schwierigen Notfällen führen können, nur noch an den verbleibenden vier Standorten möglich sind. Von den betroffenen Spitälern bietet lediglich Walenstadt noch Geburtshilfe an.

Die Sache unnötig schwierig gemacht hat sich der Regierungsrat selber, indem er zunächst die vollständige Schliessung der fünf Regionalspitäler angekündigt hatte und nun zurückbuchstabiert. Aufgrund dieses ungeschickten Vorgehens besteht die Gefahr, dass die Stimmbevölkerung den Politikern nicht mehr glaubt und die geplanten Notfallkliniken bloss als Zwischenschritt zur definitiven Schliessung betrachtet.