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Kliniken suchen im Ausland nach Personal Bremer Kreißsäle am Limit

Der Hebammenmangel setzt die Bremer Kliniken zunehmend unter Druck. Das St.-Joseph-Stift musste bereits den Kreißsaal zeitweise schließen. Alle Häuser mit Geburtshilfe suchen im Ausland nach Personal.
28.10.2019, 05:45 Uhr
Lesedauer: 4 Min
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Von Sabine Doll und Christian Weth

Der Hebammenmangel in den Kreißsälen spitzt sich zu: Alle vier Kliniken in Bremen mit einer Geburtshilfestation – Links der Weser (LDW), Bremen-Nord, Diako und St.-Joseph-Stift – müssen ihre Suche nach Geburtshelferinnen auf das Ausland ausweiten. Grund ist der bundesweite Mangel an Hebammen. „Weil freie Stellen teilweise monatelang nicht besetzt werden können, müssen Schichtbesetzungen heruntergefahren und immer wieder Hebammen aus den freien Tagen zurückgeholt werden“, beschreibt die Vorsitzende des Hebammenlandesverbands, Heike Schiffling, die Folgen. Rund 15 Stellen seien in den Kliniken des Landes vakant. „Jede Krankmeldung, und erst recht eine Erkältungs- oder Grippewelle kann einen Kreißsaal angesichts dieser Zustände lahmlegen.“

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St-Joseph-Stift musste Kreißsaal schließen

So wie im St.-Joseph-Stift vor etwas mehr als einer Woche: Von Freitagmittag bis Montagmorgen musste der Kreißsaal wegen krankheitsbedingter Ausfälle vom Netz genommen werden. Nicht zum ersten Mal. Weil eine Schicht nicht mit ausreichender Besetzung gefahren werden konnte, sei der Kreißsaal auch schon im Nachtbetrieb von der regulären Versorgung abgemeldet worden, sagt Geschäftsführer Torsten Jarchow. „Mit 19 Stellen halten wir eine ausreichende Versorgung für etwa 2000 Geburten im Jahr vor, sechs Stellen sind aber nicht besetzt. Wir arbeiten ständig an dem Thema, nur auf dem heimischen Arbeitsmarkt finden wir niemanden.“

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Im April hat das St.-Joseph-Stift vier Hebammen aus Italien eingestellt. Nach einer Einarbeitungsphase und der Berufsanerkennung sollen sie nun in den Echtbetrieb wechseln. Im Frühjahr sollen zwei weitere italienische Hebammen dazukommen. Jarchow fordert, die Ausbildungsplätze für Hebammen in Bremen „deutlich aufzustocken“. Im nächsten Jahr startet der neue Hebammenstudiengang an der Hochschule mit 20 Plätzen im Jahr. „Es gibt aber keine Garantie, dass der Nachwuchs auch in Bremen bleibt. Und die Akademisierung könnte auch dazu führen, dass ein Teil der Hebammen nicht in der Basisversorgung landet. Deshalb wäre eine Ausweitung auf 40, vielleicht sogar auf 60 Plätze notwendig“, sagt er.

Im Klinikum Nord musste der Kreißsaal bisher zwar noch nicht aus Personalnot geschlossen worden, groß sind die Schwierigkeiten trotzdem. Das Krankenhaus nimmt deshalb nicht mehr alle Schwangeren auf. Mit Ausnahme der Notfälle. Im vergangenen Jahr waren die Probleme so groß, dass sich der Betriebsrat, die Gewerbeaufsicht und das Arbeitsgericht eingeschaltet haben: Die Hebammen schafften das Pensum an Geburten oftmals nur noch, wenn sie Pausen verschoben oder ganz auf sie verzichteten. Laut Klinikleitung fehlten im Vorjahr sechs Geburtshelferinnen. Momentan kommt die Klinik auf 30 Hebammen und 17,5 Stellen – was mehr ist als 2018, aber immer noch zu wenig für die Zahl an Geburten: Seit Jahren liegt sie knapp über der 2000er-Marke.

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Im Sommer wurde das Team um eine Kraft aus dem Iran verstärkt – und wie andere Häuser in der Stadt setzt auch die Nordbremer Klinik auf Hebammen aus Italien: Eine Geburtshelferin soll im Februar anfangen, eine zweite im April. Von einer entspannteren Personalsituation spricht die Pflegeleitung trotzdem nicht. Sie geht davon aus, dass neue Lücken entstehen werden, wenn Mitarbeiterinnen in den Ruhestand oder in Elternzeit gehen – und es dauern kann, diese Lücken zu schließen, wenn der Fachkräftemangel anhält.

Forderung nach besserer Kommunikation

Das Diako in Gröpelingen, in dem 18 Hebammen beschäftigt sind, hat laut Kliniksprecher Ingo Hartel derzeit zwar keine unbesetzten Stellen. Aber: „Auch wir suchen im Ausland nach Hebammen, aktuell in Italien.“ Das Krankenhaus verzeichnet steigende Geburtenzahlen: von 664 in 2017 auf geschätzte 850 Geburten in diesem Jahr, so Hartel. Schließungen von Geburtskliniken im niedersächsischen Umland üben zusätzlichen Druck auf die Kreißsäle in Bremen aus, wie zuletzt im Februar dieses Jahres die Helios-Klinik in Nordenham mit mehr als 300 Geburten im Jahr. „Die Kommunikation zwischen den einzelnen Häusern müsste deutlich verbessert und mögliche Schließungen früher kommuniziert werden“, fordert der Diako-Sprecher.

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Das LDW, das wie die Nordbremer Klinik zum Klinikverbund Gesundheit Nord (Geno) gehört, versorgt mit 2800 Geburten im Jahr die meisten Schwangeren. „Von Klinik- oder Kreißsaal-Schließungen in anderen Häusern ist das LDW stark betroffen. Im September gab es mit 285 Geburten so viele wie in keinem Monat zuvor, ähnlich sieht es für Oktober aus“, sagt Geno-Sprecher Timo Sczuplinski. Als das St.-Joseph-Stift seinen Kreißsaal abmelden musste, habe es 35 Geburten gegeben, der Normalwert liege bei 20. Die Geburtshilfe im LDW sei personell vergleichsweise gut aufgestellt. Durch Weiterbildungen für freiberufliche Geburtshelferinnen, das Engagement des Hebammenteams bei Kongressen und durch engen Kontakt zu Hebammenschulen seien seit April acht Frauen zusätzlich eingestellt worden. Aber: Auch das LDW suche in Italien, betont der Sprecher.

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„Die Situation in den Kreißsälen ist sehr angespannt, auch wenn wir derzeit davon ausgehen, dass die geburtshilflichen Kapazitäten den Bedarf decken können“, sagt Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke). Der Fachkräftemangel werde zunehmend zum Problem. Durch den neuen Hebammenstudiengang gebe es jetzt dreimal so viele Ausbildungsplätze wie vorher. „Eine Ausweitung wäre sinnvoll angesichts des Bedarfs und sollte geprüft, werden, wenn der Studiengang gestartet ist“, kündigt Bernhard an. Die Senatorin fordert aber auch mehr Abstimmung der Kliniken bei Belegungsspitzen oder Schließungen – und bessere Arbeitsbedingungen in den Häusern. Bernhard: „Insgesamt ist das für die schwangeren Frauen keine ideale Situation.“ Dazu komme, dass die Geburtshilfe ein Bereich sei, bei dem die Erstattung nicht die Kosten decke. „Hier muss sich auf Bundesebene dringend etwas ändern.“

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