Aurich - Nach einem Skandal um defekte Bandscheibenprothesen muss sich ein 55 Jahre alter Mediziner aus Ostfriesland vor Gericht verantworten. Der fristlos entlassene Leiter der Wirbelsäulenchirurgie am Klinikum Leer ist in insgesamt 74 Fällen angeklagt. Dabei geht es um Vorteilsannahme und Bestechlichkeit in besonders schwerem Fall. Der Prozess vor der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Aurich beginnt am Dienstag. Danach sind noch sechs Verhandlungstermine bis Ende Januar vorgesehen. Einer weiteren Angeklagten wird in 15 Fällen Bestechung in besonders schwerem Fall vorgeworfen.

Das Verfahren stützt sich auf zwei Anklagen der Zentralstelle für Korruptionsstrafsachen bei der Staatsanwaltschaft Osnabrück. Danach sollen der Facharzt für Neurochirurgie und ein Unternehmen für Medizinprodukte ein Implantat für die Wirbelsäulenchirurgie entwickelt haben. Der Arzt setzte Patienten die Implantate bei Operationen am Klinikum Leer ein. Dafür wurde er prozentual an Umsätzen beteiligt und kassierte mehr als 14 000 Euro.

Die zweite Anklage richtet sich gegen den Arzt und eine frühere Geschäftsführerin einer Vertriebsgesellschaft aus Oberursel (Hessen). Beide vereinbarten für Umsätze des Unternehmens durch den Verkauf von Medizinprodukten eine Provision für den Arzt. Dieser soll dadurch von 2011 bis 2016 mehr als 128 000 Euro bekommen haben.

Ein weiterer Prozess gegen den Arzt wegen Körperverletzung in 59 Fällen steht noch aus. Denn viele eingesetzte Implantate hatten sich als schadhaft erwiesen und waren später im Körper der Patienten verrutscht oder zerbröselt. An den Folgen hatten zahlreiche Patienten gelitten, sie mussten erneut operiert werden. Das Verfahren um diesen Komplex sollte eigentlich Ende 2018 vor dem Amtsgericht Leer beginnen, wurde aber nach einem Befangenheitsantrag gegen den Richter verschoben. Dieser Prozess beginnt voraussichtlich im kommenden Jahr.

Nach früheren Medienberichten hatten Implantate des inzwischen insolventen britischen Herstellers Ranier schon bei Tierversuchen Probleme gezeigt. Die Produkte hätten eine Zulassung bekommen, obwohl sie nur an 29 Patienten getestet worden seien.