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Ermittlungen gegen Klinikum

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Die Staatsanwaltschaft in Stendal hat sich eingeschaltet und die Ermittlungen zu den Vorfällen um das Altmark-Klinikum in Gardelegen aufgenommen. Foto: Kuhn
Die Staatsanwaltschaft in Stendal hat sich eingeschaltet und die Ermittlungen zu den Vorfällen um das Altmark-Klinikum in Gardelegen aufgenommen. Foto: Kuhn © -

Gardelegen. Die Vorgänge im Altmark-Klinikum Gardelegen sind jetzt ein Fall für die Staatsanwaltschaft: „Wir haben Ermittlungen aufgenommen“, bestätigte Sprecherin Birte Iliev auf Anfrage der Altmark-Zeitung.

Die Anklagebehörde sei von Amts wegen, also auf Eigeninitiative, tätig geworden. Hintergrund seien die Vorfälle, die im Fernsehen und in der Tagespresse geschildert wurden.

Die AZ hatte gestern ausführlich über die schweren Vorwürfen berichtet, die fünf Oberärzte und ein ehemaliger Chefarzt in einem Brief an den Vorsitzenden des Klinikum-Aufsichtsrates, Landrat Michael Ziche, erhoben hatten. Danach sollen in einer Vielzahl von Fällen Patienten unnötigerweise (Bandscheiben-) Operationen unterzogen und die Betroffenen nicht oder nur unzureichend aufgeklärt worden sein. Die sechs Ärzte sprechen von „systematisch und mit Vorsatz“ durchgeführten Operationen in der Neurochirurgie „vor allen Dingen zur Umsatz- und damit Gewinnsteigerung“.

Außerdem äußerten die fünf Oberärzte und der frühere Chefarzt „den dringenden Verdacht, dass gegenüber Krankenkassen Leistungen der Neurochirurgie abgerechnet wurden, die nicht erbracht worden sind“ – für die Mediziner sind dies Abrechnungsbetrug sowie schwere und gefährliche Körperverletzungen. Das Klinikum hatte alle Anschuldigungen als „verleumderisch“ zurückgewiesen.

Im Wirbelsäulenzentrum des Gardelegener Krankenhauses sollen außerdem Bandscheiben-Operationen vorgenommen worden sein, obwohl ein Radiologe gar keinen Bandscheibenvorfall feststellen konnte. Die Klinikleitung hatte das am Mittwoch als „nichts Besonderes“ bezeichnet – dass es in der Medizin unterschiedliche Befunde gebe, sei bekannt.

Wie Landrat und Aufsichtsratsvorsitzender Michael Ziche gestern in einem AZ-Gespräch betonte, sei das Thema bereits während der Sitzung des Gremiums am 20. September diskutiert worden. Der von den sechs Ärzten unterzeichnete Brief ist datiert auf den 27. September. Danach, am 26. Oktober, habe es eine Gesprächsrunde mit den Oberärzten gegeben, an der auch der Chef der Radiologie teilgenommen habe. Dort seien die Vorwürfe von den Medizinern nicht aufrechterhalten worden und keine konkreten Hinweise von ihnen erfolgt, verwies Ziche auch auf den wenig konkreten Ärztebrief.

Zudem habe er von einem der Unterzeichner danach ein persönliches Schreiben bekommen, in dem dieser sozusagen seine Unterschrift zurückgezogen habe. In einem Gardelegener Restaurant habe es „in einem Hinterzimmer ein Geheimtreffen“ gegeben, zitierte Ziche aus dem Schreiben. Dort seien die Ärzte von dem entlassenen Chefarzt Dr. Bernd Falkenberg und dessen Anwalt Uwe Bitter „gedrängt worden, ein vorformuliertes Schreiben zu unterzeichnen“, soll der Arzt Ziche mitgeteilt und seine Unterschrift bedauert haben.

Anders in dem Fall eines Briefes, der bereits am 9. März (!) an den Ärztlichen Direktor, Dr. Michael Schoof, und den Geschäftsführer des Altmark-Klinikums, Matthias Hahn, geschrieben und von zwölf Ärzten unterzeichnet wurde, die sich mit dezidierten Angaben zu zwei Operationen „von den Verfahrensweisen innerhalb des Wirbelsäulenzentrums distanzieren“ und auf „mögliche zukünftige Gerichtsprozesse“ hinwiesen (wir berichteten gestern). Von dessen Existenz habe er erst gestern durch die Medien erfahren, berichtete der Aufsichtsratsvorsitzende weiter.

Geschäftsführer Matthias Hahn habe ihn, den Aufsichtsratsvorsitzenden, darüber nicht informiert, so Michael Ziche. Hahn habe „zwei Herren zu bedienen“, kommentierte er das Vorenthalten des Briefes. Ein Herr ist der Aufsichtsrat des Trägers Altmarkkreis Salzwedel und der zweite der Verein zur Errichtung Krankenhäuser Berlin (seit 2009 Paul Gerhardt Diakonie Berlin und Wittenberg), der für das Management verantwortlich zeichnet.

Gestern Abend tagte der Aufsichtsrat des Altmark-Klinikums, eine „turnusgemäße Sitzung“, betonte der Vorsitzende, Landrat Ziche. Und: Man werde auch über die Vorwürfe reden. Nach der Sitzung erklärte Ziche, dass man an der Stellungnahme vom Vortag festhalte.

Unterdessen erhob gestern Gardelegens Bürgermeister Konrad Fuchs – er ist seit acht Jahren auch Klinikum-Aufsichtsratsmitglied – schwere Vorwürfe gehen den ehemaligen Chirurgie-Chefarzt Dr. Bernd Falkenberg. Der betreibe nach der im August gegen ihn ausgesprochenen Kündigung („Und die ist völlig zu recht erfolgt“, so Fuchs) „eine Politik der verbrannten Erde unter dem Motto: Nach mir die Sintflut“, empört sich Fuchs, der sich um das Ansehen des Krankenhaus-Standortes Gardelegen Sorgen macht. „Damit hat er großen Schaden angerichtet.“ Fuchs fragt sich, warum Falkenberg, als er noch als Chefarzt tätig war, die von ihm nun aufgeführten Missstände damals nicht gestoppt habe. Gardelegens Bürgermeister erinnert zudem an die vor dreieinhalb Jahren öffentlich gemachten Vorwürfe an eine damalige Krankenschwester der Gardelegener Intensivstation in Zusammenhang mit Todesfällen auf der Intensivstation. „Diese Vorwürfe haben sich am Ende auch als haltlos erwiesen.“ Gleichwohl sei das Image des Klinikums beschädigt worden.

Von Holger Benecke, Stefan Schmidt und Thomas Mitzlaff

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