Kommentar
Spitalentscheid in Innerrhoden: Die Zeit für lokale Maximallösungen ist vorbei

In wenigen Wochen entscheidet die Innerrhoder Regierung, wie es mit dem geplanten Spitalneubau in Appenzell weitergehen soll. Die Entwicklung im Gesundheitswesen könnte für den Kanton eine Chance sein, sich nach aussen zu öffnen.

Claudio Weder
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Claudio Weder, Redaktor «Appenzeller Zeitung».

Claudio Weder, Redaktor «Appenzeller Zeitung».

Bild: Urs Bucher

Die Zukunft des Spitals Appenzell steht auf der Kippe. Bis Ende Januar will die Innerrhoder Regierung einen weiteren Bericht zur finanziellen Entwicklung des Betriebs veröffentlichen. Darin soll unter anderem auch die Frage geklärt werden, wie es mit dem geplanten Bau des Ambulanten Versorgungszentrums Plus (AVZ+) weitergehen soll. Dass die Standeskommission am Projekt festhält, ist dabei genauso möglich wie, dass sie ein Moratorium beschliesst oder die Neubaupläne über Bord wirft.

Um die Finanzen des Spitals steht es schlecht. Schon in einem ersten Bericht, den die Standeskommission im Oktober dem Grossen Rat vorlegte, hielt die Regierung fest: Die betriebliche Entwicklung ist besorgniserregend und zeigt in die falsche Richtung. Sorge bereiten den Spitalverantwortlichen vor allem die rückläufigen Fallzahlen im stationären Bereich. Dass die Standeskommission angesichts dieser Entwicklung nochmals über die Bücher will, ist sehr vernünftig.

Es geht auch um die Bedeutung der Landsgemeinde

Politisch ist der bevorstehende Entscheid aber heikel. Denn mit der Annahme des 41-Millionen-Kredits an der Landsgemeinde 2018 ist der künftige «Fahrplan» für das Spital Appenzell eigentlich vorgegeben: Das Volk hat entschieden. Es will ein neues Spital, in Form eines AVZ+. Ob die Regierung nun rechtlich dazu befugt ist, den Beschluss der Landsgemeinde nach ihrem Gutdünken nicht umzusetzen, soll bis Ende Januar ebenfalls geklärt werden. Was hingegen bereits jetzt schon klar ist: Würde die Standeskommission das Projekt AVZ+ stoppen und damit den Volkswillen nicht umsetzen, würde sie ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzen – und damit auch die Bedeutung der Landsgemeinde.

Ebenso für Aufsehen – zumindest bei den Nachbarkantonen – würde es wohl sorgen, wenn sich die Standeskommission nicht gegen, sondern für eine Weiterführung des Projekts AVZ+ entscheiden würde. Schon vor dem Landsgemeindeentscheid 2018 erstaunte die Entschlossenheit der Innerrhoder, ein neues Spital bauen zu wollen. Und auch heute – in Zeiten, in welchen zahlreiche Ostschweizer Spitäler ums Überleben kämpfen – erstaunt die Haltung so mancher Lokalpolitiker, die am AVZ+ festhalten, in der Hoffnung, eine neue Infrastruktur würde die Zuweisungen ans Spital Appenzell wieder ankurbeln und neue Belegärzte anlocken. Hier ist der Wunsch Vater des Gedankens.

Ein erster Schritt ist erfolgt

Die Entwicklung im Gesundheitswesen könnte aber durchaus eine Chance für Innerrhoden sein. Nicht jedoch, wie es manche Lokalpolitiker sehen, als Chance für ein neues Spital, sondern als Chance für eine vermehrte Öffnung nach aussen. Bislang gaben sich die Innerrhoder zurückhaltend, was die Kooperationswilligkeit mit den Nachbarkantonen anbelangt. Ein Vorstoss zum gemeinsamen Spitalverbund zwischen Innerrhoden und Ausserrhoden scheiterte in der Vergangenheit genauso wie die Volksinitiative «Versorgungsregion Säntis im Gesundheitswesen», welche eine abgestimmte Zusammenarbeit zwischen den drei Säntiskantonen forderte.

Mit der kürzlich angekündigten Spitalliste zwischen Innerrhoden, Ausserrhoden und St.Gallen ist nun aber ein erster Schritt hin zu einer überkantonalen Zusammenarbeit erfolgt. Es bleibt zu hoffen, dass Innerrhoden auch hinsichtlich der Zukunft des Spitals Appenzell den Blick über die Kantonsgrenzen hinaus wagt und jenen Weg einschlägt, den auch Experten immer wieder fordern. Auch angesichts der gegenwärtigen Überversorgung mit Spitälern wäre es somit zu bevorzugen, das Projekt AVZ+ zu stoppen, oder zumindest so lange auf Eis zu legen, bis eine sinnvolle Form der Kooperation zwischen den drei Kantonen Innerrhoden, Ausserrhoden und St. Gallen gefunden ist. Die aktuelle Entwicklung im Kanton St. Gallen zeigt, dass im Gesundheitswesen kein Platz ist für Gärtchendenken und lokale Maximallösungen.