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Krankenhaus Druck von Bürgern auf die Politik

Druck und Zeit. Diese beiden Dinge spielen im Moment eine wichtige Rolle, um dem Krankenhaus Havelberg eine Chance geben zu können.

Von Andrea Schröder 31.01.2020, 07:16

Havelberg l Das kristallisierte sich bei dem öffentlichen Fachgespräch heraus, zu dem Linkspolitiker von Bund, Land und Kreis in die Domkurie D8 eingeladen hatten. Mit rund 60 Leuten war der Saal  gut gefüllt am Mittwochabend, als Landtagsabgeordneter Wulf Gallert (Die Linke) zum Fachgespräch bezüglich des Havelberger Krankenhauses begrüßte. Im Podium Platz genommen hatten außerdem der Bundestagsabgeordnete Matthias Höhn (Linke), die Vorsitzende der Kreistagsfraktion der Linken Katrin Kunert sowie Stadträtin Anke Dorsch (Linke). An die KMG Kliniken zu appellieren, ihre Entscheidung zu überdenken, ist keine Perspektive, sagte der frühere Havelberger, der einst auch dem Aufsichtsrat des Krankenhauses angehörte. Aus Sicht des Konzerns sei es logisch, dass er rentabel arbeiten und möglicherweise mit der Schließung des Havelberger Krankenhauses die anderen Standorte profitabler machen will.

„Unsere Bewertungskriterien sind andere und wir sehen in der Schließung des Krankenhauses eine Verschlechterung der Lebenssituation hier“, sagte Wulf Gallert. Junge Menschen entscheiden sich vielleicht eher, doch wegzuziehen, und ältere Menschen kehren nicht wieder zurück in ihre alte Heimat, nannte er Beispiele für Folgen. Die Attraktivität der Stadt würde sich durch eine eingeschränkte medizinische Versorgung verschlechtern.

Als mögliche Perspektive für das Havelberger Krankenhaus sprach er erneut das Modell der gemeinsamen Trägerschaft der landeseigenen Gesellschaft Salus, die in Uchtspringe ein Krankenhaus betreibt, und des Altmarkkreises Salzwedel für die Krankenhäuser in Salzwedel und Gardelegen an. Voraussetzungen dafür wären, dass der Landkreis das Krankenhaus wieder in seine Trägerschaft übernehmen will – „aber er kann allein kein Krankenhaus betreiben“ –, dass die KMG bereit ist, die Immobilie abzugeben – „dass sie das für einen Euro macht, wie vor Mitarbeitern gesagt, dafür fehlt mir der Glaube“ – und dass ein solches Vorhaben Bereitschaft auf Landesebene findet.

Dafür brauche es Druck von den Menschen vor Ort, die klar machen, dass sie hier eine ordentliche medizinische stationäre Versorgung benötigen.

Katrin Kunert machte deutlich, dass der Landkreis einer reinen Kommunalisierung des Krankenhauses aus finanziellen Gründen nicht zustimmen kann. Das Land müsse dafür mit ins Boot. Ihre Fraktion setze sich aber dafür ein, einen Weg für ein tragfähiges Konzept zu finden. Matthias Höhn stellte klar, dass es auf Bundesebene derzeit keine Mehrheit gebe, die Rahmenbedingungen zu ändern. „Land und Landkreis brauchen schnell eine Lösung für Havelberg, die unter den aktuellen Bedingungen des Bundes funktioniert.“

Daseinsfürsorge in einer strukturschwachen ländlichen Region sei kein Gewinngeschäft, deshalb sei sie mit privaten Trägern auch nicht umzusetzen. Vielmehr sei die Politik gefordert, hier eine Lösung zu finden. Auch Matthias Höhn sprach vom Druck von unten, der dafür notwendig ist.

Krankenschwester Anja Graff berichtete, dass die Mitarbeiter des Krankenhauses stets zu Kompromissen bereit waren und weiter sind, um die Klinik am Leben zu erhalten. Dass Zahlen wichtig sind, sei klar. Doch sei die Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern in den letzten Jahren zu kurz gekommen. Man hätte sie mit ins Boot holen sollen.

Dass die Schwestern, Pfleger und Ärzte Ideen haben, wie das Krankenhaus gut geführt werden kann, dafür gibt es verschiedene Ideen. Schwester Karola Schulze stellte die Vision vor, die die Mitarbeiter erarbeitet (die Volksstimme berichtete am Mittwoch) und inzwischen ergänzt haben. Auch um Vorschläge für das Medizinische Versorgungszentrum MVZ, für das zum Beispiel auch eine Verbandssprechstunde und ein Kinderarzt denkbar wären.

„Wir haben bestimmte Ärzte der Region im Auge, die bereit wären, mit uns neue Wege zu gehen“, sagte Karola Schulze. Auch Schwestern, die das Krankenhaus verlassen haben, weil die Bedingungen woanders besser sind, wären bereit, wieder zurückzukehren.

Angelika Spautz von Verdi aus Berlin sprach den Zeitdruck an, der besteht. Die KMG werde Druck machen auf Mitarbeiter, um wie geplant zum März einen Teil des Seniorenheimes eröffnen zu können. Der Druck auf das Land und den Landkreis, eine Lösung für eine medizinische Grundversorgung mit stationärer Behandlung in Havelberg zu finden, müsse von der Bevölkerung ausgehen.

Sandra Braun, Betriebsratsvorsitzende im Krankenhaus, sagte, dass die Belegschaft weiterhin bereit sei, Druck zu machen. „Hoffentlich geht uns nicht die Puste aus. Wir müssen zusammenhalten und weiter kämpfen.“ Sie berichtete von der „Aktiven Mittagspause“, die am Donnerstag erstmals stattgefunden hat und möglichst weiterhin donnerstags um 12 Uhr beginnen soll, und vom Info-Tisch ab sofort immer freitags von 15 bis 16 Uhr vor dem Edeka-Markt. Da können Bürger Informationen bekommen und auch noch auf den Unterschriftenlisten zur Rettung des Krankenhauses unterschreiben.

Zu Gast war auch Patrick Puhlmann, SPD-Fraktionsvorsitzender im Kreistag und ab Mitte März neuer Landrat. Ein fertiges Modell könne er nicht präsentieren. „Aber wir sehen zu, eine ordentliche Lösung mit Ihnen zusammen hinzubekommen.“

Stadträtin Anke Dorsch sammelt gerade Erfahrungen mit dem Krankenhaus, weil ihre Mutter dort als Patientin behandelt wird. Ihr Vater können sie jeden Tag besuchen, muss keine weiten Wege in Kauf nehmen. Am Protest am 20. Januar vor dem Krankenhaus hatten rund 50 Kinder, Eltern und Lehrer teilgenommen, um sich für das Krankenhaus einzusetzen. „Wir stehen bereit, Druck von unten zu machen.“

Bürgermeister Bernd Poloski berichtete, dass aktuell über verschiedene Szenarien mit allen Akteuren gesprochen werde. Er unterstrich die Forderung nach einer stabilen ambulanten Betreuung mit einem stationären Bereich. Ein Modell wäre möglicherweise ein intersektorales Gesundheitszentrum. Doch noch liege keine Lösung parat. „Das ist ein sehr komplexes Thema“, sprach er etwa Fragen zu Finanzierung, Arbeitsverhältnissen und zur Immobilie an. Die Politik müsse in die Pflicht genommen werden und das Land müsse sich dazu bekennen. „Der Landkreis allein wird es nicht können.