L 9 KR 389/19 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 37 KR 421/19 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 389/19 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Das Regelungskonzept von § 136b Abs. 4 SGB V in Verbindung mit § 5 Abs. 5 Mm-R sieht keine positive, die Qualität eines Verwaltungsaktes besitzende Entscheidung über die bestehende Berechtigung zur Leistungserbringung vor.
2. Im Falle einer „Widerlegungsentscheidung“ nach § 136b Abs. 4 Satz 6 SGB V ist daher die isolierte Anfechtungsklage hinreichend rechtsschutzintensiv.
3. Missachten die Kassenverbände die aufschiebende Wirkung der gegen die nicht für sofort vollziehbar erklärte Widerlegungsentscheidung erhobenen Klage, liegt ein Fall faktischer Vollziehung vor, der zur Feststellung der aufschiebende Wirkung der Klage führt.
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerinnen wird der Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 7. Oktober 2019 geändert. Es wird festgestellt, dass die Klagen (S 12 KR 266/19 und S 37 KR 420/19) gegen die Bescheide der Antragsgegnerinnen vom 21. Dezember 2018 und vom 21. August 2019 aufschiebende Wirkung entfalten. Der weiter gehende Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Die Antragsgegnerinnen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Streitwert wird für das gesamte Verfahren auf 156.990,68 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin ist Trägerin des C-T-Klinikum C, eines Plankrankenhauses nach § 108 SGB V. Sie streitet für die Jahre 2019 und 2020 mit den Antragsgegnerinnen um die Erfüllung der Voraussetzungen zur Erbringung und Abrechnung von Stammzelltransplantationen. Für solche gilt auf der Grundlage von § 136b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V eine jährliche Mindestmenge von 25. Für den Zeitraum 1. März 2016 bis 28. Februar 2018 gewährten die Antragsgegnerinnen der Antragstellerin eine Ausnahme von den Mindestmengenerfordernissen für Leistungen im Bereich der Stammzelltransplantation; Hintergrund war eine personelle Neuausrichtung im Hause der Antragstellerin aufgrund der Neueinstellung eines Chefarztes zum 1. März 2016. Mit Wirkung vom 1. Mai 2018 kam es zu einem erneuten Chefarztwechsel.

Die Leistungszahlen der Antragstellerin im Bereich der Stammzelltransplantation gestalten sich wie folgt:

Leistungsjahr Leistungszahl gesamt Leistungszahl 1. Quartal Leistungszahl 2. Quartal Leistungszahl 3. Quartal Leistungszahl 4. Quartal 2015 17 2016 13 2017 24 6 10 3 5 2018 26 5 3 8 10 2019 26 8 7 8 3

Mit Schreiben an die Antragsgegnerinnen vom 11. Juli 2018 erklärte sich die Antragstellerin zur Anzahl der für das Jahr 2019 erwarteten Stammzelltransplantationen. Prognostiziert wurde, ausgehend vom Leistungsgeschehen im Jahre 2018, eine Leistungszahl von mindestens 30. Mit Schreiben vom 19. Dezember 2018 wiederholte die Antragstellerin diese Prognose auf der Grundlage des Leistungsgeschehens im nunmehr fast abgeschlossenen Jahr 2018.

Mit Bescheid vom 21. Dezember 2018 (zugestellt am 3. Januar 2019) kamen die Antragsgegnerinnen "zu dem Ergebnis, dass die für das Kalenderjahr 2019 getroffene Prognose aufgrund begründeter erheblicher Zweifel zu widerlegen ist". Die zum 1. März 2016 erfolgte personelle Neuausrichtung sei insofern gescheitert, als ein Erreichen der Mindestmenge von 25 nicht gelungen sei. Zwar sei die Tendenz im ersten Halbjahr 2017 positiv gewesen, danach sei aber ein Leistungseinbruch zu verzeichnen mit insgesamt nur noch 16 Eingriffen in den vier Quartalen III/17 bis II/18. Damit sei die von der Antragstellerin für das Jahr 2019 erstellte Prognose widerlegt. Diesen Bescheid erklärten die Antragsgegnerinnen nicht für sofort vollziehbar.

Hiergegen hat die Antragstellerin am 4. Februar 2019 Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist (Sozialgericht Cottbus, S 12 KR 266/19).

Mit Schreiben an die Antragsgegnerinnen vom 12. Juli 2019 erklärte sich die Antragstellerin zur Anzahl der für das Jahr 2020 erwarteten Stammzelltransplantationen. Prognostiziert wurde, ausgehend vom Leistungsgeschehen im Jahre 2018 (insgesamt 26) und vom Leistungsgeschehen der Quartal III/18 bis II/19 (insgesamt 33), eine Leistungszahl von 35.

Mit Bescheid vom 21. August 2019 teilten die Antragsgegnerinnen der Antragstellerin folgenden "Beschluss" der Landesverbände der Krankenkassen und der Ersatzkassen im Land Brandenburg mit: "Die abgegebene Prognose für das Kalenderjahr 2020 für den Leistungsbereich `Stammzelltransplantation` wird aufgrund begründeter erheblicher Zweifel widerlegt. Die Erbringung von Leistungen im Leistungsbereich `Stammzelltransplantation` unterliegt im Kalenderjahr 2020 dem gesetzlichen Leistungserbringungsverbot". Auf der Grundlage des auf das Jahr 2019 bezogenen Bescheides vom 21. Dezember 2018 unterliege die Antragstellerin im Bereich der Stammzelltransplantation seit dem 1. Januar 2020 einem Verbot der Leistungserbringung. Die in den Quartalen I/19 und II/19 vorgenommenen Leistungen (8 bzw. 7) seien daher rechtswidrig erbracht und im Rahmen der Prognose nicht berücksichtigungsfähig. Soweit daher nur die rechtmäßig erbrachten Leistungen in den Quartalen III/08 und IV/08 zu berücksichtigen seien (8 bzw. 10), werde die erforderliche Mindestmenge nicht erreicht. Auch für das Jahr 2020 gelte ein Leistungserbringungsverbot; Ausnahmetatbestände oder Übergangsregelungen griffen nicht. Auch diesen Bescheid erklärten die Antragsgegnerinnen nicht für sofort vollziehbar.

Hiergegen hat die Antragstellerin am 19. September 2019 Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist (Sozialgericht Cottbus, S 37 KR 420/19).

Zugleich hat die Antragstellerin um die Gewährung von Eilrechtsschutz nachgesucht. Sie hat im Wesentlichen die vorläufige Feststellung beantragt, dass sie in den Kalenderjahren 2019 und 2020 für den Leistungsbereich der Stammzelltransplantation keinem Leistungsverbot unterliege. Mit Beschluss vom 7. Oktober 2019 hat das Sozialgericht Cottbus entschieden: "Die Antragstellerin wird im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes vorläufig berechtigt, Stammzelltransplantationen gemäß Ziffer 5 der Anlage zur Mindestmengenregelung für die Kalenderjahre 2019 und 2020 zu erbringen." Die Kosten hat das Sozialgericht den Antragsgegnerinnen auferlegt und den Streitwert, ausgehend vom wirtschaftlichen Wert der Sache, auf 195.631,31 Euro festgesetzt. Zur Begründung hat das Sozialgericht im Wesentlichen ausgeführt: Die Antragstellerin habe Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht. Die von der Antragstellerin mit Schreiben vom 11. Juli 2018 abgegebene Prognose sei nicht zu beanstanden. Sie habe darauf hingedeutet, dass die Anzahl von mindestens 25 Eingriffen auch 2019 erreicht werde. Auf die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 21. Dezember 2018 komme es nicht an, denn die dagegen erhobene Klage entfalte aufschiebende Wirkung; diese werde von den Antragsgegnerinnen missachtet. Die Kammer gehe zugleich davon aus, dass auch eine positive Feststellung der Leistungsberechtigung durch die Antragsgegnerinnen zu erfolgen habe; eine solche hätte hier erfolgen müssen. Es bestünden keine "begründeten erheblichen Zweifel" an der von der Antragstellerin für das Jahr 2019 angestellten Prognose. Ihrer Entscheidung vom 21. Dezember 2018 hätten die Antragsgegnerinnen den aktuellen Sachstand zugrunde legen und daher die Entwicklung im gesamten Jahr 2018 – und nicht nur bis 30. Juni 2018 – in Erwägung stellen müssen. Weil die Antragstellerin aber im Jahre 2018 26 Leistungen erbracht habe, folge der Anspruch auf weitere Leistungs- und Abrechnungsberechtigung für das Jahr 2019 unmittelbar aus dem Gesetz. Dasselbe gelte für das Jahr 2020: Denn im zweiten Halbjahr 2018 und im ersten Halbjahr 2019 habe die Antragstellerin insgesamt 33 Leistungen erbracht. Auch die Klage gegen den Bescheid vom 21. August 2019 entfalte aufschiebende Wirkung, weshalb es auf seine Rechtmäßigkeit nicht ankomme. Die aufschiebende Wirkung der Klage S 37 KR 420/19 werde von den Antragsgegnerinnen grob missachtet. Ein gesetzliches Leistungsverbot habe zu keinem Zeitpunkt bestanden. Die sofortige Vollziehung ihrer Entscheidungen hätten die Antragsgegnerinnen nicht angeordnet, so dass es keine gesetzliche Grundlage dafür gebe, tatsächlich erbrachte Leistungen nicht mitzuzählen. Aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung der Sache liege auch ein Anordnungsgrund vor. Unabhängig davon sei der Bescheid vom 21. Dezember 2018 rechtswidrig, weil die die Prognose widerlegende Entscheidung gemäß § 5 Abs. 6 Satz 2 der Mindestmengenregelung des GBA (Mm-R) dem Krankenhausträger bis spätestens 31. August eines laufenden Kalenderjahres schriftlich mitzuteilen sei.

Hiergegen richtet sich die am 7. Oktober 2019 erhobene Beschwerde der Antragsgegnerinnen. Der Eilantrag sei unstatthaft. Im Hauptsacheverfahren hätte eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage erhoben werden müssen; die bislang gestellten Anfechtungs- und Feststellungsanträge seien unzulässig. Zu Unrecht meine das Sozialgericht, den Anfechtungsklagen komme aufschiebende Wirkung zu. Dieser Gedanke greife in der Verpflichtungskonstellation nicht. Der Antragstellerin dürfe keine prozessuale Rosinenpickerei erlaubt werden. Unabhängig davon habe die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Die Prognosen für die Jahre 2019 und 2020 seien zu Recht widerlegt worden. Bis Mitte 2018 habe die Antragstellerin die erforderliche Mindestmenge im Bereich der Stammzell-transplantation nicht erbracht. Was das Jahr 2020 betreffe, so dürfe die Prognose nicht auf rechtswidrig erbrachten Leistungen beruhen. Auch für einen Anordnungsgrund habe die Antragstellerin nicht ausreichend vorgetragen. Die im Beschluss des Sozialgerichts liegende Vorwegnahme der Hauptsache sei unzulässig.

Die Antragsgegnerinnen beantragen,

den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 7. Oktober 2019 aufzuheben und den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen,

hilfsweise festzustellen, dass die Klagen (S 12 KR 266/19 und S 37 KR 420/19) gegen die Bescheide der Antragsgegnerinnen vom 21. Dezember 2018 und vom 21. August 2019 aufschiebende Wirkung entfalten.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Der Berichterstatter hat die Sach- und Rechtslage am 4. März 2020 mit den Beteiligten in nichtöffentlicher Sitzung erörtert.

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Antragsgegnerinnen sowie der Akten zu den Hauptsacheverfahren S 12 KR 266/19 und S 37 KR 420/19 Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Entscheidungsfindung war.

II.

Die Beschwerde der Antragsgegnerinnen bleibt im Ergebnis ohne Erfolg. Zu Recht hat das Sozialgericht Cottbus dem Eilantrag stattgegeben, allerdings teilweise unter ungenauer Handhabung der prozessrechtlichen Zusammenhänge, so dass der Senat den Tenor der erstinstanzlichen Entscheidung zu ändern hatte.

Hinreichend effektiv und prozessrechtlich sachgerecht ist zur Überzeugung des Senats der Antrag (bzw. der Ausspruch) festzustellen, dass die Klagen (S 12 KR 266/19 und S 37 KR 420/19) gegen die Bescheide der Antragsgegnerinnen vom 21. Dezember 2018 und vom 21. August 2019 aufschiebende Wirkung entfalten. Denn die Antragsgegnerinnen missachten die von Gesetzes wegen eingetretene aufschiebende Wirkung dieser Anfechtungsklagen gegen die streitgegenständlichen Bescheide vom 21. Dezember 2018 und 21. August 2019. Damit liegt ein Fall der so genannten faktischen Vollziehung vor. Vor diesem Hintergrund bedarf es zur Gewährleistung möglichst effektiven Rechtsschutzes nicht des Erlasses einer einstweiligen Anordnung, ebenso wenig wie es im Hauptsacheverfahren der Erhebung einer Verpflichtungsklage bedarf. Im Einzelnen:

1. Statthaft und ausreichend ist im Hauptsacheverfahren die Erhebung einer Anfechtungsklage gegen den Bescheid, mit dem die Kassenverbände die Prognose des Krankenhausträgers widerlegen. Das ergibt sich unmittelbar aus Wortlaut und Systematik der in § 136b Abs. 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) enthaltenen Regelungen. Zwar dürfen entsprechende Leistungen nicht bewirkt werden, wenn die nach § 136b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V erforderliche Mindestmenge bei planbaren Leistungen voraussichtlich nicht erreicht wird (Satz 1). Um Leistungen im sachlichen Geltungsbereich einer Mindestmenge erbringen zu dürfen, muss der Krankenhausträger eine positive Prognose für das jeweils folgende Jahr vorlegen (§ 136b Abs. 4 Satz 3 SGB V: "Für die Zulässigkeit der Leistungserbringung muss der Krankenhausträger gegenüber den Landesverbänden der Krankenkassen und der Ersatzkassen jährlich darlegen, dass die erforderliche Mindestmenge im jeweils nächsten Kalenderjahr auf Grund berechtigter mengenmäßiger Erwartungen voraussichtlich erreicht wird [Prognose]"). Hieraus folgt, dass der Krankenhausträger allein durch die Vorlage einer (jedenfalls nicht völlig abwegigen und schlechthin willkürlich erscheinenden) Prognose weiterhin Leistungen im Geltungsbereich der betroffenen Mindestmenge erbringen darf. Ein Genehmigungsverfahren schließt sich an die Vorlage der Prognose nicht an; § 136b Abs. 4 SGB V enthält insoweit keine Regelung. Vielmehr ist ein schlichtes Prüfverfahren in Gang gesetzt, in dessen Rahmen die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen die Tragfähigkeit der Prognose prüfen. § 5 Abs. 5 der Mindestmengenregelung des GBA (Mm-R) sieht diese Prüfobliegenheit ausdrücklich vor; sie mündet in einer Mitteilung des Ergebnisses der Prüfung, die im Falle eines positiven Ergebnisses lediglich informatorischen Charakter aufweist und keine Regelung im Sinne von § 31 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) darstellt (ebenso: Bockholdt in NZS 2019, S. 814 [817]). Das Regelungskonzept von § 136b Abs. 4 SGB V in Verbindung mit § 5 Abs. 5 Mm-R sieht keine positive, die Qualität eines Verwaltungsaktes besitzende Entscheidung über die bestehende Berechtigung zur Leistungserbringung vor.

Anders liegt es für den Fall, dass die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen die vorgelegte Prognose für inhaltlich nicht belastbar halten: Sie "können bei begründeten erheblichen Zweifeln an der Richtigkeit die vom Krankenhausträger getroffene Prognose widerlegen" (§ 136b Abs. 4 Satz 6 SGB V) Hiergegen ist der Rechtsweg vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben (Satz 7), ein Vorverfahren findet nicht statt (Satz 8). Dass diese "Widerlegungsentscheidung" die Qualität eines belastenden Verwaltungsakts im Sinne von § 31 Satz 1 SGB X aufweist, liegt auf der Hand (vgl. dazu Bockholdt, a.a.O., S. 816), denn es handelt sich um eine Entscheidung, die zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen gerichtet ist; sie bewirkt zu Lasten des Krankenhausträgers, dass Leistungen im Bereich der Mindestmenge nicht erbracht werden dürfen. Zugleich haben die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen grundsätzlich die Möglichkeit, ihre "Widerlegungsentscheidung" mit einer Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu verbinden, sofern ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung gesehen wird.

Aus alledem folgt: Zur Überzeugung des Senats ist die Widerlegungsentscheidung nach § 136b Abs. 4 Satz 6 SGB V als belastender Verwaltungsakt mit der isolierten Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG angreifbar. Einer darüber hinausgehenden Feststellungs- oder Verpflichtungsklage bedarf es nicht, auch nicht im Sinne der Rechtsklarheit, denn im Falle des Erfolges der Anfechtungsklage ist der bewirkte Rechtszustand bereits hinreichend klar: Die Leistungen dürfen erbracht werden (anders: Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, 1. Senat, Beschluss vom 22. August 2019, L 1 KR 196/19 B ER, zitiert nach juris, dort Rdnr. 20).

Die Anfechtungsklage gegen eine Widerlegungsentscheidung entfaltet von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung (§ 86a Abs. 1 Satz 1 SGG). Mit Eintritt der aufschiebenden Wirkung ist die Widerlegungsentscheidung suspendiert und der Krankenhausträger wieder im Rechtszustand nach § 136b Abs. 4 Satz 3 SGB V; die Leistungserbringung ist vorläufig, bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, weiter zulässig. Anderes würde nur gelten, wenn die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen die sofortige Vollziehung ihrer Widerlegungsentscheidung anordnen, denn dann entfällt die aufschiebende Wirkung der Klage und muss von Seiten des Krankenhausträgers gegebenenfalls über einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG erstritten werden.

Vorliegend sind die beiden Widerlegungsentscheidungen vom 21. Dezember 2018 und vom 21. August 2019 nicht für sofort vollziehbar erklärt worden. Die gegen sie erhobenen Klagen entfalten damit von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung. Eines Aussetzungsverfahrens nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG bedarf es daher nicht.

Gleichwohl ist die Antragstellerin rechtsschutzbedürftig, denn die Antragsgegnerinnen bestreiten aktiv Eintritt und Effekt der aufschiebenden Wirkung. Das zeigt sich in der Annahme, es habe für das Jahr 2019 ein Leistungserbringungsverbot bestanden und, noch weitergehend, die im Jahre 2019 erbrachten 26 Leistungsfälle seien im Rahmen der Prognose für das Jahr 2020 schlechthin außer Betracht zu lassen. Hierin liegt zur Überzeugung des Senats eine Situation der faktischen Vollziehung unter rechtsirrtümlicher Missachtung der aufschiebenden Wirkung der gegen die beiden Widerlegungsentscheidungen erhobenen Klagen. Geboten und auch hinreichend rechtsschutzintensiv ist es in dieser Situation, dass der Senat im Entscheidungssatz den Eintritt der aufschiebenden Wirkung der Klagen (S 12 KR 266/19 und S 37 KR 420/19) gegen die Bescheide der Antragsgegnerinnen vom 21. Dezember 2018 und vom 21. August 2019 feststellt (vgl. in diese Richtung auch Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 25. Juli 2019, L 4 KR 117/19 B ER, zitiert nach juris, dort Rdnr. 45 - 47).

Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG ist daneben nicht statthaft, weil ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG vorliegt. Das Vorbringen der Beteiligten und der erstinstanzliche Beschluss gehen daher ins Leere, soweit es Anordnungsanspruch, Anordnungsgrund und Vorwegnahme der Hauptsache betrifft.

2. In der Folge der Entscheidung des Senats besteht damit vorläufig kein Leistungserbringungsverbot. Vergütungsfragen sind im vorliegenden Verfahren nicht zu klären. Auch kommt es im vorliegenden Zusammenhang (in der Situation der faktischen Vollziehung) nicht auf die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Widerlegungsentscheidungen an.

Festzuhalten bleibt aber: Viel spricht dafür, dass die Antragsgegnerinnen im Bescheid vom 21. Dezember 2018 keine belastbare Widerlegungsentscheidung getroffen haben, denn im Laufe des zum Zeitpunkt der Entscheidung bereits nahezu abgelaufenen Jahres 2018 hatte die Antragstellerin 26 Leistungsfälle erbracht, so dass die Prognose für das Folgejahr 2019 wohl hätte positiv ausfallen müssen; angesichts der Tatsache, dass die Prognose der Antragstellerin bereits vom 11. Juli 2018 datierte und die Antragsgegnerinnen – entgegen § 5 Abs. 6 Mm-R – erst am Jahresende 2018 entschieden haben, hätte sich im Zuge der Verpflichtung zur Amtsermittlung (§ 20 Abs. 1 Satz 1 SGB X) aufgedrängt, vor einer Entscheidung die weitere Leistungsentwicklung bei der Antragstellerin abzufragen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 154 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung. Zwar hat der Senat den Eilantrag, soweit er über die Feststellung der aufschiebenden Wirkung hinausgeht, zurückgewiesen, weil aus anwaltlicher Vorsicht noch anders lautende Anträge formuliert waren; der Sache nach hat die Antragstellerin aber vollständig obsiegt, weil im Ergebnis des Eilverfahrens feststeht, dass sie, was Leistungen der Stammzelltransplantation betrifft, keinem Leistungserbringungsverbot unterliegt, selbst wenn dies nur auf die aufschiebende Wirkung der beiden erhobenen Klagen zurückzuführen ist. Daher war es geboten, den Antragsgegnerinnen die Kosten des Beschwerdeverfahrens vollständig aufzuerlegen.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a SGG i.V.m. §§ 52 Abs. 1, 63 Abs. 3 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes. Im Berechnungsweg folgt der Senat dem erstinstanzlichen Beschluss. Die Orientierung des Streitwerts am angestrebten Jahresgewinn entspricht höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. Bundessozialgericht, Beschluss vom 8. August 2013, B 3 KR 17/12 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 5). Allerdings steht nach dem aktuell von der Antragstellerin vorgelegten Zahlenwerk für 2019 ein jährlicher Gesamterlös von 627.962,73 Euro in Rede, den der Senat auf zwei Jahre hochrechnet (1.255.925,45 Euro). Der wirtschaftliche Wert dürfte ein Viertel hiervon betragen (313.981,37 Euro), was dem Streitwert im Hauptsacheverfahren entspräche. Für das Eilverfahren ist dieser Wert wiederum zu halbieren, was den Wert von 156.990,68 Euro ergibt.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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