L 1 KR 527/17

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 38 KR 383/16
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 527/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots bei der Gabe von Thrombozytenkonzentraten

1. Das Gericht kann die volle Überzeugung von der Unwirtschaftlichkeit einer Krankenhausbehandlung auch ohne Patientenakte gewinnen, etwa auf der Grundlage eines Grundsatzgutachtens des MDK in Verbindung mit dem nach § 301 SGB V übermittelten Datensatz des Krankenhauses.
2. Zur Unwirtschaftlichkeit der Behandlung mit Apherese-Thrombozytenkonzentraten statt mit Pool-Thrombozytenkonzentraten.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 7. Juni 2017 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 741,35 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung.

In dem nach § 108 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zugelassenen Krankenhaus der Klägerin wurde in der Zeit vom 17.07.2013 bis zu seinem Tod am 27.07.2013 der bei der Beklagten versicherte Patient Z ... (im Folgenden: Versicherter) vollstationär behandelt.

Unter dem 27.09.2013 stellte die Klägerin der Beklagten den Krankenhausaufenthalt mit insgesamt 8.764,66 EUR in Rechnung, wobei sie die DRG-Fallpauschale H41A (Kom-plexe therapeutische ERCP mit äußerst schweren CC oder photodynamische Therapie) zugrunde legte. Bei der Kodierung brachte sie als Hauptdiagnose die C25 (bösartige Neubildung: Pankreaskopf) sowie zahlreiche Nebendiagnosen in Ansatz. Ferner kodierte sie den OPS 8-800.90 (2 Apherese-Thrombozytenkonzentrate) und berechnete hierfür das Zusatzentgelt ZE84.02 in Höhe von 741,35 EUR. Auf die der Beklagten gemäß § 301 SGB V übermittelten Daten wird Bezug genommen (vgl. Bl. 1 ff. der Verwaltungsakte). Die Beklagte glich die Rechnung zunächst vorbehaltlos aus.

Mit Schreiben vom 27.01.2016 teilte die Beklagte der Klägerin mit, ein Grundsatzgutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Baden-Württem¬berg vom 19.10.2010 bestätige, dass aus medizinischer Sicht bei den meisten Indikatio¬nen Pool-Thrombozytenkonzentrate (PTK) zu Apherese-Thrombozytenkonzentraten (ATK) gleichwertig seien, Ausnahmen gebe es nur wenige. Bei der Gabe von ATK han¬dele es sich um eine geeignete, aber nicht erforderliche Variante der Behandlung. Sofern keine medizinische Notwendigkeit vorliege, sei das ZE94 / ZE146 die wirtschaftlichere Alternative. Das Bundessozialgericht (BSG) habe entschieden, dass Grundsatzgutachten, die sich auf typische Fallkonstellationen bezögen, auch einzelfallbezogen verwendet werden könnten (Hinweis auf BSG, Urteil vom 14.10.2014 – B 1 KR 27/13 R). Die objektive Beweislast für einen atypischen Fall obliege dem Krankenhaus. Die Klägerin habe keine Angaben zu relevanten Begleiterkrankungen oder sonstigen Gründen gemacht, die Anlass für die Abrechnung des ZE84 / ZE147 gäben. Sie habe bei der Klägerin eine Anzahl von vier abgerechneten Fällen für die Jahre 2012 bis 2014 eruiert. Dabei habe sie die Diagnoseschlüssel C81*, C82*, C83*, C84*, C85*, C86*, C88*, C90*, C91*, C92*, C93*, C94*, C95*, D691, D6941 und D70* als Ausschlusskriterium herange¬zogen. Die beiliegende Liste von drei Fällen enthalte ausschließlich Fallkonstellationen, in denen anhand der ihr vorliegenden Daten keine medizinische Notwendigkeit für das ZE84 / ZE147 bestanden habe.

Am 09.02.2016 verrechnete die Beklagte einen Betrag in Höhe von 741,35 EUR gegen andere Forderungen der Klägerin.

Mit Schreiben vom 17.02.2016 zeigte der MDK eine Prüfung des Behandlungsfalles an. Die Klägerin wies die Prüfung am 22.02.2016 fernmündlich zurück.

Am 23.06.2016 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht (SG) Chemnitz Klage erhoben. Der MDK habe eine Prüfung erstmals mit Schreiben vom 17.02.2016 ange¬zeigt. Zu diesem Zeitpunkt sei die Frist des § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V längst verstri¬chen gewesen. Damit sei sie nicht verpflichtet gewesen, Unterlagen zu übersenden und die Beklagte sei mit ihren Einwendungen ausgeschlossen. Die Beklagte habe das angeführte Gutachten des MDK Baden-Württemberg vom 19.10.2010 ihr – der Klägerin – nicht zur Verfügung gestellt, so dass sie keinerlei Kenntnis von dem Gutachten habe. Im Übrigen werde bestritten, dass es als Grundsatzgutachten charakterisiert werden könne. Die Bezugnahme auf die Entscheidung B 1 KR 27/13 R verfange nicht, da es darin um einen völlig anderen Sachverhalt gegangen sei. Dort sei bei einer regelhaft ambulant vorzunehmenden Behandlung eine stationäre Krankenhausbehandlung erfolgt. In einem solchen Fall solle es dem Krankenhaus obliegen, den Grund für die stationäre Aufnahme mitzuteilen. Um einen solchen Sachverhalt handele es sich je¬doch hier nicht. Ein Grundsatzgutachten sei nicht geeignet, einen Einzelfall zu be¬urteilen. Die Klägerin hat auf zwei Entscheidungen des SG Gotha (Ur¬teile vom 24.02.2017 – S 50 KR 5053/15 und S 50 KR 5050/15 – nicht veröffentlicht) verwiesen.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Die Behandlung des Versicherten mit ATK sei nicht wirtschaftlich gewesen, da bei gleich zweckmäßiger und notwendiger Behand¬lung der Einsatz von PTK ausreichend sei. ATK seien nur bei alloimmunisierten Patienten notwendig. Dass es sich bei dem Versicherten um einen solchen Patienten gehandelt habe, werde von der Klägerin nicht vorgetragen und sei im Übrigen auch nicht ersichtlich. Einer Beauftragung des MDK habe es angesichts des Grundsatzgutachtens des MDK Baden-Württemberg vom 19.10.2010 nicht bedurft. Erstelle der MDK ein Grundsatzgutachten, das auch die nicht von dem Auftrag erfassten Einzelfälle in der Sache umfasse, bedürfe es keiner erneuten Stellungnahme des MDK, da die Krankenkasse aus sich heraus ohne weitere medizinische Sachverhaltsermittlung und -bewertung durch den MDK die Frage der Wirtschaftlichkeit selbst beantworten könne. Der Ablauf der Frist des § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V führe lediglich dazu, dass die Krankenkasse und der MDK nach Ablauf der Frist auf die Daten beschränkt seien, die das Krankenhaus bei der Krankenhausaufnahme und -abrechnung übermittelt habe. Das Recht der Krankenkasse, für eine Prüfung andere zulässige Informationsquellen zu nutzen, bleibe unberührt.

Mit Urteil vom 07.06.2017 hat das SG die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 741,35 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.02.2016 zu zahlen. Ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch der Beklagten in Höhe von 741,35 EUR habe nicht bestanden. Ob ein Ausnahmefall nach dem MDK-Grundsatzgutachten zur Gabe von ATK vorgelegen habe, sei nach Ablauf der Prüffristen des § 275 Abs. 1c SGB V von der Klägerin nicht mehr darzulegen und zu beweisen. Viel-mehr obliege es der Beklagten darzulegen und zu beweisen, dass die Voraussetzungen für den behaupteten Erstattungsanspruch vorlägen. Grundsätzlich trage die Kranken¬kasse bei vorbehaltloser Bezahlung das Risiko der Nichterweislichkeit der Tatsachen, aus denen sich das behauptete Nichtbestehen eines Rechtsgrundes für die erbrachten Leistun¬gen ableite (Hinweis auf BSG, Urteil vom 14.10.2014 – B 1 KR 27/13 R – juris Rn. 19). Des¬halb müsse grundsätzlich die Krankenkasse die fehlende Erforderlichkeit der Gabe der ATK nachweisen. Dagegen müsse die Klägerin nicht allein aufgrund des Grundsatzgutachtens das Vorliegen eines atypischen Falles nachweisen (Verweis auf SG Gotha, Urteil vom 24.02.2017 – S 50 KR 5053/15). Die Kammer schließe sich den Erwägungen des SG Gotha, aus welchen Gründen die Entscheidung des BSG vom 14.10.2014 (B 1 KR 27/13 R) vorliegend nicht anwendbar sei, an und mache sich dessen Ausführungen zu Eigen. Es verbleibe somit bei der Beweislast der Beklagten. Es sei nicht zu erkennen, dass die Klägerin eine gebotene Information vorenthalten oder gebotene Angaben unterlassen habe. Die Angaben nach § 301 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V seien vollständig übermittelt worden. § 301 SGB V fordere hinsichtlich der Prozeduren gerade keine Angabe zu deren Grund oder medizinischer Erforderlichkeit, sondern nur die Angabe von Datum und Art. Die Beklagte habe damit über sämtliche Informationen darüber, dass vorliegend abweichend vom Regelfall eine andere Behandlung stattgefunden habe, verfügt. Insbesondere habe das MDK-Gutachten bereits zum Zeitpunkt der Abrechnung im Jahre 2013 vorgelegen. Mit den Informationen wäre es der Beklagten ohne weiteres möglich gewesen, eine Auffälligkeit zu erkennen bzw. den Behandlungsfall und die Rechtmäßigkeit der Vergütungsforderung zu beurteilen. Stattdessen habe sie die Rechnung ohne Vorbehalt beglichen. Es könne dahinstehen, ob sich aus § 275 Abs. 1c SGB V ein Einwendungsausschluss ergebe oder ob der ungenutzte Ablauf der Frist allein dazu führe, dass Krankenkasse und MDK auf die Daten beschränkt seien, die das Krankenhaus im Rahmen seiner Informationsobliegenheiten bei der Krankenhausauf¬nahme und zur Abrechnung zur Verfügung gestellt habe. Die Klägerin habe hier auf die Prüfanzeige vom 17.02.2016 die Lieferung weiterer Daten verweigert, sodass der Beklagten nur die Angaben gemäß § 301 SGB V zur Verfügung gestanden hätten. Aus diesen lasse sich nicht entnehmen, ob eine Gabe von PTK ausreichend und damit wirtschaftlicher gewesen wäre. Demnach sei eine Beweislastentscheidung zu Lasten der Beklagten zu treffen.

Gegen das ihr am 15.06.2017 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 11.07.2017 – die vom SG zugelassene – Berufung eingelegt. Sie nimmt Bezug auf ihren erstinstanzlichen Vortrag und beruft sich ergänzend auf das Urteil des BSG vom 14.10.2014 (B 1 KR 27/13 R).

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 7. Juni 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Vorliegend gehe es um eine Prüfung der Wirtschaftlichkeit, die dem Prüfregime des § 275 Abs. 1c SGB V unterfalle. Die Beklagte habe es jedoch unterlassen, fristgerecht eine Überprüfung durch den MDK einzuleiten. Da es sich um eine Auffälligkeitsprüfung handele, sei es der Beklagten verwehrt, den Behandlungsfall erneut aufzugreifen. Der Einwendungsausschluss wirke auch im gerichtli-chen Verfahren fort. Es habe keine Sachverhaltsaufklärung mehr zu erfolgen. Von einer Übersendung der Patientenakte werde daher abgesehen.

Dem Senat haben die Verwaltungsakte der Beklagten, sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen. Hierauf und auf die in den Gerichtsakten enthaltenen Schrifts¬ätze der Beteiligten sowie den übrigen Akteninhalt wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte in Abwesenheit der Klägerin und ihrer Prozessbevollmächtigten entscheiden, da diese ordnungsgemäß zu dem Termin zur mündlichen Verhandlung mit dem Hinweis geladen wurden, dass auch ohne ihre Anwesenheit entschieden werden kann.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Zu Unrecht hat das SG die Beklagte zur Zahlung von 741,35 EUR verurteilt. Der Klägerin steht kein derartiger Anspruch gegen die Beklagte zu.

Der von der Klägerin im Gleichordnungsverhältnis zulässigerweise mit der (echten) Leistungsklage (dazu BSG, Urteil vom 16.12.2008 – B 1 KN 1/07 KR R – juris Rn. 9; Urteil vom 26.09.2017 – B 1 KR 9/17 R – juris Rn. 7) verfolgte Vergütungsanspruch aus der Behandlung anderer Versicherter erlosch dadurch in Höhe von 741,35 EUR, dass die Beklagte wirksam mit einem Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung für die stationäre Krankenhausbehandlung des Versicherten in der Zeit vom 17.07.2013 bis 27.07.2013 aufrechnete.

Es ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass die Klägerin aufgrund stationärer Krankenhausbehandlung anderer Versicherter der Beklagten gegen diese einen Anspruch auf Zahlung von 741,35 EUR hatte; eine nähere Prüfung erübrigt sich insoweit (zur Zulässigkeit dieses Vorgehens: BSG, Urteil vom 19.06.2018 – B 1 KR 39/17 R – juris Rn. 29; Urteil vom 19.12.2017 – B 1 KR 19/17 R – juris Rn. 7; Urteil vom 19.04.2016 – B 1 KR 28/15 R – juris Rn. 8). Streitig ist zwischen den Beteiligten allein, ob dieser Zahlungs-anspruch entsprechend § 387 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) durch die Aufrechnung der Beklagten mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung für die stationäre Krankenhausbehandlung des Versicherten teilweise erloschen ist (zur entsprechenden Anwendung auf überzahlte Krankenhausvergütung: BSG, Urteil vom 19.12.2017 – B 1 KR 19/17 R – juris Rn. 8; Urteil vom 23.06.2015 – B 1 KR 26/14 R – juris Rn. 33; Urteil vom 16.12.2008 – B 1 KN 1/07 KR R – juris Rn. 8). Dies ist hier der Fall. Denn die Beklagte hatte der Klägerin einen Betrag in Höhe von 741,35 EUR ohne Rechtsgrund gezahlt, weil der Klägerin für die im Rahmen des stationären Aufenthalts der Versicherten vom 17.07.2013 bis 27.07.2013 verabreichte Gabe von zwei Thrombozytenkonzentraten ein Anspruch auf Vergütung für das ZE84.02 in Höhe von 741,35 EUR nicht zustand.

Der Vergütungsanspruch für die Krankenhausbehandlung und damit korrespondierend die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht – unabhängig von einer Kostenzusage – unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgt und i.S. von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (st. Rspr., z. B. BSG, Urteil vom 23.06.2015 – B 1 KR 26/14 R – juris Rn. 34 m.w.N.).

Die Klägerin, die unbestritten zwei ATK verabreicht hat, kodierte zwar sachlich-rechnerisch richtig den OPS 8-800.90 (2 Apherese-Thrombozytenkonzentrate), der zu dem Zusatzentgelt ZE84.02 in Höhe von 741,35 EUR führt. Denn die sachlich-rechnerische Richtigkeit ist unabhängig von hypothetischen Geschehensabläufen ausschließlich am tatsächlichen Behandlungsverlauf zu messen (BSG, Urteil vom 28.03.2017 – B 1 KR 3/16 R – juris Rn. 12). Die Klägerin hatte aber gleichwohl keinen Anspruch auf Vergütung des Zusatzentgelts ZE84.02, da die Gabe von PTK ausreichend und wirtschaftlicher gewesen wäre. Und für die Gabe von PTK wäre vorliegend kein Zusatzentgelt angefallen. Denn bei einer Gabe von zwei PTK fällt das entsprechende Zusatzentgelt ZE94.01 nach dem Zusatzentgelt-Katalog (Anlage 5 zum Fallpauschalen-Katalog G-DRG-Version 2013) nur dann an, wenn der Patient jünger als 15 Jahre ist (vgl. Fußnote 6 zu Anlage 5).

Aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs. 1 SGB V) folgt, dass ein Krankenhaus nur Anspruch auf die Vergütung einer wirtschaftlichen Krankenhaus¬behandlung hat. Die Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots verlangt, dass bei Existenz verschiedener gleich zweckmäßiger und notwendiger Behandlungsmöglichkeiten die Kosten für den gleichen zu erwartenden Erfolg geringer oder zumindest nicht höher sind (BSG, Urteil vom 28.03.2017 – B 1 KR 29/16 R – juris Rn. 21; Urteil vom 19.04.2016 – B 1 KR 23/15 R – juris Rn. 13; Urteil vom 21.04.2015 – B 1 KR 6/15 R – juris Rn. 12; Urteil vom 10.03.2015 – B 1 KR 2/15 R – juris Rn. 20; Urteil vom 01.07.2014 – B 1 KR 62/12 R – juris Rn. 24). Wählt das Krankenhaus einen unwirtschaftlichen Behandlungsweg, kann es allenfalls die Vergütung beanspruchen, die bei fiktivem wirtschaftlichem Alternativverhalten angefallen wäre (BSG, Urteil vom 01.07.2014 – B 1 KR 62/12 R – juris Rn. 17 ff.; Urteil vom 10.03.2015 – B 1 KR 2/15 R – juris Rn. 14 ff.; Urteil vom 28.03.2017 – B 1 KR 29/16 R – juris Rn. 21 ff.). So verhält es sich hier.

Grundsätzlich trägt die Krankenkasse bei – wie hier erfolgter – vorbehaltloser Zahlung die Beweislast für alle Tatsachen, aus denen sich ihr Rückzahlungsanspruch herleitet (BSG, Urteil vom 14.10.2014 – B 1 KR 27/13 R – juris Rn. 19; Wahl in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 109 SGB V Rn. 195). Eine Durchbrechung dieses Grundsatzes ist für den Fall anerkannt, dass eine regelhaft ambulant vorzunehmende Behandlung stationär durchgeführt wird; in einem solchen Fall trägt das Krankenhaus trotz vorbehaltsloser Zahlung im Erstattungsstreit die Beweislast für das Vorliegen atypischer, von der Regel abweichender Umstände (BSG, Urteil vom 14.10.2014 – B 1 KR 27/13 R – juris Rn. 18 ff.). Denn bei der Beweislastverteilung sind auch die Verantwortungssphären der Beteiligten zu berücksichtigen. In die Verantwortungssphäre des Krankenhauses fällt es, die Krankenkasse über das Vorliegen eines atypischen Falles zu informieren, der entgegen der Regel stationäre Krankenhausbehandlung rechtfertigt (Wahl, a.a.O. Rn. 195). Diese Pflicht wird aus der Vorschrift des § 301 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V abgeleitet, wonach "der Grund der Aufnahme" zu den Angaben gehört, die das Krankenhaus der Krankenkasse zu übermitteln hat (BSG, Urteil vom 14.10.2014 – B 1 KR 27/13 R – juris Rn. 21). Die vorliegende Situation ist damit nicht vergleichbar. Die Klägerin hat vollständige Angaben nach § 301 Abs. 1 Satz 1 SGB V gemacht. In Bezug auf die kodierten Prozeduren sind gemäß § 301 Abs.1 Satz 1 Nr. 6 SGB V nur das Datum und die Art der im Krankenhaus durchgeführten Prozeduren zu übermitteln. Damit sind Angaben zum Grund oder der Erforderlichkeit der kodierten Prozeduren nicht erforderlich. Eine Umkehr der Beweislast zulasten der Klägerin kommt daher nicht in Betracht.

Trägt somit die Beklagte die Beweislast dafür, dass die kostengünstigeren PTK zur Behandlung des Versicherten genau so geeignet waren wie die ATK, führt dies – entgegen dem SG – nicht dazu, dass ihr Erstattungsanspruch nicht erweislich wäre. Denn für den Vollbeweis muss sich das Gericht zwar die volle Überzeugung vom Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer Tatsache verschaffen. Doch verlangt auch der Vollbeweis keine absolute Gewissheit, sondern lässt eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit ausreichen (BSG, Urteil vom 15.12.2016 – B 9 V 3/15 R – juris Rn. 26; Urteil vom 15.12.2016 – B 5 RS 4/16 R – juris Rn. 14; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 128 Rn. 3b). Das bedeutet, dass auch dem Vollbeweis gewisse Zweifel innewohnen können und verbleibende Restzweifel bei der Überzeugungsbildung unschädlich sind, solange sie sich nicht zu gewichtigen Zweifeln verdichten (BSG, Urteil vom 15.12.2016 – B 9 V 3/15 R – juris Rn. 26; Urteil vom 24.11.2010 – B 11 AL 35/09 R – juris Rn. 21). Rein theoretische Zweifel schaden nicht; vielmehr genügt ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit (BSG, Urteil vom 31.01.2012 – B 2 U 2/11 R – juris Rn. 28). Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (BSG, Urteil vom 05.05.2009 – B 13 R 55/08 R – juris Rn. 28; Urteil vom 15.12.2016 – B 9 V 3/15 R – juris Rn. 26). Dies ist hier der Fall.

Der Senat ist nach Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden Erkenntnisgrundlagen davon überzeugt, dass die kostengünstigeren PTK zur Behandlung des Versicherten genau so geeignet waren wie die ATK. Dies ergibt sich zur vollen Überzeugung des Senats aus den gemäß § 301 SGB V durch die Klägerin übermittelten Daten und dem in der Verwaltungsakte befindlichen Gutachten des MDK Baden-Württemberg vom 19.10.2010, das durch den Arzt für Innere Medizin, Transfusionsmedizin, Hämostaseologie und Sozialmedizin Dr. Beck erstellt wurde und auf das sich die Beklagte bereits im vorgerichtlichen Verfahren berufen hat. Dieses Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass ATK und PTK in Bezug auf Wirksamkeit, Sicherheit und Alloimmunisierung grundsätzlich gleichwertig sind und es nur zwei Indikationen für ATK gibt, nämlich bei alloimmunisierten Patienten oder bei einem Versorgungsengpass. Der Senat folgt den Ausführungen des Gutachters. Der Gutachter hat ausführlich die Studienlage ausgewertet, die Risiken bewertet und ist nachvollziehbar zu der Schlussfolgerung gekommen, dass eine Gleichwertigkeit von ATK und PTK mit Ausnahme bei Vorliegen der genannten Indikationen besteht. Die Klägerin hat zu keinem Zeitpunkt die von der Beklagten angenommene grundsätzliche Gleichwertigkeit von ATK und PTK und die Erforderlichkeit von ATK nur bei alloimmunisierten Patienten bestritten. Sie hat auch nicht vorgetragen, dass in dem speziellen Fall des Versicherten ein Ausnahmefall vorgelegen hat. Der Senat sah sich daher nicht veranlasst, zu dieser Frage erneut ein Gutachten einzuholen. Bei dem Versicherten handelte es sich nicht um einen alloimmunisierten Patienten. Die von der Klägerin gemäß § 301 SGB V übermittelten Daten weisen keine Nebendiagnose aus, aus der sich eine Alloimmunisierung ergibt. Die Daten gemäß § 301 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V wurden auch vollständig übermittelt. Eine unvollständige Kodierung wurde von der Klägerin nicht geltend gemacht. Die Klägerin hat auch nicht behauptet, dass eine Alloimmunisierung des Versicherten vorlag. Das Bestehen eines Versorgungsengpasses wurde von der Klägerin nicht behauptet und würde darüber hinaus auch nicht zu einem für die Klägerin günstigeren Ergebnis führen. Denn das Krankenhaus trägt das Risiko, sich kostengünstig die Mittel für erforderliche und wirtschaftliche Krankenhausbehandlung zu verschaffen (BSG, Urteil vom 10.03.2015 – B 1 KR 2/15 R – juris Rn. 22). Es muss als Leistungserbringer selbst Vorsorge dafür treffen, dass alle Mittel für eine erforderliche und wirtschaftliche Krankenhausbehandlung im Rahmen seines Versorgungsauftrags zur Verfügung stehen. Hierzu kann es mit den erreichbaren Blutbanken, von denen es ATK oder PTK beziehen will, bindende Vereinbarungen treffen, um wirtschaftlich zu behandeln. Unterlässt es dies, kann es die Folgen nicht auf die Krankenkassen abwälzen. Trifft ein Krankenhaus keine hinreichende Vorsorge für die ihm obliegende Bereitstellung aller Mittel, so liegt auch kein Notfall im Rechtssinne vor, der ein anderes Ergebnis rechtfertigen könnte (BSG, a.a.O. Rn. 23).

Die Prüfung des wirtschaftlichen Alternativerhaltens war vorliegend nicht aufgrund des Ablaufs der Frist des § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V ausgeschlossen. Entgegen der Ansicht der Klägerin folgt hieraus kein Einwendungsausschluss dergestalt, dass die Beklagte unwirtschaftliches Verhalten nur innerhalb einer sechswöchigen Frist geltend machen darf.

Nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V sind die Krankenkassen in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, verpflichtet, bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung, sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung eine gutachtliche Stellungnahme des MDK einzuholen. In Bezug auf die Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V ist diese Prüfung nach der Regelung des § 275 Abs. 1c Satz 1 SGB V "zeitnah" durchzuführen. Dies wird in § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V dahin präzisiert, dass eine Prüfung spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der Krankenkasse einzuleiten und durch den MDK dem Krankenhaus anzuzeigen ist. Der MDK darf nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V Sozialdaten beim Krankenhaus nur erheben, wenn die Fristvoraussetzungen des § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V gewahrt sind. Dies hat nach höchstrichterlicher Rechtsprechung zur Folge, dass Krankenkasse und MDK bei einzelfallbezogenen Abrechnungsprüfungen nach Ablauf der Ausschlussfrist des § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V auf die Daten beschränkt sind, die das Krankenhaus der Krankenkasse im Rahmen seiner Informationsobliegenheiten bei der Krankenhaus-aufnahme und zur Abrechnung – deren vollständige Erfüllung voraus¬gesetzt – jeweils zur Verfügung gestellt hat (BSG, Urteil vom 16.05.2012 – B 3 KR 14/11 R – juris Rn. 17; Urteil vom 16.04.2016 – B 1 KR 33/15 R – juris Rn. 21). Zeigt der MDK die Einleitung der Prüfung dem Krankenhaus nicht oder nicht rechtzeitig nach § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V an, bewirkt dies ein sich auch auf das Gerichtsverfahren erstreckendes Beweis-verwertungsverbot. Das Beweisverwertungsverbot ist beschränkt auf Verfahren der Abrechnungsprüfung zwecks Minderung des abgerechneten Betrags nach § 275 Abs. 1c SGB V, bei denen der MDK Sozialdaten gemäß § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V benötigt (BSG, Urteil vom 13.11.2012 – B 1 KR 24/11 R – juris Rn. 25). Der ungenutzte Ablauf der Sechs-Wochen-Frist des § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V bewirkt dagegen keinen Einwendungssauschluss (BSG, Urteil vom 13.11.2012 – B 1 KR 24/11 R – juris Rn. 33; Urteil vom 16.04.2016 – B 1 KR 33/15 R – juris Rn. 21). Auch nach Ablauf dieser Frist ist die Krankenkasse daher nicht mit Einwendungen ausgeschlossen, die sich aus den ihr gemäß § 301 SGB V übermittelten Daten ergeben. Entgegen der Ansicht des SG beschränkt sich das Prüfungsrecht nach Ablauf der Sechs-Wochen-Frist nicht auf die Überprüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit, sondern erstreckt sich auch auf Auffälligkeiten, die ein unwirtschaftliches Verhalten begründen. Soweit sich aus den nach § 301 SGB V übermittelten Daten unwirtschaftliches Verhalten ergibt, ist die Beklagte berechtigt, dies der Klägerin im Rahmen des Erstattungsverfahrens entgegenzuhalten. Ferner kann sie auch weitere Unterlagen, die ihr außerhalb des Verfahrens nach § 275 Abs. 1c SGB V zugänglich gemacht wurden, zugrunde legen (BSG, Urteil vom 13.11.2012 – B 1 KR 14/12 R – juris Rn. 30 und 33; Urteil vom 16.04.2016 – B 1 KR 33/15 R – juris Rn. 21). Dies gilt auch für Grundsatzgutachten wie das vorliegende des MDK Baden-Württemberg vom 19.10.2010.

Die Beklagte war ebenso wenig gehalten, Einzelfallprüfungen nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V durchzuführen. Ergibt sich aufgrund eines bestimmten Sachverhalts, dass in einer Vielzahl von gleichgelagerten Fällen Auffälligkeiten vorliegen, ist es nicht erforderlich, in jedem Einzelfall den MDK mit einer gutachtlichen Stellungnahme zu beauftragen. Für die primäre Fehlbelegung hat das BSG entschieden: Erfordert eine tatsächlich erfolgte stationäre Behandlung regelhaft keine stationäre Krankenhausbehandlung, sondern kann sie regelmäßig nach den Regeln der ärztlichen Kunst ambulant erbracht werden, kann sich die Krankenkasse auch im Erstattungsstreit wegen vorbehaltlos gezahlter Vergütung regelmäßig darauf beschränken, die vom Krankenhaus vor der Bezahlung mitgeteilten Rechtsgründe auszuräumen. Anderes gilt nur, wenn Umstände erweislich vorliegen, die der indiziellen Bedeutung regelhaft ambulant durchzuführender Behandlungen die Grundlage entziehen (BSG, Urteil vom 14.10.2014 – B 1 KR 27/13 R – juris Rn. 23). Übertragen auf die vorliegende Fallgestaltung, kann die Krankenkasse im Erstattungsstreit auch ohne Einholung eines MDK-Gutachtens im Einzelfall darauf verweisen, dass die Gabe von PTK im Regelfall ausreichend ist und keine Nebendiagnosen übermittelt wurden, die die Gabe von ATK rechtfertigen würden, und sich dabei auf allgemeine medizinische Erkenntnisse stützen, die sie außerhalb des Verfahrens gewonnen hat. Zwar sieht § 275 Abs. 1 SGB V vor, dass die medizinischen Voraussetzungen der Notwendigkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit sowie der Qualität der Leistungen im Einzelfall zu prüfen sind. Erstellt der MDK jedoch – wie hier zu der Erforderlichkeit von ATK – ein Gutachten, das auch die nicht von dem Auftrag erfassten Einzelfälle in der Sache umfasst, weil sie vom Typus her identisch sind, bedarf es keiner erneuten Stellungnahme zu den darauffolgenden Einzelfällen, weil die Krankenkasse aus sich heraus ohne weitere medizinische Sachverhaltsermittlung und -bewertung durch den MDK die Frage der Wirtschaftlichkeit selbst beantworten kann. Folgen weitere Einzelfälle dem gleichen Verhaltensmuster, ist es danach legitim, nicht jedes Verfahren einzeln aufzugreifen und durch den MDK bewerten zu lassen (BSG, Urteil vom 14.10.2014 – B 1 KR 27/13 – juris Rn. 31). Bei dem Gutachten des MDK Baden-Württemberg handelt es sich ohne Zweifel um ein Grundsatzgutachten im Sinne der Rechtsprechung des BSG. Das Gutachten bewertet keinen Einzelfall, sondern setzt sich allgemein mit der Frage auseinander, ob die Gabe PTK und die Gabe von ATK als gleichwertige Behandlungsmethoden anzusehen sind und unter welchen Voraussetzungen einer Gabe von ATK der Vorzug zu geben ist.

Die Erstattung ohne Rechtsgrund gezahlter Krankenhausvergütung ist vorliegend nicht in entsprechender Anwendung des § 814 BGB ausgeschlossen. Danach kann das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete u.a. nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. Zahlt eine Krankenkasse vorbehaltlos auf eine Krankenhausrechnung, kann sie deshalb mit der Rückforderung – und damit auch mit dem späteren Bestreiten ihrer Zahlungspflicht – ganz ausgeschlossen sein, wenn sie (positiv) gewusst hat, dass sie zur Leistung nicht verpflichtet war (BSG, Urteil vom 01.07.2014 – B 1 KR 2/13 R – juris Rn 15). Grob fahrlässige Unkenntnis reicht insoweit nicht aus (Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.12.1971 – III ZR 58/69 – juris Rn. 35). Dem Umstand, dass die Klägerin den Rechnungsbetrag vorbehaltlos angewiesen hat, kommt in diesem Zusammenhang keine Bedeutung zu. Vor dem Hintergrund, dass die Klägerin aufgrund § 13 Abs. 1 der Vereinbarung zu den allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGB V im Freistaat Sachsen vom 04.10.2005 (Landesvertrag) verpflichtet war, die Schlussrechnung innerhalb von 18 Tagen zu bezahlen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte schon bei Zahlung positive Kenntnis von der Nichtschuld in Bezug auf das ZE84 hatte. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass sie in einem solchen Fall vorrangig das Zahlungsziel einhalten wollte.

Auch aus § 13 Abs. 7 Landesvertrag ergibt sich kein für die Klägerin günstigeres Ergebnis. Die Norm regelt, dass Beanstandungen sachlicher oder rechnerischer Art grundsätzlich auch nach Zahlung der Rechnung geltend gemacht werden, soweit das Verfahren nach § 14 dieses Vertrages eingehalten wurde. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Landesvertrag hat die Krankenkasse innerhalb von 30 Arbeitstagen nach Schlussrechnung dem Krankenhaus eine Prüfanfrage zu übermitteln, sofern sie aufgrund konkreter Zweifel an der Notwendigkeit der Leistungen im Zusammenhang mit der stationären Behandlung des Patienten oder deren Abrechnung den MDK zu Begutachtung heranzieht. Nach Ablauf dieser Frist ist eine Prüfung nur möglich, wenn der Krankenkasse nachträglich Umstände bekannt werden, die eine Prüfung erforderlich machen (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Landesvertrag). Es kann dahinstehen, ob diese – in den seit 01.01.2015 geltenden neuen sächsischen Landesvertrag nicht übernommene – Regelung eine Ausschlussfrist beinhaltet dergestalt, dass eine Erstattung immer nur innerhalb der Frist des § 14 Abs. 1 Satz 1 Landesvertrag oder bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 2 Landesvertrag geltend gemacht werden kann, selbst wenn eine Stellungnahme des MDK nicht benötigt wird. Eine solche materiell-rechtliche Ausschlussfrist zu Lasten der Krankenkassen jenseits der sechswöchigen Ausschlussfrist des § 275 Abs. 1c SGB V verstößt nämlich gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot, steht nicht zur Disposition der Vertragspartner und ist damit nichtig (BSG, Urteil vom 13.11.2012 – B 1 KR 14/12 R – juris Rn. 26; Urteil vom 13.11.2012 – B 1 KR 27/11 R – juris Rn. 35 ff.)

Die Erstattungsforderung war auch noch nicht verjährt. Der Anspruch einer Krankenkasse gegen einen Krankenhausträger auf Erstattung einer zu Unrecht gezahlten Vergütung unterliegt einer vierjährigen Verjährung (st. Rspr., BSG, Urteil vom 23.06.2015 – B 1 KR 26/14 R – juris Rn. 44 m.w.N.), die hier zum Zeitpunkt der Verrechnung im Februar 2016 im Hinblick auf die im September 2013 beglichene Rechnung noch nicht abgelaufen war.

Der Erstattungsanspruch war ferner nicht verwirkt. Das Rechtsinstitut der Verwirkung passt als ergänzende Regelung innerhalb der kurzen vierjährigen Verjährungsfrist grundsätzlich nicht. Es findet nur in besonderen, engen Ausnahmekonstellationen Anwendung (vgl. BSG, Urteil vom 23.06.2015 – B 1 KR 26/14 R – juris Rn. 44 m.w.N.). Ein solcher Fall liegt indes nicht vor. Die Verwirkung als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ist auch für das Sozialversicherungsrecht anerkannt. Sie setzt als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts dem Verpflichteten gegenüber nach Treu und Glauben als illoyal erscheinen lassen. Solche, die Verwirkung auslösenden "besonderen Umstände" liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage) und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (st. Rspr.; vgl. BSG Urteil vom 23.06.2015 – B 1 KR 26/14 R – juris Rn. 46 m.w.N.). Nichtstun, also Unterlassen, kann ein schutzwürdiges Vertrauen in Ausnahmefällen allenfalls dann begründen und zur Verwirkung des Rechts führen, wenn der Schuldner dieses als bewusst und planmäßig erachten darf (BSG, Urteil vom 23.06.2015 – B 1 KR 26/14 R – juris Rn. 48). In jedem Einzelfall müssen die Interessen der Beteiligten geprüft und gegeneinander abgewogen werden. Die Schutzwürdigkeit des Krankenhauses kann sich insbesondere daraus ergeben, dass es auf eine abschließende Vergütung vertraut hat und vertrauen durfte und sich darauf in einer Weise eingerichtet hat, dass ihm eine Nachforderung nach Treu und Glauben nicht zugemutet werden kann (BSG, Urteil vom 19.04.2016 – B 1 KR 33/15 R – juris Rn. 20). Es bedarf grundsätzlich einzelfallbezogener besonderer Umstände, um ein schützenswertes Vertrauen des Krankenhauses darauf zu begründen, dass keine Nachberechnung erfolgt.

Ein solcher (Einzel-)Fall liegt hier nicht vor. Es ist nicht erkennbar, dass und in welcher Art sich die Klägerin darauf eingestellt haben soll, dass die Beklagte innerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist keine Erstattungsforderung geltend machen werde. Der bloße Zeitablauf innerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist stellt kein die Verwirkung begründendes Verhalten dar (BSG, Urteil vom 21.04.2015 – B 1 KR 7/15 R – juris Rn. 19; Urteil vom 23.06.2015 – B 1 KR 26/14 R – juris Rn. 48; Urteil vom 19.04.2016 – B 1 KR 33/15 R – juris Rn. 20). Ein die Verwirkung auslösendes Verhalten ist auch nicht darin zu sehen, dass die Klägerin die Rechnung ohne Erklärung eines Vorbehalts zahlte (so aber bei einem vergleichbaren Sachverhalt: Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17.10.2019 – L 5 KR 139/18 – nicht veröffentlicht). § 13 Abs. 1 Satz 1 Landesvertrag sieht ein Begleichen der Rechnung innerhalb von 18 Tagen vor; gemäß § 13 Abs. 7 Landesvertrag können Beanstandungen auch noch nach der Bezahlung geltend gemacht werden. Die Regelung fordert keine vorausgegangene Beanstandung oder die Erklärung eines Vorbehalts bei der Zahlung, so dass in einer vorbehaltlosen Zahlung kein Verzicht auf eine spätere Nachprüfung und auf Geltendmachung einer Erstattungsforderung zu sehen ist (vgl. BSG, Urteil vom 21.04.2015 – B 1 KR 7/15 R – juris Rn. 18; Urteil vom 23.06.2015 – B 1 KR 26/14 R – juris Rn. 48; Urteil vom 19.04.2016 – B 1 KR 33/15 R – juris Rn. 20). Ein Vertrauensschutz wurde auch nicht durch Ablauf der Frist des § 275 Abs. 1c SGB V begründet, da der ungenutzte Ablauf dieser Frist eine Krankenkasse gerade nicht davon ausschließt, eine Auffälligkeitsprüfung auf der Grundlage der nach § 301 SGB V übermittelten Daten und außerhalb des Verfahren gewonnener Erkenntnisse zu stützen. Weitere Umstände, die ein Vertrauen der Klägerin begründen könnten, sind nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 SGG).

Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1, 3 Satz 1 und § 47 Abs. 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz.
Rechtskraft
Aus
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