Kein Grund für Verlegung – Schadensersatz des Krankenhauses?

6

Das Sozialgericht Duisburg hatte in einer aktuellen Entscheidung vom 14.02.2020 (- S 44 KR 379/17 -) sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob ein Krankenhaus mit einem Versorgungsauftrag für geriatrische Komplexbehandlungen, der Krankenkasse etwaige Mehrkosten ersetzen muss, wenn es den Patienten zur geriatrischen Weiterbehandlung ohne Sachgrund in ein anderes Krankenhaus verlegt.

Dies hat das Gericht bejaht, weil das Krankenhaus seine Pflicht zur Weiterbehandlung des Patienten durch die sachgrundlose Verlegung schuldhaft verletzt habe und der Krankenkasse in Anwendung des § 280 Abs. 1 BGB  zu umfassenden Schadensersatz verpflichtet sei. Der Schaden der Krankenkasse seien nach Ansicht des Gerichts die sich auf die durch die Verlegung verursachten Mehrkosten.

Das Gericht bezieht sich dabei auf die Grundannahme des BSG, wonach die stationäre Behandlung eines gesetzlich Versicherter in einem zugelassenen Krankenhaus zwischen dem Krankenhaus und der Krankenkassen ein gesetzliches öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis begründet wird, auf das auch § 280 Abs 1 BGB anzuwenden ist. Das zugelassene Krankenhaus ist im Rahmen seines Versorgungsauftrags zur Krankenhausbehandlung der Versicherten gegen Vergütung verpflichtet. Die Folgen von Pflichtverletzungen aus diesem gesetzlichen Schuldverhältnis, das bei stationärer Behandlung Versicherter in einem zugelassenen Krankenhaus besteht, sind dabei nach Ansicht des BSG weder landesvertraglich noch landes- oder bundesrechtlich abschließend geregelt. Das Vertragsrecht dürfte Schadensersatzansprüche der Krankenkassen bei schuldhafter Schädigung durch Krankenhäuser auch nicht ausschließen. Die Vorschriften des BGB über Schadensersatz wegen Pflichtverletzung sind nach dem BSG vielmehr entsprechend anwendbar. Sie sind nach Ansicht des BSG auch mit der Stellung der Krankenhäuser im Versorgungssystem des SGB V vereinbar (BSG, Urteil vom 12.11.2013 – B 1 KR 22/12 R –).

Daraus folge nach Ansicht des SG Duisburg auch eine Pflicht des Krankenhauses zur umfassenden stationäre Behandlung entsprechend seines Versorgungsauftrages bis zur Entlassfähigkeit des Patienten. Eine vorherige Verlegung des Patienten stelle nach Ansicht des Gericht eine Verletzung der gegenüber der Krankenkasse bestehende Pflicht dar. Für diese Pflichtverletzung müsse sich das Krankenhaus dann nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB entlasten, was es nur könne, wenn ein sachlicher Grund vorläge, der die Verlegung rechtfertigt. Da dieser nach Ansicht des Gerichts nicht ausreichend vorgetragen sei, hafte das Krankenhaus der Krankenkasse auf Schadensersatz. Das offenbar behauptete Fehlen von Behandlungskapazitäten wurde dabei nach Ansicht des SG Duisburg offenbar nicht ausreichend vorgetragen, so dass das Gericht nach den angeführten Regelungen zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast davon ausgegangen ist, dass der vom Krankenhaus zu führende Entlastungsbeweis nicht gelungen sei.

Zum Schadensersatz gehören nach Ansicht des Gerichts neben den Kosten des Verlegungstransportes auch die Auslagenpauschale, welche die Krankenkasse an das aufnehmende Krankenhaus im Zuge des dort durchgeführten Überprüfungsverfahrens gezahlt hat.

Mit der Entscheidung wird für die Verlegung über den Rückgriff auf das Schadensersatzrecht des bürgerlichen Rechts eine umfassende Begründungs- und Nachweispflicht für eine Verlegung eingeführt, die das BSG für das aufnehmende Krankenhaus noch ausdrücklich abgelehnt hatte und deutlich gemacht hat, dass das aufnehmende Krankenhaus lediglich die fortdauernde stationäre Behandlungsbedürftigkeit zu prüfen habe (vgl. dazu BSG, Urteil vom 16.12.2008 – B 1 KR 10/08 R –; dazu auch LSG Saarland, Urteil vom 13.04.2016 – L 2 KR 207/12 -). Das verlegende Krankenhaus muss nach der dargestellten Entscheidung nun aber einen Sachgrund nachweisen, wenn es die durch die Verlegung zutragenden Mehrkosten nicht selbst tragen will. Die Entscheidung schließt damit für alle Verlegungsfälle nahtlos an die BSG-Rechtsprechung zur Pflicht des Krankenhauses zum wirtschaftlichen Alternativverhalten an, wobei der Rückgriff auf das Beweisrecht nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB eine weitere Haftungsverschärfung bedeutet. Denn prinzipiell gilt, dass das Krankenhaus mit entsprechenden Versorgungsauftrag für die verlegungsbedingten Mehrkosten immer haftet, wenn es keinen Sachgrund nachweisen kann. Dabei ist noch völlig offen, was dann als ausreichender Sachgrund anerkannt wird. Neben der vom Krankenhaus nachzuweisenden Auslastung dürfte schon eine bessere oder wortortnähere Versorgung ausscheiden, wenn die Behandlung prinzipiell im aufnehmenden Krankenhaus fortgesetzt werden kann (vgl. dazu insbesondere die Neufassung des § 39 Abs. 2 SGB V).

Insgesamt wird damit die Verlegung in ein anderes Krankenhaus ein erhebliches Haftungsrisiko für das verlegende Krankenhaus, was aber insbesondere durch den Rückgriff auf das Beweisrecht des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB zu einer verfehlten neuen Belastung für die Krankenhäuser führt.

Für Rückfragen zu diesem oder einem anderen medizinrechtlichen Thema stehen wir Ihnen gerne telefonisch unter 0681-3836580 oder per E-Mail unter ra@ra-glw.de zur Verfügung. Besuchen Sie auch unsere Internetseite http://www.ra-glw.de.

Meinungen zu diesem Beitrag

  1. Britta Dietrich-Lorenz am

    Sehr geehrter Herr Dr. Wölk,

    im Gegenzug zu diesem Urteil sehe ich eine gute Argumentation für die vollständige Behandlung (aller Verweildauertage)einer geriatrischen Komplexbehandlung des Patienten in dem Krankenhaus, das potenziell als ein zu verlegendes gelten würde. Wir haben immer wieder Fälle, in denen Verweildauertage des entsprechenden OPS gestrichen werden, weil der MD der Ansicht ist, dass eine Behandlung nicht mehr notwendig ist. Wie sehen Sie das?

  2. Dr. Florian Wölk am

    Sehr geehrte Frau Dietrich-Lorenz,

    vielen Dank für Ihre Anmerkung. Allerdings dürfte die Frage der Verweildauerprüfung in den Verlegungsfällen gar nicht auftauchen, weil der MD ja argumentiert, dass im verlegenden Krankenhaus die Behandlung hätte fortgesetzt werden müssen, was die weiter bestehende stationäre Behandlungsnotwendigkeit voraussetzt. Wenn der MD bereits die Dauer der stationären Behandlung beanstandet, kommt es auf das Problem der Verlegung nicht mehr an. Ich sehe daher keine Möglichkeit aus der Entscheidung ein Argument im Rahmen der Verweildauerprüfung zu gewinnen.

    Mit freundlichen Grüßen

    Florian Wölk

  3. Dr. Thomas Muche am

    Sehr geehrter Herr Dr. Wölk,
    meines Erachtens kann ein Patient doch zwischen geeigneten Krankenhäusern wählen. Dieser (Qualitäts-)Wettbewerb ist doch politisch gewollt.
    So kann ich mir kaum vorstellen, dass ich nach einen Schlaganfall bei Verengung der Halsschlagader zwingend in dem Haus operiert werden muss, in dem ich zur Stroke-Behandlung aufgenommen wurde, wenn ich der Meinung bin, ein anderes Haus ist besser geeignet.
    Ist das aus Ihrer Sicht ein ausreichender Sachgrund?
    Die Patienten sind auch in der Geriatrie durchaus der Meinung, dass die personelle oder räumliche Situation in einem anderen Haus besser geeignet ist und forcieren daher die Verlegung.
    Kann das Krankenhaus dann auch in Haftung genommen werden?

    Mit freundlichen Grüßen

  4. Dr. Florian Wölk am

    Sehr geehrter Herr Dr. Muche,

    vielen Dank für den Kommentar. Dieses Problem wird ein wichtiger klärungsbedürftiger Punkt sein. Im Ergebnis wäre es natürlich absurd, wenn das Krankenhaus bei einer Verlegung auf Wunsch des Patienten haftet. Die gleiche Frage stellt sich beim Wunsch einer heimatnahen stationären Versorgung nach Beendigung der Akutversorgung. Wenn dies nicht als „sachliche Gründe“ für die Verlegung akzeptiert wird, läuft das Wahlrecht des Patienten letztlich leer oder endet mit der Aufnahme in ein Krankenhaus, das die Behandlung beginnt. Dies wäre nicht nur aus Patientensicht allerdings ein untragbares Ergebnis.

    Mit freundlichen Grüßen

    Florian Wölk

  5. Sehr geehrter Herr Dr. Wölk,

    wie verhält es sich dann wenn z.B. eine Universitätsklinik (Maximalversorger) in eine geringere Versorgungsstufe verlegt? Nach der Verlegung erfolgt lediglich die Überwachung keine weitere OP oder andere Eingriffe. Die Universitätsklinik berechnet bei Verlegung den Verlegungsabschlag laut der FPV.
    M.E. ist auch dies kein Argument um die Verlegung zu rechtfertigen. Argument der Maximalversorger ist in diesen Fällen die Bettenfreihaltung für „schwere“ Fälle.
    Mit freundlichen Grüßen

  6. Dr. Florian Wölk am

    Sehr geehrte/r S.Schulz
    vielen Dank für Ihre völlig richtige Anmerkung.
    Wenn das Argument der Rechtfertigung der Verlegung unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebotes zu Ende gedacht wird, bleiben wenig Fälle in denen nach erfolgter Hauptleistung überhaupt eine Verlegung zu rechtfertigen ist. Insbesondere der Wunsch des Patienten dürfte dann keine Rolle mehr spielen. Hier zeigt sich erneut die allgemeine Tendenz der Gerichte, mit der Betonung des Wirtschaftlichkeitsgebotes die Diskussionen um eine sachgerechte Versorgung der Patienten zu beenden.
    Mit freundlichen Grüßen
    Florian Wölk

Ihre Meinung dazu?

Mit * markierte Felder sind Pflichtfelder.
Ihre E-Mailadresse wird weder veröffentlicht, noch an Dritte weitergegeben.

* *

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden .