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VG Minden: Anordnung des sofortigen Aufnahmestopps von Patienten rechtswidrig aufgrund Ermessensnichtgebrauchs der Behörde

Mit Beschluss vom 21.04.2020 (Az. 7 L 299/20) ordnete das VG Minden im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes die aufschiebende Wirkung der Klage eines REHA-Klinikbetreibers gegen die Anordnung an, keine Patienten mehr aufzunehmen.

1. Aufnahmestopp wegen eines infizierten Patienten

Die Behörde hatte den sofortigen Aufnahmestopp verfügt, da eine Patientin in der Klinik an SARS-CoV-2 Virus-19 erkrankt war und nach Ansicht der Behörde davon ausgegangen werden müsste, dass sich die Patientin in der Klinik mit der Krankheit infiziert habe.

2. Rechtswidrigkeit wegen Ermessensfehlern

Das Gericht geht davon aus, dass die Anordnung des Aufnahmestopps nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage offensichtlich rechtswidrig ist.

§ 16 Abs. 1 IfSG sei zwar die falsche Rechtsgrundlage. Bei bereits festgestellten Kranken ist § 28 Abs. 1 IfSG einschlägig. Die Ermächtigungsgrundlage könne aber noch ausgetauscht werden.

Ein etwaiger Anhörungsmangel könne mit heilender Wirkung nachgeholt werden, §§ 28, 45 VwVfG NRW.

Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG lagen vor. Somit war die Behörde grundsätzlich zu einer Schutzmaßnahme verpflichtet. Hinsichtlich des „wie“ des Eingreifens ist der Behörde ein Ermessen eingeräumt.

Die Behörde habe jedoch das ihr nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG zustehende Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt.

Die Maßnahme muss notwendig und verhältnismäßig sein.

Für eine ordnungsgemäße Ermessensausübung ist es erforderlich, dass die Behörde unter Abwägung der gegenläufigen Belange im Einzelfall begründet, warum sie sich gerade für die getroffene Maßnahme entschieden hat.

Die vorliegenden Erwägungen der Behörde genügten diesen Anforderungen nicht. Andere Maßnahmen als der Aufnahmestopp wurden seitens der Behörde ersichtlich nicht erwogen.

Die Klinik sei durch Bescheid des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW vom 03. April 2020 gem. § 22 Abs. 1 Satz 1 KHG als Einrichtung zur Versorgung akutstationärer Patienten bestimmt worden. Vor diesem Hintergrund bedürfe der angeordnete Aufnahmestopp einer besonderen Rechtfertigung.

Zudem sehe auch das Robert-Koch-Institut einen Aufnahmestopp nicht als unmittelbar und grundsätzlich notwendige Reaktion bei COVID-19 Ausbrüchen in einer Gesundheitseinrichtung.

Das Gericht lässt abschließend offen, ob bei ordnungsgemäßer Ermessensausübung ein vollständiger Aufnahmestopp im Einzelfall gerechtfertigt sein kann.

3. Fazit und Empfehlung

Der Beschluss zählt zu den bis dato wenigen für die Antragsteller erfolgreichen Eilentscheidungen im Zusammenhang mit COVID-19 Maßnahmen.

Der Fall zeigt auf, dass Behörden im Zusammenhang mit COVID-19 teilweise sehr hektisch und unüberlegt agieren.

Eilrechtsschutz kann sehr kurzfristig notwendig werden und ist unbedingt in Anspruch zu nehmen, wenn der Sachverhalt Anhaltspunkte bietet.

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hat in diesen Fällen große Bedeutung. Dadurch spielen die Umstände des Einzelfalls eine erhebliche Rolle.

Allgemein interessant und verallgemeinerungsfähig ist v.a. der Hinweis auf die Empfehlungen des RKI.

Kliniken, die diese Empfehlungen gerade auch bei Auftreten von Corona-Erkrankungen einhalten, können auch vor Gericht bestehen.

Hier lagen zwischen dem Aufnahmestopp (09.04.) und dem Gerichtsbeschluss (21.04.) nur 12 Kalendertage. Die Kürze des Verfahrens ist vorbildlich, aber nicht immer gewährleistet.

Klinikträger sollten daher schon im Vorfeld solcher Entscheidungen mit den zuständigen Behörden in Kontakt bleiben, um argumentativ auf diese einzuwirken und gleichzeitig rechtliche Vertretung für den „Tag X“ vorhalten, um gegebenenfalls schnell reagieren zu können.